Stabilitätspakt: Keine Regel ohne Ausnahme
(Köln) - Der Irak-Krieg an sich ist kein Grund, gegen den europäischen Stabilitätspakt zu sündigen denn die Spielregeln sehen anderes vor: Erst wenn die Wirtschaft richtig einbrechen sollte, ist der Weg frei für höhere Schulden. Danach sieht es momentan aber nicht aus. Gleichwohl gibt es bei einem länger anhaltenden Krieg durchaus Spielraum, von den Maastricht-Kriterien abzuweichen.
Die Bundesregierung, aber auch Länder und Gemeinden haben weil ihnen das Sparen nach wie vor schwer fällt und der Konjunkturmotor nicht rund läuft ein gemeinsames Problem: Bei der Neuverschuldung werden sie die im Stabilitätspakt festgelegte Höchstgrenze von 3 Prozent 2003 vermutlich erneut überschreiten was zu Sanktionen aus Brüssel führen könnte.
Hans Eichel hofft zumindest noch, ohne Strafverfahren davonzukommen. So verabschiedete der Bundestag am vergangenen Donnerstag einen Haushalt, der bei einem realen Wirtschaftswachstum von 1 Prozent eine Neuverschuldung von 18,9 Milliarden Euro vorsieht. Auf welche Defizitquote man damit zusammen mit den neuen Schulden von Ländern und Gemeinden kommt, lässt man in Berlin lieber im Dunkeln. Schon bei einer Wachstumsrate von 1,4 Prozent, wie sie Brüssel noch in der jüngsten Defizitprognose unterstellt hat, sieht die EU-Kommission für die Republik Land unter.
Ohnehin glaubt kaum noch ein Mensch, dass selbst die Wachstumsmarke von 1 Prozent erreicht werden kann. Deshalb baut sich Kanzler Schröder schon jetzt eine Eselsbrücke, indem er den Stabilitätspakt nach eigenem Gusto interpretiert. Danach dürfe bei unvorhergesehenen Ereignissen die 3-Prozent-Grenze durchaus überschritten werden.
Doch so ist es eben nicht, denn die Vorgaben aus Maastricht sind klipp und klar: Die Mitgliedstaaten der Währungsunion werden darin aufgerufen, zur Stabilisierung der öffentlichen Finanzen und des Euro grundsätzlich einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dieses Ziel ist von der Politik in Deutschland jedoch niemals wirklich ernst genommen worden. Statt auf einen ausgeglichenen Haushalt hinzuarbeiten, hat sie sich vorwiegend an der 3-Prozent-Grenze für das Defizit orientiert und nicht am 0-Prozent-Wert.
Als Folge betrug selbst im Boomjahr 2000 das öffentliche Defizit 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Und so kam, was kommen musste: Ist das Niveau der öffentlichen Ausgaben grundsätzlich zu hoch, wackelt in konjunkturellen Schwächephasen sofort das Maastricht-Kriterium.
Bei einem ausgeglichenen Haushalt dagegen könnten Bund, Länder und Gemeinden im Rezessionsfall ihre Verschuldung auf einen Schlag um mehr als 60 Milliarden Euro erhöhen, ohne die 3-Prozent-Obergrenze zu verletzen. In außergewöhnlichen Fällen, etwa um eine schwer wiegende Rezession zu bekämpfen, mag auch dies nicht ausreichend sein. Das haben die Väter des Stabilitätspaktes aber bedacht:
Bedingung 1: Um mehr als 3 Prozent Schulden machen zu dürfen, muss das Bruttoinlandsprodukt um mindestens real 0,75 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgehen. Und selbst dann muss der Rückgang unerwartet und plötzlich sein. Ansonsten liegt ein schwerer Wirtschaftsabschwung erst bei einem Einbruch von mindestens 2 Prozent vor.
Bedingung 2: Auch bei Ereignissen wie Naturkatastrophen darf die 3-Prozent-Marke überschritten werden.
Trotz aller wirtschaftlichen Probleme von einem schweren Abschwung kann derzeit nicht die Rede sein. Alle Konjunkturprognosen weisen immer noch ein positives Wachstum aus. Die erste Bedingung für ein Abweichen von der Schuldengrenze kann damit nicht reklamiert werden. Anders verhält es sich jedoch nach Ansicht einiger Experten mit der zweiten Bedingung. Der Irak-Krieg ist in seinen Folgen auch für Europa möglicherweise mit einer Naturkatastrophe zu vergleichen. Wenn deshalb der Stabilitätspakt vorübergehend ausgesetzt wird, sollte das aber nicht im nationalen Alleingang, sondern auf europäischer Ebene erfolgen.
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