Privater Konsum tritt auf der Stelle / Einzelhandel leidet doppelt
(Berlin) - Der private Konsum tritt auf der Stelle. Besonders der Einzelhandel beklagt seit Jahren Umsatzrückgänge und die Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Der Einzelhandel leidet jedoch nicht nur unter dem schwächelnden Konsum, sondern auch unter einer Verschiebung der Ausgabenstruktur der privaten Haushalte, stellt der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in einer aktuellen Studie fest. Die Deutschen geben weniger für klassische Einzelhandelsgüter wie Nahrung, Bekleidung und Elektrogeräte aus und stattdessen mehr für Miete, Gesundheit und Urlaub. Eine Mehrwertsteuererhöhung würde den privaten Konsum im kommenden Jahr zusätzlich belasten. Nur eine Ausweitung der Beschäftigung könne den Konsum nachhaltig stützen.
Konsumstruktur verschiebt sich
Heute wandert nur noch jeder dritte Euro, den die privaten Haushalte für den Konsum ausgeben, in die Kassen des Einzelhandels. Sein Anteil an den Konsumausgaben verringerte sich von 36,7 Prozent im Jahre 1991 auf 31,5 Prozent in 2004. Stattdessen geben die Deutschen ihr Geld mehr und mehr für andere Dinge aus. Für das Wohnen (Miete, Wasser, Strom und Wärme) musste im Laufe der letzten Jahre ein immer größerer Anteil des Konsumbudgets aufgewendet werden. Er stieg von 19,2 Prozent in 1991 auf 23,9 Prozent in 2004. In den 90er Jahren waren in erster Linie die Mietsteigerungen Ursache der Budgetausweitung, aktuell machen sich erhöhte Ausgaben für Energie bemerkbar. Im Bereich der Ausgaben für Gesundheit zeigen aus Sicht des BVR die Reformen der Krankenversicherung ihre Wirkung. Die immer größer werdenden Zuzahlungen trugen zum wachsenden Anteil dieser Ausgaben am Konsum bei.
Die Umschichtungen im Konsum sind aber nicht nur erzwungen, sondern auch gewollt. So ist die zunehmende Lust am Auslandsurlaub der veränderten Konsumstruktur zu entnehmen. Die Ausgaben der Deutschen für privaten Konsum im Ausland, die neben Urlaubsausgaben auch die Ausgaben von Grenzgängern enthalten, stiegen gemessen an den gesamten Konsumausgaben der Inländer von 3,7 Prozent in 1991 auf 4,4 Prozent in 2004.
Die Verschiebungen zu Lasten des Einzelhandels werden sich fortsetzen, erwartet der BVR. Auch in Zukunft werden einige Bereiche, beispielsweise die Gesundheit, einen immer höheren Anteil an den gesamten Konsumausgaben erfordern. Andere Bereiche, wie Urlaub oder Telekommunikation gewinnen bei den Verbrauchern an Attraktivität.
Angstsparen gibt es nicht
Eine Verbesserung der Situation des Einzelhandels könne nur über ein Wachstum des privaten Konsums erfolgen, so der BVR. Die Erklärung der Konsumschwäche aus einem Angstsparen heraus ist nicht haltbar. Die Sparquote ist aktuell weder im historischen noch im internationalen Vergleich besonders hoch.
Mehr Beschäftigung als wirksamer Konsummotor
Für die schwache Entwicklung des privaten Konsums ist der geringe Zuwachs des verfügbaren Einkommens verantwortlich. Einen nachhaltigen Anstieg der Einkommen hält der BVR nur für erreichbar, wenn die Arbeitsmarktprobleme in Deutschland gelöst werden. Als kontraproduktiv wertet der Verband hingegen den Versuch, das verfügbare Einkommen über Lohnzuwächse zu erkaufen, die höher als das Produktivitätswachstum sind. Die damit verbundene Erhöhung der Lohnstückkosten würde lediglich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft schwächen und weitere Arbeitsplätze vernichten. Vielmehr muss das gesamte verfügbare Einkommen in Deutschland über mehr Beschäftigung erhöht werden. Eine grundlegende Besserung der Situation am Arbeitsmarkt ist aber noch in weiter Ferne. Die Politik ist aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Konzepte dafür liegen seit langem auf dem Tisch.
Mehrwertsteuererhöhung wäre der falsche Weg
In einer Mehrwertsteuererhöhung, die teilweise der Haushaltssanierung dienen soll, sieht der BVR keine geeignete Maßnahme. Eine Mehrwertsteuererhöhung in 2006 würde den privaten Konsum zusätzlich bremsen. In 2005 kann es gegen Jahresende zu Vorzieheffekten kommen, die Jahreswachstumsrate des privaten Konsums würde das jedoch kaum beeinflussen. Der BVR bleibt daher bei seiner Prognose eines realen Zuwachses des privaten Verbrauchs von 0,3 Prozent.
Im kommenden Jahr werden die Unternehmen nur begrenzt in der Lage sein, die Preiserhöhung durch eine höhere Mehrwertsteuer an die Kunden weiterzugeben. Dies wird die Belastung der Verbraucher mildern, jedoch die Gewinnsituation besonders von Handel, Dienstleistern, Bauhandwerk und den jeweiligen Lieferanten verschärfen. Die geplante Verringerung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung hätte zwar eine Entlastung der sozialbeitragspflichtigen Arbeitnehmer zur Folge. Unter dem Strich würde eine Mehrwertsteuererhöhung jedoch die Binnennachfrage belasten. Denn die zusätzlichen Steuereinnahmen dienen nicht komplett der Reform der sozialen Sicherungssysteme und kommen damit dem Verbraucher nicht vollständig zu Gute. Eine Reform der sozialen Sicherungssysteme ist dringend notwendig. Eine steuerfinanzierte Beitragssenkung greift aber zu kurz. Reformen müssen in den Systemen selbst angegangen werden, damit sie nachhaltig wirken.
Psychologische Effekte verstärken Konsumschwäche
Für die Konsumentscheidung der privaten Haushalte sind außerdem die Erwartungen an die weitere wirtschaftliche Entwicklung und die Einschätzung der eigenen Einkommenssituation entscheidend. Die Verbraucher sind jedoch verunsichert, weil die Politik keine Lösungen der Probleme am Arbeitsmarkt liefert. Im Zusammenhang mit der Bundestagswahl geäußerte Reformmaßnahmen werden kritisch zur Kenntnis genommen, weitere Belastungen werden befürchtet. Schließlich wirkt laut BVR-Studie ein weiterer psychologischer Effekt: Die gefühlte Teuerung führt zu einer Zurückhaltung der Verbraucher.
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