Pressemitteilung | Baden-Württembergischer Handwerkstag e.V.

Mehr Betriebe, weniger Umsatz und Beschäftigte

(Stuttgart) - Die Handwerkskonjunktur in Baden-Württemberg hängt nach wie vor in den Seilen. „Sie bewegt sich zwar, aber leider nur im Schneckentempo“, sagte Landeshandwerkspräsident Klaus Hackert. Nach der Streichung des Meisterbriefs bei mehr als der Hälfte der Handwerksberufe gebe es inzwischen mehr Betriebe, aber Umsätze und Beschäftigung seien weiterhin rückläufig.

Das Handwerk warte dringend auf eine Belebung der inländischen Nachfrage, erklärte Hackert in einer Pressekonferenz des Baden-Württembergischen Handwerkstages (BWHT). Die aktuelle Einschätzung der Geschäftslage, der Umsatzentwicklung, der Auftragseingänge und der Beschäftigtenentwicklung bleibt hinter den Erwartungen zurück. Das hat die vierteljährliche Umfrage des Handwerkstages unter rund 1.000 Handwerksbetrieben im Land bestätigt. Der Konjunkturindikator, der die Stimmung unter den Handwerksbetrieben widerspiegelt, ist im dritten Quartal 2004 leicht angestiegen und liegt mit aktuell 22 Punkten um sechs Punkte höher als im Vorquartal und im Vorjahr. Damit setzt sich der seit dem Tiefstpunkt im Sommer 2003 entwickelnde positive Trend fort. Allerdings bleibt das Tempo unbefriedigend. Hackert: „Die in den Jahren 1998 bis 2001 erreichten Herbstwerte von 35 bis 40 Punkten liegen noch in weiter Ferne.“

Gegenüber den Vorjahreswerten haben sich die Konjunkturindikatoren in einzelnen Branchen verbessert (Metallgewerbe + 22 Punkte, Bauhauptgewerbe + 15 Punkte, Nahrungsmittelgewerbe + 10 Punkte). Auffallend ist, dass das Baugewerbe mit 30 Punkten und das Ausbaugewerbe mit 27 Punkten die höchsten Werte seit vier Jahren bzw. seit drei Jahren aufweisen. Allerdings bleiben auch diese Branchen deutlich unter den Werten aus den Jahren 1999 und 2000. Der Blick auf Umsätze, Auslastung und Auftragseingang zeigt, dass sich die Werte nur schwach verbessert haben. Nur 18 Prozent der Befragten geben an, dass sie im vergangenen Quartal höhere Umsätze als im Vorquartal erzielten. Wie im Vorjahr berichtet rund ein Drittel von schlechteren Umsatzzahlen. Die durchschnittliche Betriebsauslastung liegt mit 74 Prozent sogar leicht unterhalb des Vorjahreswerts. Auch der Auftragseingang hat sich nicht verbessert. Der durchschnittliche Auftragsbestand bewegt sich mit 5,5 Wochen auf Vorjahresniveau. Die Investitionsbereitschaft im Handwerk im Land bleibt deutlich zurückhaltend.

Auf die Beschäftigung haben die aktuell verbesserte Geschäftslage und die höheren Umsätze allerdings keine Auswirkungen. Ende 2003 beschäftigte das Handwerk in Baden-Württemberg 753.000 Mitarbeiter. Hackert geht davon aus, dass in diesem Jahr etwa vier Prozent verloren gehen: „Das bedeutet rund 30.000 Arbeitsplätze weniger.“ Der Handwerkstag rechnet für dieses Jahr mit einem Umsatzminus von ein bis zwei Prozent. Die Umsätze 2003 lagen bei 62,4 Milliarden Euro. Die Novellierung der Handwerksordnung, betonte Hackert, habe nicht den von der Bundesregierung angekündigten Schub gebracht. Ein erstes Fazit des Handwerkstages falle nur vordergründig positiv aus. Die Betriebszahlen haben sich in den ersten sechs Monaten zunächst aufwärts entwickelt. Zum 30. Juni waren bei den Handwerkskammern im Land insgesamt 118.724 Betriebe in den Handwerksrollen eingetragen. Der Betriebsbestand stieg damit um 1.797 Betriebe (1,5 Prozent) seit Jahresanfang und um 2.269 Betriebe (1,9 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Dies stellt den ersten Anstieg der Betriebszahlen im Handwerk im Land seit dem ersten Halbjahr 2000 dar.

Der Zuwachs der Betriebszahlen ist in allen Handwerksgruppen zu verzeichnen. Egal ob diese mit Meisterpflicht oder ohne Meisterpflicht ausgeübt werden können. „Auch dort, wo die Meisterpflicht besteht, haben wir erstmals seit 1998 wieder einen positiven Saldo“, hob Hackert hervor. So ist der Betriebsbestand in den zulassungspflichtigen Handwerken der Anlage A zwischen Januar und Juni 2004 um 292 Unternehmen (+ 0,4 Prozent) seit Jahresanfang gestiegen. Als besonders existenzgründungsfreudig erwiesen sich vor allem die Friseure, die Maler und Lackierer, die Installateure und Heizungsbauer, die Zimmerer, die Maurer und Betonbauer. Für die anziehende Entwicklung scheint unter anderem auch die Lockerung bei der Altgesellenregelung verantwortlich.

Die Betriebszahlen stiegen vor allem in den zulassungsfreien B1-Handwerken, für die die Meisterpflicht als Zulassungsvoraussetzung entfallen ist. In den ersten sechs Monaten steigerte sich der Bestand um 1.137 Unternehmen, was einem Plus von zehn Prozent entspricht. Ausschlaggebend für diese Entwicklung sind vor allem Zuwächse bei den Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern, den Raumausstattern, den Damen- und Herrenschneidern und den Fotografen. Der positive Saldo ist unterm Strich bei den Handwerken, für die kein Meisterbrief zur Betriebsgründung benötigt wird, deutlich größer. „Allerdings kann dies nicht als Sonderentwicklung im Handwerk gewertet werden“, erklärte Hackert. Das Statistische Bundesamt meldet für das 1. Halbjahr 2004 eine Steigerung der Gewerbeanmeldung von Kleinbetrieben um 21,7 Prozent.

Der starke Zulauf bei den nun zulassungsfreien Handwerken sei nicht überraschend, meinte Hackert. Er sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass zuvor in der Schattenwirtschaft ausgeübte Tätigkeiten jetzt legalisiert wurden und zahlreiche Existenzgründungen über "Ich-AGs" aus der Arbeitslosigkeit heraus erfolgten. Hackert bezweifelte, dass diese zunächst positive Entwicklung bei den Betriebszahlen im Handwerk auch mittel- bis langfristig anhalten wird Die bisher festgestellte Entwicklung lasse eher erwarten, dass die befürchtete Dequalifizierungsspirale im Handwerk in Gang gekommen sei. Immerhin über drei Viertel aller Zugänge in den meisterfreien Handwerken seien schließlich ohne jegliche fachspezifische Qualifikationen. Hackert: „Wenn jetzt ohne Meisterbrief der Zugang zum selbstständigen Handwerk möglich ist, haben wir tatsächlich mehr Betriebe, das heißt aber vor allem mehr Klein- und Kleinstbetriebe.“ Die mittleren und größeren Handwerksbetriebe würden dadurch eher an Umsatz und Arbeitsplätzen verlieren, die von der Betriebsgröße abhängige Ausbildungsfähigkeit und Innovationskraft werde geschmälert.

Quelle und Kontaktadresse:
Baden-Württembergischer Handwerkstag Heilbronner Str. 43, 70191 Stuttgart Telefon: 0711/1657-401, Telefax: 0711/1657-444

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