Pressemitteilung | Vereinigung Cockpit e.V.

Novellierung der Strahlenschutzverordnung

(Neu-Isenburg) - Bahnbrechender Erfolg für die VC: Das Bundeskabinett (und mittlerweile auch der Bundesrat) verabschiedeten die Novellierung der Strahlenschutzverordnung. Die neue Verordnung sieht die Einstufung des fliegenden Personals als beruflich strahlenbelastete Berufsgruppe vor. Cockpit- und Kabinenbesatzungen haben damit Rechtsanspruch auf Strahlenschutzmaßnahmen.
Die VC begleitete den beschwerlichen Weg zur Durchsetzung dieses Ziels während vieler Jahre mit hohem Aufwand, sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht, zuletzt durch Freigabe von Mitteln für eine abschließende Rechtsexpertise, die die Schlechterstellung des fliegenden Personals hinsichtlich des grundlegenden Gebots zur Dosisminimierung beheben sollte.

Zukünftige Strahlenschutzregelungen im Überblick:

Grundsatz
Das gesamte fliegende Personal - soweit die jährliche Dosis mehr als 1 mSv betragen kann - gehört zukünftig zur Gruppe der beruflich strahlenexponierten Personen (aufgrund der jederzeit möglichen Solar Flares dürften - vielleicht mit Ausnahme der extremen Kurzstreckenflieger und der Kampfpiloten- nahezu alle Flieger darunter fallen).


Erfassung der Strahlungsdosis

Daraus folgt, dass die Strahlungsdosis personengebunden erfasst und dokumentiert werden muss. In aller Regel wird die Erfassung mit Hilfe von zertifizierten Rechenprogrammen erfolgen, deren Ergebnisse allerdings durch Kontrollmessungen verifiziert werden müssen. Die Durchführung obliegt den Fluggesellschaften unter Aufsicht des Luftfahrt-Bundesamtes. Wie dies im Einzelnen abläuft, ob durch Integration des Rechenprogramms in die elektronische Flugwegrechnung oder durch nachträgliche Berechnung; ob aktuelle Flüge berechnet werden oder nur standardisierte "City-Pairs", welches Rechenprogramm genutzt wird usw., muss auf betrieblicher Ebene geregelt werden.

Jedes Crewmitglied hat Anspruch darauf, seine (ihre) Werte zu erfahren.
Die Fluggesellschaft muss die Daten bis zum 75. Lebensjahr der jeweiligen Person aufbewahren (mindestens 30 Jahre nach Ende der Beschäftigung) und muss einem neuen Arbeitgeber ggfs. Auskunft darüber geben.
Die erfassten Daten werden an das Zentralregister in Neuherberg bei München übermittelt, dort ausgewertet und archiviert.
Jede überwachte Person kann auf Antrag Auskunft über die gespeicherten Daten erlangen.


Pflicht zur Dosisreduzierung

Der Arbeitgeber hat die Pflicht zur Dosisreduzierung (wörtlich: ... hat geeignete Maßnahmen zu treffen, um unter Berücksichtigung des Einzelfalls die Strahlenexposition so gering wie möglich zu halten"). Dieser Pflicht kann insbesondere bei der Aufstellung der Arbeitspläne und bei der Festlegung der Flugrouten und -profile (Flughöhen) Rechnung getragen werden. D.H. die Flugplanung steht - neben der Einsatzplanung - ausdrücklich zur Disposition! Prinzipiell gibt es dabei kein besonderes Limit nach unten, d.h. die Expositionen sind bis hinunter zu 1 mSv/Jahr so gering wie möglich zu halten.
Allerdings (und hier folgt das große ABER) müssen bei allen Minimierungsmaßnahmen wirtschaftliche und soziale Aspekte berücksichtigt werden (ALARA-Prinzip = As Low As Reasonably Achievable), d.h. vor allem die Kosten der Maßnahmen müssen in einem erträglichen Verhältnis zum Erfolg stehen.


Schwangerschaft

Die erhaltene Dosis während der Schwangerschaft darf nicht mehr als 1mSv betragen. (Da diese Dosis durch einen unvorhersagbaren Solar Flare jederzeit überschritten werden kann, sollten Schwangere überhaupt nicht fliegen). Weibliche Crewmitglieder müssen darauf hinggewiesen werden, dass Schwangerschaften so früh wie möglich zu melden sind.


Strahlenärztliche Vorsorge

Alle Flieger/innen sind mindestens einmal pro Jahr über die Strahlengefahr und die zum Zweck des Strahlenschutzes notwendige Datenerhebung und -verarbeitung zu unterrichten; die Unterrichtung muss dokumentiert werden.
Alle Flieger/innen, deren Dosis 6 mSv/Jahr überschreiten kann (das dürfte - wiederum insbesondere wegen der Gefahr der Solar Flares - auf alle Langstreckenflieger zutreffen) unterliegen der strahlenärztlichen Vorsorge. Sie dürfen nur (weiter)beschäftigt werden, wenn ein dazu bestellter, strahlenfachkundiger Arzt jährlich die gesundheitliche Unbedenklichkeit bestätigt. Bei Fliegern kann dies im Rahmen der fliegerärztlichen Untersuchung erfolgen.


Lebenszeitdosis

Ferner gibt es noch Regelungen zur maximalen Lebenszeitdosis sowie Regelungen für den Fall der Überschreitung der maximalen Jahresdosis von 20mSv. Beide könnten im fliegerischen Bereich jedoch nur im Falle von starken Solar Flares zum Tragen kommen, sind jedoch nicht völlig auszuschließen.


Umsetzung

Für die Umsetzung in die betriebliche Praxis wird den Fluggesellschaften eine Übergangsfrist von zwei Jahren eingeräumt, nachdem die Novelle Gesetzeskraft erlangt haben wird. (Insgesamt wird es dann volle 13 Jahre gedauert haben, bis die ursprüngliche Empfehlung der internationalen Strahlenschutzkommission aus dem Jahr 1990 umgesetzt wurde!).

Quelle und Kontaktadresse:
Vereinigung Cockpit e.V. Frankfurter Str. 233 63263 Neu Isenburg Telefon: 06102/3700 Telefax: 06102/370298

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