Reform der Handwerksordnung: Kleinbetriebe werden nicht ausbilden
(Stuttgart) - Zwei von drei Jugendlichen, die einen gewerblich-technischen Beruf erlernen, tun dies in einem Handwerksunternehmen. Der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT) sieht dieses starke Angebot des Handwerks im Lehrstellenmarkt, das zurzeit mehr denn je gefordert ist, in hohem Maße gefährdet.
Die baden-württembergische Handwerksorganisation habe sich schon in der Vergangenheit für eine Anpassung der Handwerksordnung an die veränderten Marktbedürfnisse ausgesprochen, sagte BWHT-Hauptgeschäftsführer Hartmut Richter. Wenn jetzt die Bundesregierung die Modernisierung der Handwerksordnung vorantreibe, so laufe sie jedoch mit ihren Vorstellungen Gefahr, die Auswirkungen auf den Ausbildungsmarkt aus dem Blick zu verlieren. Berufszugangsregelung und Ausbildungsfähigkeit stünden in engem Zusammenhang. Um eine gute Ausbildung bieten zu können, sei bei den meisten Berufen eine Mindestgröße des Ausbildungsbetriebes notwendig: ,,Im baden-württembergischen Handwerk liegt diese Schwelle etwa bei vier bis fünf Mitarbeitern.'' Jenseits dieser Grenze liege die Ausbildungsquote der Betriebe bei 70 bis 80 Prozent.
Die geplanten Änderungen führten jedoch fast zwangsläufig zu einer Verschiebung der Struktur der Handwerksbetriebe hin zu Kleinbetrieben, befürchtet Richter. Dies sei die logische Konsequenz, wenn die Gründung von Betrieben, die einfache handwerkliche Tätigkeiten ausüben, außerhalb der Handwerksorganisation massiv erleichtert werden solle und in rund zwei Drittel aller Handwerksberufe künftig Betriebe gegründet werden dürfen, ohne dass eine Meisterprüfung oder zumindest eine Gesellenprüfung nachgewiesen werden müsse. Zugleich werde die Zahl der Handwerksunternehmen zunehmen, bei der die Betriebsleiter selbst nicht im jeweiligen Beruf ausgebildet wurden und damit nur begrenzt die Möglichkeit haben, eine fachlich hochwertige Ausbildung zu sichern.
Auch aktuelle Reaktionen der Betriebe seien nicht auszuschließen, meinte Richter weiter: ,,Wer heute ausbildet, aber die gesetzlichen Änderungen als politische Abwertung seines Berufsstandes interpretiert, wird unter Umständen mit einem Ausbildungsverzicht reagieren.'' Eine von Emnid bei nordrhein-westfälischen Handwerkskammern durchgeführte Umfrage zeige, dass angesichts der Pläne der Bundesregierung zwar jeder zweite Ausbildungsbetrieb in gleichem Umfang ausbilden wolle, aber 30 Prozent der Ausbildungsbetriebe künftig auf eine Ausbildung verzichten und 18 Prozent die Zahl der angebotenen Lehrstellen reduzieren würden. Weit über 80 Prozent befürchten eine geringere Qualität in der Ausbildung. Eine Umfrage in Baden-Württemberg würde nach Meinung Richters zu ähnlichen Ergebnissen führen. ,,Selbst bei gleich bleibendem Betriebsbestand wird die Zahl der ausbildungsfähigen Betriebe in den nächsten Jahren um 15 bis 20 Prozent deutlich abnehmen'', schätzt Richter.
Wer diese Zusammenhänge ignoriere, betreibe eine Politik auf dem Rücken der in die Arbeitswelt startenden jungen Menschen, kritisierte Richter. Und niemand solle dann dem Handwerk einen Vorwurf machen, wenn es auf Grund dieser Faktoren zu weniger Ausbildungsangeboten in diesem ausbildungsstarken Wirtschaftsbereich komme.
Quelle und Kontaktadresse:
Baden-Württembergischer Handwerkstag
Heilbronner Str. 43, 70191 Stuttgart
Telefon: 0711/1657401, Telefax: 0711/1657444