Pressemitteilung | bauforumstahl e.V.

Warum viele Brücken heute an ihre Grenzen stoßen

(Düsseldorf) - In der aktuellen Diskussion um die Sanierungsbedürftigkeit zahlreicher Verkehrsbrücken wird häufig die Frage nach der Qualität historischer Baustoffe aufgeworfen. Dabei geraten insbesondere Brücken aus den 1960er Jahren, die heute verstärkt unter Rissbildungen und Schäden leiden, in den Fokus. Eine differenzierte Betrachtung zeigt jedoch: Nicht der verwendete Stahl ist das Problem, sondern veränderte Rahmenbedingungen und massiv gestiegene Verkehrsbelastungen.

Eine häufig zitierte Stahlgüte aus dieser Zeit ist ST52, die bei vielen Brückenkonstruktionen zum Einsatz kam. Dabei handelt es sich nicht um ein „minderwertiges Material“, sondern um einen für die damalige Zeit hochqualitativen Baustoff. Aus technischer Sicht ist ST52 auch heute noch leistungsfähig.

Vergangenheit trifft Verkehr von heute

Die Ursachen für die heutigen Schadensbilder liegen vielmehr in einem Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren: In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Verkehrsaufkommen vervielfacht. Gleichzeitig wurden die Lastannahmen mehrfach angepasst, der Schwerverkehr hat zugenommen, Containertransporte und just-in-time-Logistik prägen den Straßenverkehr. Diese Entwicklungen führen dazu, dass viele Brücken heute mit Beanspruchungen konfrontiert sind, die beim Bau weder vorhersehbar noch vorgesehen waren.

Als viele der heute von Sanierungen betroffenen Brücken errichtet wurden – beispielsweise in den frühen 1960er Jahren – galten noch die Bemessungsgrundlagen der DIN 1072 (Ausgabe 1952). Ein Sattelschlepper durfte damals maximal 24 Tonnen wiegen. Selbst mit der Anhebung auf 38 Tonnen im Jahr 1967 rechneten Ingenieurinnen und Ingenieure oft nur mit einer Spitzenlast von 60 Tonnen. Gleichzeitig war das Verkehrsaufkommen deutlich geringer als heute. Der Güterverkehr fand überwiegend auf der Schiene statt, und Containertransporte waren noch nicht etabliert.

Hinzu kommt: Baustahl war in den 1960er Jahren ein vergleichsweise teures Gut, während Arbeitskraft günstig war. Konstruktionen wurden deshalb nach dem ökonomischen Minimalprinzip ausgeführt: materialeffizient und mit hoher handwerklicher Präzision. So erklärt sich auch die für damalige Verhältnisse schlanke Bauweise vieler Brücken: Stahlbrücken kamen mit etwa 300 kg Stahl pro Quadratmeter aus. Heute liegt dieser Wert bei rund 850 kg/m² – ein Indikator für die deutlich höheren Anforderungen an moderne Tragwerke.

Auch das technische Wissen über Dauerfestigkeit und Ermüdungsverhalten war zur damaligen Zeit noch im Aufbau. Details, die aus heutiger Sicht als besonders ermüdungsgefährdet gelten, wurden damals nicht speziell behandelt, da entsprechende Normen noch nicht existierten. Viele Schäden treten deshalb an konstruktiv besonders beanspruchten Stellen auf – nicht im Grundwerkstoff selbst.

Stahl bleibt zukunftsfähig

Stahl als Baustoff hat sich im Brückenbau über Jahrzehnte bewährt. Er ist kontrollierbar, anpassbar und – im Gegensatz zu vielen anderen Materialien – besonders gut für Sanierungen geeignet. Durch Monitoring, Verstärkungsmaßnahmen oder Austausch lassen sich bestehende Konstruktionen auch nach Jahrzehnten noch an neue Anforderungen anpassen. Zudem bietet Stahl Vorteile im Hinblick auf Rezyklierbarkeit und zirkuläres Bauen, zentrale Aspekte für die nachhaltige Infrastrukturplanung der Zukunft.

Die anstehende Sanierungswelle ist daher weniger ein Zeichen mangelhafter Baustoffe als vielmehr ein systemischer Effekt: Die betroffenen Brücken erreichen oder überschreiten ihre ursprünglich vorgesehene Lebensdauer unter deutlich veränderten äußeren Rahmenbedingungen. Die Herausforderung besteht nun darin, diesen Übergang ingenieurtechnisch zu gestalten, mit gezielten Investitionen in Instandhaltung, Überwachung und vorausschauende Planung.

Quelle und Kontaktadresse:
bauforumstahl e.V., Lisa-Marie Niehoff, Leiter(in) Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Sohnstr. 65, 40237 Düsseldorf, Telefon: 0211 54012080

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