Pressemitteilung | k.A.

Neue Bonusregelung zu Lasten der Patienten

(Heppenheim) - Die Berliner AOK und die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin haben eine Dämpfung der Arzneimittelausgaben vereinbart. Dafür stellt die Kasse bis zu 15 Millionen Mark pro Jahr bereit, welche die Ärzte als zusätzliches Honorar erhalten, wenn sie es schaffen, die Medikamentenkosten gegenüber Vorjahr um 4,5 Prozent zu senken. Begründet wird dieser Honorarfluss gemäß der von der AOK initiierten Vereinbarung mit der "zusätzlichen Überzeugungsarbeit", die Ärzte bei der Umstellung auf billigere Medikamente bzw. Verweigerung bei ihren Patienten leisten müssten. Mit den angestrebten Einsparungen soll andererseits auch eine bessere Versorgung chronisch kranker Menschen mit neueren teuren Medikamenten ermöglicht werden. Die Vereinbarung, für die Ministerin Ulla Schmidt nach Aussagen der KV Berlin lobende Worte gefunden haben soll, ist zum 1. Juli 2001 in Kraft getreten.

Nach Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten setzen sich AOK und KV in Berlin mit diesem Bonus-Vertrag in dreister Weise über die Interessen der Patienten hinweg. "Es ist unbegreiflich, wie angesichts der krassen Unterversorgung chronisch kranker Menschen mit wirksamen Arzneimitteln Ärzte und Kassen verabreden können, die Versorgung noch weiter einzuschränken", sagte der Vorsitzende der DGVP, Ekkehard Bahlo. Schließlich hätten führende Arzneimittelexperten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) stets darauf hingewiesen, dass nach Ausschöpfung aller Wirtschaftlichkeitsreserven in Deutschland immer noch mehrere Milliarden Mark zur adäquaten Behandlung chronisch kranker Menschen fehlen würden.

Tatsächlich schneide Deutschland, so Bahlo, im internationalen Vergleich z. B. bei der Alzheimer-Krankheit, beim Diabetes, beim Krebs oder der Schizophrenie nur mittelmäßig ab oder gehöre zu den Schlusslichtern. Warum das in Berlin anders sein und das Geld dort sogar noch für eine zusätzliche Bedienung der Arzteinkommen reichen soll, sei rätselhaft.

Die DGVP setzt sich entschieden für mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit im deutschen Gesundheitswesen ein und unterstützt deshalb auch alle Anstrengungen, die eine Eindämmung von Fehlbehandlung und Verschwendung im Arzneimittelbereich zum Ziel haben; unbestreitbar würden insbesondere chronisch kranke Menschen vielfach nicht zielgerichtet behandelt werden. Die Patientenvertretung widerspricht aber allen Versuchen wie dem jetzt in Berlin vereinbarten, dass Ärzte sich selbst belohnen dürfen, wenn sie am Patienten sparen. "Qualität und Wirtschaftlichkeit der medikamentösen Behandlung gehören schon immer zum ärztlichen Versorgungsauftrag, und es ist nicht einsehbar, warum die Erfüllung dieses Auftrags nun zusätzlich honoriert werden muss", stellte Bahlo fest. Es sei im übrigen auch nicht zu erkennen, wie durch Einsparungen an Medikamenten Zusatzhonorare bezahlt und gleichzeitig die notwendige Versorgung von Patienten mit innovativen teuren Arzneien gewährleistet werden könne.

Im Ergebnis würden viele Kranke noch schlechter behandelt werden als schon bisher oder sie müssten für notwendige Medikamente selbst aufkommen, lautet die Folgerung der DGVP. Die Zeche hätten - wieder einmal - die Patienten aus ihrer Tasche zu bezahlen. Die AOK Berlin setze sich darüber hinaus dem Verdacht aus, die Beschädigung der Interessen ihrer Versicherten billigend in Kauf zu nehmen in der Erwartung, dass ein Teil von ihnen bei nächster Gelegenheit die Kasse wechseln könnte.

Die DGVP befürchtet, dass andere Kassen in Berlin sich dieser Vereinbarung anschließen könnten und nach "erfolgreicher" Erprobung eine flächendeckende Einführung im ganzen Land geplant werde. Sie fordert deshalb alle Verantwortlichen in der Selbstverwaltung auf, solchen Bestrebungen, die das Verhältnis zwischen Arzt und Patient wie auch das zwischen Kasse und Versicherten belasten, eine klare Absage zu erteilen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten e.V. (DGVP) Postfach 12 41 64630 Heppenheim Telefon: 06252/910744 Telefax: 06252/910745

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