Nebeneinander von öffentlicher und privater Entsorgungswirtschaft kein Widerspruch zum EU-Recht
(Köln) - Die Forderung der Industrie- und Handelskammer Oberrhein, den im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) normierten Dualismus von öffentlicher und privater Entsorgungswirtschaft zu ändern, weil diese mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar sei, ist abwegig, so die Einschätzung von Karl-Joachim Neuhaus, Präsident des VKS, und Klaus Evertz, Vorsitzender der Vereinigung der kommunalen Entsorgungswirtschaft im VKU.
Die IHK stützt ihre Forderung auf ein von ihr zusammen mit der IHK Berlin in Auftrag gegebenes Gutachten des Frankfurter Rechtslehrers Prof. Dr. Bothe. Mit dem Gutachten wird unter Berufung auf die europäische Abfallrahmenrichtlinie die Ansicht vertreten, das EU-Recht dürfe durch nationale Regelungen nicht eingeengt werden. Konkret dürfe das Gemeinschaftsrecht hinsichtlich der Abgrenzung von Verwertung und Beseitigung nicht durch mitgliedsstaatliche Bestimmungen interpretiert und konkretisiert werden.
Dabei kommt Bothe zu dem Ergebnis, das KrW-/AbfG führe zu einer unzulässigen Einschränkung des Verwertungsbegriffs, die Anwendung der Hauptzweckklausel führe zur Ressourcenverschwendung. Zudem habe die Verwertung Vorrang vor der Auslastung öffentlicher Beseitigungsanlagen, die Hausmüllklausel sei kein Instrument zur Auslastung öffentlicher Beseitigungsanlagen. Hier soll unter Berufung auf europäisches Recht versucht werden, die Bedeutung der kommunalen Abfallwirtschaft klein zu reden, kritisieren Neuhaus und Evertz, Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nutzt hier den Spielraum, der den Mitgliedsstaaten nach primärem EG-Recht zusteht.
Insbesondere kann nicht wie von der IHK vertreten - von einer abfallrechtlichen Grundkonzeption ausgegangen werden, nach der alle Überlassungspflichten Ausnahmeregelungen darstellten. Vielmehr statuiert der § 13 KrW-/AbfG im Zusammenspiel mit den Abgrenzungsmaßgaben des § 4 KrW-/AbfG die Basis für einen vom Gesetzgeber gewünschten Dualismus der Aufgabenwahrnehmung und damit das gleichberechtigte Nebeneinander von privater und kommunaler Entsorgungswirtschaft, stellen Evertz und Neuhaus fest; diese Zweigleisigkeit ist im europäischen Recht gewollt, wie der neue Art. 16 EG-Vertrag, der besondere Bedeutung für die kommunale Entsorgungswirtschaft hat, zeigt.
Diese Zielvorgabe findet auch Unterstützung in den Beschlüssen der 54. Umweltministerkonferenz (UMK) vom 06./07. April diesen Jahres. Die UMK hat eine länderoffene Arbeitsgemeinschaft einberufen, die Alternativen zur Sicherstellung einer Überlassungspflicht für Hausmüll und auch für hausmüllähnliche Gewerbeabfälle entwickeln soll, die den EU-rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechen und eine ökologische und ökonomische Abfallentsorgung gewährleisten.
Evertz und Neuhaus verweisen im Hinblick auf das hier herangezogene EG-Recht auch auf die Rechtsprechung des EuGH, der zuletzt in seinem Urteil vom 23.05.2000 (Rs. C-209/98 [Sydhavnens Sten & Grus ./. Stadt Kopenhagen]) festgestellt hat, dass Einschränkungen des Wettbewerbs selbst im Bereich der Abfallverwertung von der Privatwirtschaft hingenommen werden müssen, wenn dies zur Gewährleistung der Abfallentsorgung als Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erforderlich ist.
Schließlich unterstellt das primäre Europarecht mit dem neuen Art. 16 EG-Vertrag die Wahrnehmung kommunaler Daseinsvorsorgeaufgaben einem besonderen Schutz, betont VKS-Präsident Neuhaus. Die von der IHK auf das Bothe-Gutachten gestützten interessenspolitischen Forderungen sind mit den Zielen des Artikel 16 EG-Vertrag nicht in Einklang zu bringen, da ihre Verwirklichung einen nicht hinnehmbaren Angriff auf die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Bereich der Abfallentsorgung darstellen würde. Dies ist nicht zuletzt auch durch ein wissenschaftliches Gutachten von Prof. Dr. Frenz zum Thema Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse nach Gemeinschaftsrecht und Folgen für die Abfallwirtschaft festgestellt worden.
Frenz hat nämlich festgestellt, dass gerade die kommunale Hausmüllentsorgung ein klassischer Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ist, die von Art. 16 gestützt wird. Die Kommunen haben gerade in diesem Bereich eine starke Stellung, resümiert Klaus Evertz vom VKU.
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