Pressemitteilung | Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)

Steuerquote: Dichtung und Wahrheit

(Köln) - Das Bundesfinanzministerium hält Klagen über die hohe Steuer- und Abgabenbelastung am Standort Deutschland für sachlich unbegründet – und stützt sich dabei auf Berechnungen der OECD. Danach rangiere Deutschland mit einer gesamtwirtschaftlichen Steuerquote von 21,7 Prozent in Europa am untersten Ende der Belastungsskala. Doch ist das nur die halbe Wahrheit – weil die Steuereinnahmen buchungstechnisch verkürzt werden und die Sozialabgaben ausgeklammert sind. Um ihre Studenten zum vorsichtigen Umgang mit Durchschnittszahlen zu bewegen, bemühen Statistik-Professoren immer mal wieder einen Vergleich: Wenn man den linken Fuß in einen Eimer mit heißem Wasser und den rechten in einen Eimer mit kaltem Wasser stellt, dann ist es in der Mitte des Körpers schön warm.

Auch die mit knapp 22 Prozent vermeintlich niedrige deutsche Steuerquote – das ist das Steueraufkommen gemessen am Bruttoinlandsprodukt – spiegelt etwas vor, was in der Wirklichkeit so nicht stimmt: dass nämlich weitere Steuerreformen überflüssig sind. Hinter der Durchschnittszahl 22 verbergen sich enorme Spannweiten – so wie bei der Wassertemperatur. Viele Deutsche zahlen gar keine Einkommensteuern, weil sie Sozialhilfe empfangen oder arbeitslos sind – und diese Gruppe ist zuletzt immer größer geworden, drückt also den Durchschnittswert. Die Leistungsträger wiederum haben einen Einkommensteuerspitzensatz von 51,2 Prozent zu schultern, den sechsthöchsten unter den siebzehn wichtigsten Industrieländern. Dieser Spitzensatz gilt auch für Personenunternehmen, was Gift ist für Investitionen und neue Jobs. Auch die vom Bundesfinanzministerium verwendete Steuerquote selbst hat ihre Macken, worauf die Bundesbank in einem ihrer letzten Monatsberichte hinweist: Anders als in anderen EU-Staaten üblich, wird das Kindergeld in der Finanzstatistik – und das ist die Basis der OECD-Zahlen – hierzulande seit 1996 als Steuermindereinnahme verbucht.

Allein dieser Buchungstrick verringerte das kassenmäßige Steueraufkommen 1996 auf einen Schlag um 22,1 Milliarden Euro – daraus sind bis zum Jahr 2001 sogar stolze 31,2 Milliarden Euro geworden. Gleiches gilt für die Eigenheimzulage, die in 2001 mit 5,5 Milliarden Euro das ausgewiesene Steueraufkommen minderte. Will man ein aussagekräftigeres Bild über die tatsächliche steuerliche Belastung einer Volkswirtschaft gewinnen, muss man, so wie es die Bundesbank tut, auf die Abgrenzung der Steuereinnahmen gemäß den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) zurückgreifen. Zusätzlich bereinigt die Bundesbank das Steueraufkommen um den der EU-Finanzierung dienenden Mehrwertsteuerpunkt. Das Ergebnis:

Nach VGR lag im Jahr 2001 das Steueraufkommen um gut 42 Milliarden über dem „finanzstatistischen“ Wert – die Steuerquote belief sich dementsprechend auf 23,7 Prozent statt auf 21,7 Prozent. Auch für diese Quote gilt allerdings die Professorenwarnung: Vorsicht bei der Argumentation mit einem Durchschnittswert. Ohnehin ist der Steuerbescheid nur eine Seite der Medaille, das wird jedem Gehaltsempfänger dieser Tage besonders deutlich – schmälern doch höhere Beiträge in die Sozialversicherung das Netto auf dem Lohnzettel und in der Haushaltskasse kräftig.

Um ein umfassenderes Bild über die Belastung am Standort D zu erhalten, muss man deshalb nicht nur die Steuern, sondern auch die Sozialabgaben mit ins Kalkül einbeziehen – insbesondere bei internationalen Vergleichen. Denn in einigen Ländern werden die Gesundheits- und Rentensysteme auch über Steuern finanziert. Unter diesem Aspekt sieht es mit der Abgabenlast für Deutschland weniger gut aus. Mit einer nach dem international üblichen VGR-Konzept berechneten Abgabenquote von 42,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts lag die Bundesrepublik 2001 europaweit nur noch im Mittelfeld – Staaten wie Spanien (36 Prozent), Großbritannien (38,7 Prozent) oder die Niederlande (40,7 Prozent) hatten eine deutlich niedrigere Steuer- und Abgabenquote.

Und wenn man aus diesen Durchschnittswerten einmal mehr solche Leute ausklammert, die an Vater Staat nichts abführen, sondern von ihm nur bekommen, ist Deutschland bei Steuern und Abgaben sogar Vizeweltmeister: Ein kinderloser Single mit Durchschnittsverdienst beispielsweise hat eine persönliche Abgabenquote von knapp 52 Prozent. Nur in Belgien ist sie mit 56,2 Prozent höher. In Japan beträgt sie dagegen nur rund 24 Prozent, in den USA ein Drittel.

Quelle und Kontaktadresse:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Gustav-Heinemann-Ufer 84-88 50968 Köln Telefon: 0221/49811 Telefax: 0221/4981592

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