Paritätischer Wohlfahrtsverband und Kinderschutzbund warnen: Agenda 2010 verschärft Armutsproblem
(Frankfurt am Main) - Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat die Agenda 2010 als "massivsten sozialpolitischen Kahlschlag seit Bestehen der Bundesrepublik" bezeichnet. Gemeinsam mit dem Deutschen Kinderschutzbund warnte er vor den dramatischen Folgen des Sozialabbaus vor allem für Kinder und Jugendliche. Um der wachsenen Armut zu begegnen fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband eine Erhöhung der Sozialhilfe um 16 Prozent und eine Grundsicherung für Kinder.
Durch die geplante Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld steige die Zahl der Menschen, die Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe beziehen, sprunghaft von derzeit 2,8 Millionen auf 4,5 Millionen - ein Anstieg von 60 Prozent, betonte Barbara Stolterfoht, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Die Sozialhilfequote in Deutschland erhöhe sich damit von 3,4 auf 5,4 Prozent. Nach einer Expertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbands wächst die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die von Armut betroffen sind, von einer Million auf 1,5 Millionen - somit jedes zehnte Kind in Deutschland. "Denn
Sozialhilfe schützt längst nicht mehr vor Armut", stellte Stolterfoht klar. Nach Berechnungen des Paritätischen ist sie um sechs Prozent zu niedrig bemessen, um tatsächlich den Mindestbedarf abzudecken. Stolterfoht: "Mit dieser einzigartigen Kürzung von Sozialleistungen bis unter die Armutsgrenze für Millionen von Menschen mit ihren Familien werden keine sozialen Probleme wirklich gelöst. Sie werden nur noch größer." Diese Politik könne der Paritätische nicht tolerieren. "Wir können keine Politik mittragen, die spaltet statt integriert und Armut in unsere Lande erzeugt, statt sie zu bekämpfen", sagte Stolterfoht.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert: Das künftige Arbeitslosengeld II muss um 16 Prozent über der heutigen Sozialhilfe liegen. Das künftige Sozialgeld - als Nachfolger der jetzigen Sozialhilfe - muss um denselben Betrag erhöht werden. Kinder sollen durch eine eigenständige Kindergrundsicherung wirksam vor Armut geschützt werden.
Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, betonte, die Absenkung der Arbeitslosenhilfe werde dazu führen, dass sich die Lebenssituation von einer weiteren halben Million Kinder drastisch verschlechtere. Dies habe weit reichende Folgen: Arme Kinder seien häufiger krank, schlechter ernährt und lebten oft in vernachlässigten Stadtvierteln. Nicht erst die Ergebnisse der PISA-Studie hätten gezeigt, dass im Bildungsbereich arme Kinder zudem besonders benachteiligt seien. Hilgers: "Da Bildung und fachliche Qualifikation Grundvoraussetzung sind, um am gesellschaftlichem Leben und Wohlstand teilzuhaben, werden so die Chancen der armen Kinder drastisch gemindert und Armut 'vererbt' sich in die nächste Generation."
Der Präsident des Kinderschutzbundes hob hervor, dass mehr als die Hälfte der Kinder, die von Sozialhilfe leben müssen, bei allein Erziehenden aufwachsen. "31 Prozent aller allein Erziehenden sind einkommensarm, und die Abschaffung der Steuerklasse II wird ihre Einkommenssituation noch einmal deutlich verschlechtern", mahnte Hilgers. Auch Familien, die zwar über ein normales Einkommen verfügten, aber mehr als vier Kinder hätten, bräuchten häufig ergänzende Sozialhilfe. "Das liegt eindeutig am ungerechten Familienleistungsausgleich und der völlig unzureichenden Förderung von Familien", sagte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes. Er fordert die Bundesregierung auf, endlich ein Programm zur Bekämpfung der Kinderarmut vorzulegen und umzusetzen.
Dazu gehörten der Ausbau von Betreuungsangeboten, insbesondere für Kinder unter drei Jahren, die Einrichtung von kindgerechten Ganztagsschulen und eine individuelle Förderung von Kindern. Als mittelfristige Maßnahme zur finanziellen Unterstützung von Familien fordert der Kinderschutzbund eine Erhöhung des Kindergeldes auf 300 Euro. Hilgers fordert zudem, die Nachteile für Alleinerziehende dringend aufzufangen, die durch die Streichung des Haushaltsfreibetrages ab 1. Januar 2004 entstehen und diese Gruppe noch stärker benachteiligen.
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