Steuerchaos zu Lasten des Mittelstandes / Steuerdschungel lichten und auf Steuervereinfachung setzen
(München) - Die Bundessteuerberaterkammer appelliert an die Politik, in der neuen Legislaturperiode zum Wohle des Mittelstandes endlich den Steuerdschungel zu durchforsten und für Steuervereinfachung zu sorgen. Hintergrund ist die Flut an Gesetzesänderungen, die in den letzten vier Jahren ihren Höhepunkt erreicht hat. "Der Mittelstand verliert den Durchblick. 40 Steuergesetze und 60 Rechtsverordnungen in einer Legislaturperiode sind zu viel. Das darf sich nicht wiederholen", warnte der 1. Vizepräsident der Bundessteuerberaterkammer, Dr. Hans Günter Senger, anlässlich der 66. Bundeskammerversammlung der Steuerberater am 7./8. Oktober 2002 in München. Dort beraten die Vertreter aller rund 71.000 deutschen Steuerberaterinnen und Steuerberater neben dem Steuerrecht zu aktuellen berufsrechtlichen Themen, u. a. zu neuen Verfahren der Qualitätssicherung in den Steuerberaterpraxen.
Um die richtige und gleichmäßige Anwendung des Steuerrechts nicht zu gefährden und die Forderungen des Mittelstandes nach Steuervereinfachung und Kontinuität der Gesetzgebung in der Praxis umzusetzen, schlägt die Bundessteuerberaterkammer ein transparentes, einfaches Steuerrecht und den Abbau von Ausnahmetatbeständen vor. System- und Formulierungsmängel müssten abgebaut und die Gesetzessprache vereinfacht werden. Als Beispiel nannte Dr. Senger die Formulierung der so genannten „Fünftelregelung“ in § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG). „Ob und in welcher Höhe nach dieser Vorschrift eine Tarifermäßigung z. B. für eine Abfindung gewährt wird, können nur Steuerexperten beantworten. Ein weiteres Lehrbeispiel für das Steuerwirrwarr ist die Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 EStG, durch die eine Verlustverrechnung zwischen verschiedenen Einkunftsarten eingeschränkt wurde. Sie ist ohne EDV nicht anwendbar und ohne spezielle Ausbildung absolut unverständlich", so Dr. Senger.
Darüber hinaus fordert die Spitzenorganisation der Steuerberater neben einer geringeren Anzahl von Steuergesetzen, Rechtsänderungen nicht ausschließlich aus fiskalischen Erwägungen und „in letzter Minute“ vorzunehmen. Beispielsweise wurden das Steueränderungsgesetz 2001 und das Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz erst am 20. Dezember 2001 im Bundesrat verabschiedet. Dies führte z. B. dazu, dass Formulare und EDV-Programme für die Körperschaftsteuererklärung 2001 erst im Mai/Juni 2002 zur Verfügung standen. Unter diesem Zeitdruck war eine vernünftige Steuerplanung für Steuerberater und Unternehmen nicht möglich.
„Steuerhektik schafft nicht nur Steuerverdrossenheit, sondern auch handwerkliche Fehler“, kritisierte Dr. Senger angesichts der Fülle an Regelungen, mit denen sich jetzt das Bundesverfassungsgericht beschäftigen muss. Jüngste Beispiele seien die rückwirkende Verlängerung der Fristen für private Veräußerungsgeschäfte (§ 23 EStG) und die Herabsetzung der Grenze für eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 EStG. Der Gesetzgeber muss laut Dr. Senger vermeiden, Gesetzesänderungen rückwirkend ohne ausreichende Übergangsvorschriften vorzunehmen. Es gäbe keine Rechtssicherheit mehr, wenn erst die Gerichte nach Jahren klären müssen, ob eine bestimmte Vorschrift verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügt.
Die Bundessteuerberaterkammer bietet der Finanzverwaltung ihre fachliche Hilfe an, u. a. zu Schreiben und Erlassen, in die vor ihrer Veröffentlichung der praktische Sachverstand der Steuerberater einfließen könnte. Um den Gesetzgeber zu unterstützen, wird die Bundessteuerberaterkammer in Kürze zudem ein Paket an Einzelmaßnahmen für ein praktikableres Steuerrecht vorstellen.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundessteuerberaterkammer (BStBK)
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