Steuervergünstigungsabbaugesetz schafft neue Fälle rückwirkender Besteuerung / Gefahr für Steuerpflichtige und Steuerberater / Rückwirkung klar regeln
(Berlin) - Das Deutsche wissenschaftliche Steuerinstitut der Steuerberater (DWS-Institut) beanstandet die rückwirkende Änderung von Steuergesetzen, die zu wirtschaftlichen Risiken führt und das Vertrauen in den Gesetzgeber schwinden lässt. Auslöser für die Kritik der Steuerberater ist das sogenannte Steuervergünstigungsabbaugesetz, das Steuerpflichtige und Steuerberater angesichts leerer Kassen mit neuen Fällen von Rückwirkung gefährdet. "Wir brauchen Steuergesetze, die vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben und Rechtssicherheit schaffen", so Volker Fasolt, Vorsitzender des DWS-Instituts und Präsident der Bundessteuerberaterkammer, am 9. Dezember in Berlin. Am Rande eines DWS-Symposiums zur Rückwirkung von Steuergesetzen forderte Fasolt abermals ein einziges Steuergesetz pro Jahr, das rechtzeitig verkündet wird und zum 1. Januar des Folgejahres in Kraft tritt. Dieses dürfe der Gesetzgeber dann nachträglich nicht ändern.
"Recht braucht Berechenbarkeit", mahnte mit Blick auf jüngste steuerrechtliche Entwicklungen gleichzeitig der Vorsitzende des wissenschaftlichen Arbeitskreises des DWS-Institutes, Prof. Jörg Manfred Mössner. Wertsteigerungen von Wertpapieren und nicht selbst genutzten Immobilien, die lange vor In-Kraft-Treten des Steuervergünstigungsabbaugesetzes entstanden sind, sollen jetzt rückwirkend der Besteuerung unterworfen werden. Der Rechtsprechung wird diese Regelung laut Prof. Mössner kaum standhalten, denn schon bei der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre durch das Steuerentlastungsgesetz hatte der Bundesfinanzhof schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel geäußert. "Wirtschaftlich ratsame Entscheidungen dürfen durch die rückwirkende Änderung von Steuergesetzen nicht ad absurdum geführt werden - dem Steuerpflichtigen darf das Recht nicht nachträglich aus der Hand geschlagen werden", appellierte Prof. Mössner an den Gesetzgeber. Eine solch einschneidende Änderung wie die Ausdehnung der Besteuerung auf alle realisierten Wertsteigerungen dürfe nur solche Wertsteigerungen erfassen, die ab dem In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung eintreten, nicht aber solche, die in der Vergangenheit bereits entstanden sind.
Zusätzliche Belastungen für Kapitalgesellschaften sollen bereits 2002 greifen, obwohl das Steuervergünstigungsabbaugesetz erst im Jahr 2003 verabschiedet und verkündet werden kann. Als Beispiel nannte Prof. Mössner die drastische Einschränkung bei der Erstattung von Körperschaftsteuerguthaben (§ 37 Abs. 2 KStG). Alle Unternehmen, die eine Gewinnausschüttung nach dem 20. November 2002 (Kabinettsbeschluss) beschlossen haben, wären betroffen. Rechtsunsicherheit greift nun bis zur Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 2003 um sich. Wie kann ein Unternehmer heute handeln, wenn er nicht weiß, wie morgen die Rechtsgrundlage aussieht?
Um Steuerpflichtigen, Steuerberatern und auch der Finanzverwaltung mehr Sicherheit zu geben, fordert das DWS-Institut endlich klare Regelungen, dass grundsätzlich keine Belastungen durch Steueränderungen rückwirkend beschlossen werden dürfen.
Der Richter des Bundesverfassungsgerichts, Rudolf Mellinghoff, widmete sich anlässlich des DWS-Symposiums der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Rückwirkung von Steuergesetzen. Er betonte, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer besonderen Rechtfertigung bedürfe, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändere. Steuerrechtliche Dispositionsbedingungen bildeten vom Tag der Entscheidung an eine Vertrauensgrundlage, auf die der Steuerpflichtige sein steuerlich geregeltes Verhalten stütze. Dem Bestandsinteresse des Steuerpflichtigen stehe aber das Änderungsinteresse des Gesetzgebers gegenüber. Ein vollständiger Schutz zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten demokratischen Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen. In jedem Einzelfall sei zu ermitteln, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen in die bestehende, für den Steuerpflichtigen günstige Rechtslage schützenswert sei und ob die öffentlichen Belange, die eine nachteilige Änderung rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen.
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