Pressemitteilung | Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg

Politik und Kassenärzte sprechen wieder miteinander

(Stuttgart) - „Der Kassenärztetag der KV NW am 2. Februar auf dem Stuttgarter Killesberg war ein unüberhörbares Signal in Richtung Bundesgesundheitsministerium: die niedergelassenen Ärzte lassen sich nicht kampflos in eine unzeitgemäße Staatsmedizin pressen“, erklärt der Vorsitzende des Vorstandes Dr. med. Werner Baumgärtner. Für das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) hatte die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk die Eckpunkte der Gesundheitsreform 2003 vor 500 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten vorgestellt.

Acht Schwerpunkte zeigte Caspers-Merk auf – insgesamt aber kaum Neues. Die Forderung nach einem „Deutschen Zentrum für Qualität in der Medizin“ – landläufig als „Stiftung Warentest im Gesundheitswesen“ bezeichnet - war vorher ebenso in der Presse diskutiert worden wie die Lotsenfunktion der Hausärzte oder eine Verlagerung der fachärztlichen Versorgung der Patienten an die Krankenhäuser. Der ebenfalls als Diskussionsteilnehmer anwesende Dr. jur. Rainer Hess, Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, bezeichnete unter dem Beifall der Vertragsärzte diese Vorschläge als unstrukturierten Gemischtwarenladen mit wenig Aussichten auf eine Umsetzung oder gar eine absehbare Finanzierungsgrundlage.

Dr. Baumgärtner: „Mit den Ärzten in Nord-Württemberg werden solche Pläne nicht umzusetzen sein, das kann ich Ihnen garantieren. Wir werden unsere Patienten vor den Folgen einer reglementierten Staatsmedizin nach englischem Muster schützen.“ Diese Botschaft scheint im Gesundheitsministerium gehört worden zu sein. Denn kurz vor der geplanten Veröffentlichung der Gesundheitsreform 2003 rudert Ulla Schmidt zurück. Die Wähler und damit auch die Patienten haben durch die Wahlergebnisse in Hessen und Niedersachsen mehr als deutlich gemacht, dass der eingeschlagene Weg falsch ist.

Ulla Schmidt hat aktuell erklärt, dass nicht geplant sei, die fachärztliche Versorgung rigoros an die Krankenhäuser zu verlagern. Die großen Lobeshymnen auf die Polikliniken nach DDR-Muster sind verstummt, registriert die Kassenärztliche Vereinigung Nord-Württemberg. „Nachdem der rot-grünen Regierung der Wind äußerst scharf ins Gesicht bläst, setzt ein Umdenken ein. Jetzt beschwichtigt Ulla Schmidt, sie schwenkt auf eine vernünftigere Linie um. Am Krankenhaus sollen nur die Patienten fachärztlich weiter behandelt werden, die dies ausdrücklich wünschen. Hintergrund kann laut Schmidt eine besonders schwere Erkrankung oder ein chronisches Leiden sein,“ so Baumgärtner. Die KV NW hat sich immer mit allen Mitteln dafür eingesetzt, den vom Patienten gewünschten wohnortnahen, vertrauten Facharzt zu erhalten.

Trotz heftiger Kritik an der geplanten Gesundheitsreform zeigen die Ärzte dennoch Gesprächsbereitschaft. Auch das wurde beim Kassenärztetag der KV NW deutlich. Kein Arzt wird sich einer vorgeschlagenen „intelligenten Chipkarte“ verweigern. Mit ihr sollen zusätzlich Notfalldaten, Angaben zur Medikation oder zu vorausgegangenen Therapiemaßnahmen erfasst werden. KV NW-Chef Baumgärtner: „Wenn datenschutz-rechtlich geregelt wird, dass diese sensiblen Informationen unter der Hoheit des Patienten und seines Arztes bleiben, sind sie eine wichtige Komponente für eine umfassende und wirtschaftliche Behandlung. Denn bisher wurde noch kein geeignetes Mittel vorgeschlagen, um das kostentreibende „doctor-hopping“ in den Griff zu bekommen.“ Hier die Kostenbremse zu aktivieren, läge im Interesse aller niedergelassenen Ärzte.

Die Kassenärztliche Vereinigung Nord-Württemberg vertritt allerdings vehement den Standpunkt, wer Ärzte permanent verunglimpfe, wie das in der Qualitätsfrage der Fall ist, der darf sich über Gegenwehr nicht wundern. „Wenn man die Berichterstattung rund um den geforderten Ärzte-TÜV liest, dann muss man doch den Eindruck bekommen, die Ärzte in der Bundesrepublik würden alle in dunklen Höhlen sitzen und die Behandlung der Patienten würde sich auf das Werfen von Knöchelchen beschränken. Wer das so immer wieder behauptet, der diskreditiert wissentlich – und vielleicht sogar bösartig – einen ganzen Berufszweig,“ machte Baumgärtner in aller Schärfe deutlich. Gerade in diesem Punkt richtete sich auch Prof. Dr. med. Friedrich-Wilhelm Kolkmann als Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg gegen die Argumentation von Marion Caspers-Merk. „Mit der ständigen Diskussion um die Qualität der Arbeit unserer Ärzte wird eine Sau durchs Dorf getrieben, um von den Schwächen der Reformentwürfe abzulenken. Ärzte sind generell zu lebenslanger Fortbildung verpflichtet und sie nehmen das ernst! Allein in Baden-Württemberg hat jeder Arzt im vergangenen Jahr mindestens vier Fortbildungsveranstaltungen in Anspruch genommen,“ führte Kolkmann aus. Außerdem lasse die Sterblichkeitsrate in der Bevölkerung nicht erkennen, dass die Ärzte schlecht geschult seien.

Daran anknüpfend formulierte Dr. med. Werner Baumgärtner zusammenfassend seinen Appell in Richtung Regierung: „Lassen Sie uns die gute Behandlung an unseren Patienten fortsetzen. Schaffen Sie einen politischen Rahmen dafür. Wir sind bereit, unsere Patienten auch bei wirtschaftlichen Engpässen bestmöglich zu versorgen. Grundlage dazu ist aber, dass eindeutig definiert wird, welche Leistungen der Krankenkassen solidarisch finanziert werden und welche nicht. Dazu liegen die Vorschläge der Ärzteschaft vor, wie zum Beispiel das solidarische Festzuschusskonzept für Arzneimittel. Damit lassen sich auf einen Schlag 3 Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Befreien Sie die Ärzte von der Monopoly-Währung über den nicht kalkulierbaren Punktwert. Dann gehen wir noch ein Stück auf Sie zu. Die Kassenärztliche Vereinigung und ihre Mitglieder sind bereit zur Partnerschaft mit der Politik und den Kassen. Der DMP-Rahmenvertrag in Baden-Württemberg ist dafür ein exzellenter Beweis aus der jüngsten Vergangenheit. Aber wir wehren uns gegen alle Bestrebungen, aus freien Ärzten Kassenknechte und unfreie Staatsmediziner zu machen.“

Quelle und Kontaktadresse:
Kassenärztliche Vereinigung Nord-Württemberg Albstadtweg 11 70567 Stuttgart Telefon: 0711/78750 Telefax: 0711/7875274

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