Pressemitteilung | Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR)

Mut zu Reformen für mehr Beschäftigung und Wachstum

(Berlin) - Die deutsche Politik sollte Mut zu Reformen für mehr Beschäftigung und Wachstum beweisen. Die Programme der Parteien für die bevorstehende Bundestagswahl müssen sich daran messen lassen, fordert der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in seinem jüngsten Konjunkturbericht: Wirtschafts- und Sozialpolitik benötigt Trendwende.

Notwendig sei eine grundlegende Trendwende in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dabei gelte es Abschied zu nehmen von der Vorstellung der Omnipotenz des Staates. Bürger und Unternehmen müssten in Zukunft mehr Eigenverantwortung übernehmen. Aufgabe der Politik sei es, hierfür die notwendigen Spielräume zu schaffen und Leistungswillen sowie Risikobereitschaft zu fördern. Die Stärkung von Wettbewerb und Wachstum habe Vorrang vor Verteilungsinteressen. Alle Maßnahmen und Entscheidungen müssten auf das Beschäftigungs- und Wachstumsziel ausgerichtet werden. Hierzu bedürfe es einer am Leitbild der sozialen Marktwirtschaft ausgerichteten konsistenten Gesamtstrategie.

Mittelstand in den Mittelpunkt rücken
Die Politik habe sich bislang zu stark an großindustriellen Strukturen orientiert. Eine Politik für mehr Beschäftigung und Wachstum müsse den Mittelstand in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen rücken. Ohne die spezifischen Belange des Mittelstandes zu berücksichtigen werde jede Reformpolitik scheitern. Der Mittelstand brauche mehr Freiraum für unternehmerisches Handeln. Nur so könne er seine Dynamik, Flexibilität und Innovationsfähigkeit voll entfalten und wieder zum Motor für mehr Beschäftigung und Wachstum in Deutschland werden.

Konsolidierung der Staatsfinanzen unverzichtbar
Die außer Kontrolle geratenen öffentlichen Haushalte erforderten, so der BVR, einen unverzüglichen und nachhaltigen Kurswechsel der Finanzpolitik. Dieser müsse über die Reduzierung der jährlichen Neuverschuldung hinausgehen. Der Schuldenstand müsse sukzessive reduziert werden. Da sich eine weitere Erhöhung der Steuer- und Abgabenlast verbiete, liege der Schlüssel in einer konsequenten Rückführung der staatlichen Ausgaben und dem Abbau von Subventionen. Ziel der Finanzpolitik müsse es sein, die Staatsquote unter 40 Prozent zu drücken. Nur so seien die Spielräume zu gewinnen, um die Steuer- und Sozialsysteme zu reformieren.

Steuern mittelfristig weiter senken
Kurzfristig seien die Beschlüsse des Jobgipfels umzusetzen, forderte der BVR. Mittelfristig müsse im Zuge einer großen Steuerreform das Steuerrecht vereinfacht und die Belastung für Bürger und Unternehmen weiter reduziert werden. Diese Reform sei so auszugestalten, dass sie Personen- und Kapitalgesellschaften rechtsformneutral erfasst. Die Spitzenbelastung der Unternehmen sollte unter Einschluss eines kommunalen Heberechts als Ersatz für die Gewerbesteuer nicht über 25 Prozent hinausgehen. Im Zuge dieser Steuerreform sollte die Versteuerung der Kapitalerträge auf eine moderate Abgeltungsteuer umgestellt werden. An die Stelle der Gewerbesteuer sollte ein kommunales Zuschlagsrecht zu einer rechtsformneutralen Unternehmensteuer und zur Einkommensteuer treten.

Eine Anhebung der Mehrwertsteuer wäre nach Auffassung des BVR eine deutliche Hypothek für die Binnenkonjunktur. Zudem würde der notwendige Druck, die sozialen Sicherungssysteme zu reformieren, verringert. Wenn die Mehrwertsteuer dennoch erhöht werden sollte, so müsse das Aufkommen ausschließlich zu einer Reduzierung der Beiträge zu den Sozialversicherungen genutzt werden und nicht etwa zum Stopfen von Haushaltslöchern.

Sozialsysteme zukunftsfest machen
Für den personalintensiven Mittelstand sei die Senkung der Lohnzusatzkosten noch wichtiger als eine Steuerentlastung. Für mehr Beschäftigung sei eine Entlastung des Faktors Arbeit daher unumgänglich. Gleichzeitig müssten die sozialen Sicherungssysteme vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung durch wirkliche Strukturreformen zukunftsfest gemacht werden.

So sollten die Beiträge zur Krankenversicherung vom Faktor Arbeit abgekoppelt werden. Der derzeitige Arbeitgeberanteil sollte ausgezahlt und das duale Beitragssystem durch eine Gesundheitsprämie ersetzt werden. Die soziale Abfederung dieses Systemwechsels bzw. die Realisierung politisch gewollter Umverteilungsziele müssten von der Allgemeinheit getragen und über den Bundeshaushalt finanziert werden.

Auch die Pflegeversicherung müsse vom Arbeitsverhältnis gelöst werden. Die derzeitige Pflegeversicherung sollte in eine private Pflichtpflegeversicherung umgestaltet werden. Familienpolitisch motivierte Leistungen müssten zukünftig über Steuern finanziert werden. Die Reform der Rentenversicherung müsse angesichts der demografischen Entwicklung fortgesetzt werden. Der Anteil der kapitalgedeckten Altersvorsorge sei weiter auszubauen. Die betriebliche und private Vorsorge sei zu stärken. Mittelfristig sei zudem ein stufenweiser Anstieg des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre erforderlich, mit entsprechenden versicherungsmathematischen Abschlägen bei einem früheren Renteneintritt.

Um die Lohnzusatzkosten kurzfristig zu senken, fordert der BVR den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 2 Prozentpunkte zu senken. Dies könne durchaus durch eine Reform des Systems selbst erreicht werden, ohne das Grundkonzept der staatlichen Arbeitslosenversicherung in Frage zu stellen. Einsparpotenziale seien durchaus vorhanden. Die Bundesagentur für Arbeit solle sich grundsätzlich auf ihre Versicherungs- und Vermittlungsaufgabe konzentrieren.

Arbeitsmarkt entfesseln
Eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast sei eine entscheidende Vorbedingung für mehr Beschäftigung. Diese müsse aber ergänzt werden durch eine durchgreifende Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Hierzu seien beispielsweise eine auf die Belange des Mittelstandes zugeschnittene Lockerung des Kündigungsschutzes sowie eine mittelstandsgerechte Korrektur des Betriebsverfassungsgesetzes erforderlich.

Ausufernde Bürokratie eindämmen
Über die ökonomische Zukunftsfähigkeit Deutschlands entscheide nicht zuletzt, ob es gelinge bürokratische Verkrustungen aufzubrechen und zusätzliche Freiräume für private Wirtschaften zu schaffen. Dazu müssten bestehende Gesetze und Vorschriften überprüft und überflüssige bürokratische Hemmnisse für Unternehmen konsequent abgebaut werden. Dort, wo Unternehmen vom Staat für die Erfüllung originärer staatlicher Aufgaben in die Pflicht genommen werden, sollten ihnen die entsprechenden Kosten ersetzt werden. Grundsätzlich seien die vorhandenen Regulierungen auf ihre Notwendigkeit und ihre Effizienz hin zu überprüfen. Dies gelte auch für die bestehende Überregulierung bei der Bankenaufsicht. Diese sei auf ein notwendiges Maß zu reduzieren. Gleichzeitig seien Vorkehrungen zu treffen, das neuerliche Entstehen belastender Regulierungen von Anfang an zu verhindern. Europäische Regelungen sollten lediglich eins zu eins umgesetzt und nicht zum Anlass für nationale Sonderregelungen genommen werden.

Quelle und Kontaktadresse:
BVR Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. Schellingstr. 4, 10785 Berlin Telefon: 030/20210, Telefax: 030/20211900

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