Regierungen in Südeuropa sollten Inflationsdivergenzen stärker entgegen wirken
(Berlin) - Die Regierungen der südeuropäischen Länder Italien, Spanien, Portugal und Griechenland sollten den Inflationsdivergenzen im Euroraum stärker als bislang entgegenwirken, so der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in seinem am 28. Juni veröffentlichten Konjunkturbericht. Die Fehlentwicklungen seien hausgemacht, der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in Südeuropa sei vor allem auf zu starke Lohnsteigerungen zurückzuführen. Generell müsse die Flexibilität der Arbeitsmärkte erhöht werden, damit gesamtwirtschaftliche Schocks besser abgefedert werden könnten. Diese Herausforderung sei in Südeuropa bislang noch nicht hinreichend angegangen worden.
Spekulationen über ein Auseinanderbrechen der Währungsunion entbehrten allerdings jeder realen Grundlage. Die Unterschiede der Inflationsraten seien mit denen in anderen Währungsräumen vergleichbar. Zudem profitierten gerade die südeuropäischen Länder von der Währungsunion in besonderer Weise. Aufgrund der hohen, meist zweistelligen Inflationsraten seien die Zinsen in Südeuropa bis Mitte der 90er Jahre noch die höchsten im Euroraum gewesen und hätten die Inflationstätigkeit gedämpft.
Außenwirtschaft als Wachstumsbremse
In den sieben Jahren seit Beginn der Währungsunion hätten sich die Preise in den vier südeuropäischen Ländern gravierend erhöht. Spitzenreiter sei Spanien mit einem Preisanstieg gegenüber dem gesamten Währungsraum von 17 Prozent. Aufgrund der höheren Teuerungsraten verlören die einzelnen Volkswirtschaften rapide an Wettbewerbsfähigkeit.
Als Folge der verschlechterten Wettbewerbsposition bremse die Außenwirtschaft in allen vier südeuropäischen Ländern zunehmend die Wirtschaft. Vor allem in Portugal und Griechenland verlaufe der Außenhandel mit Waren und Dienstleistungen schon seit Jahren stark defizitär. Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung mache sich insbesondere der geringere Anteil höherwertiger Güter negativ bemerkbar. Gerade bei mittleren und einfachen Technologien werde der Wettbewerb überwiegend über den Preis ausgetragen. Zunehmend gingen hier Marktanteile an die neuen EU-Mitgliedstaaten wie auch südostasiatische Länder verloren.
Lohnzuwächse zu hoch, Finanzpolitik zu expansiv
Zurückzuführen sei die rückläufige Wettbewerbsfähigkeit der südeuropäischen Staaten vor allem auf die Lohnpolitik. So seien die Löhne im verarbeitenden Gewerbe unter Berücksichtigung der Produktivitätszuwächse deutlich stärker gestiegen als im Durchschnitt des Euroraums. Während die Lohnstückkosten im Euroraum in den vergangenen zehn Jahren um insgesamt 4 Prozent zugenommen hätten, habe der Zuwachs in den südeuropäischen Ländern zwischen 15 Prozent (Portugal) und 29 Prozent (Italien) gelegen. Auch sei die Finanzpolitik zu expansiv gewesen. Die günstigen Wachstumsbedingungen seit der Einführung des Euro hätten dazu genutzt werden müssen, die Konsolidierung der Staatsfinanzen voranzutreiben. Die Anstrengungen seien in den vergangenen Jahren zu gering geblieben. Im Gegenteil: Griechenland stehe wegen seiner zu niedrig ausgewiesenen Budgetsalden zurecht in der Kritik, Portugal werde 2005 ein Rekorddefizit erreichen und auch Italien werde es in diesem Jahr nicht mehr gelingen, das Staatsdefizit durch Einmalmaßnahmen unter der 3 Prozent-Grenze zu halten. Als einziges der südeuropäischen Länder weise Spanien einen annähernd ausgeglichenen Haushalt auf.
Schmerzhafter Anpassungsprozess droht
Den südeuropäischen Ländern drohe in den kommenden Jahren ein schmerzhafter Anpassungsprozess. Mit steigenden Preisen falle es immer schwerer, sich auf den Exportmärkten zu behaupten. Dies gehe auf Dauer zulasten der Investitionen und dann auch des Konsums. Letztlich drohe das Abgleiten in eine Phase der wirtschaftlichen Stagnation oder sogar der Rezession. Das Beispiel Deutschlands zeige wie mühsam es ist, sich aus einer anhaltenden Wachstumsschwäche zu befreien. Gerade wenn die Verteilungsmasse nicht mehr zunehme, sei es besonders schwer, die notwendigen Strukturreformen durchzusetzen.
Protektionistischen Tendenzen entgegen treten
Als Folge der divergierenden Wirtschaftsentwicklung im Euroraum sei zu befürchten, dass die Verantwortung für den schmerzhaften Anpassungsprozess nicht im eigenen Land sondern in der Globalisierung oder der Erweiterung der europäischen Union gesehen werde. Eine Anpassungskrise in Südeuropa könnte sowohl protektionistische Tendenzen in Europa stärken, als auch den Integrationsprozess innerhalb Europas verlangsamen. Zur Globalisierung und zur europäischen Integration gebe es aber keine Alternative. Auf Dauer verspreche der verstärkte internationale Austausch von Gütern und Dienstleistungen ein höheres Wohlstandsniveau sowohl für die Länder im Euroraum als auch für deren Handelspartner. Die Politik müsse daher den protektionistischen Tendenzen entgegentreten und die Marktöffnung den Bürgern gegenüber offensiv vertreten.
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