Pressemitteilung | Deutsches Komitee für UNICEF e.V.

Welt-AIDS-Tag 2003: Bald 20 Millionen AIDS-Waisen in Afrika / UNICEF stellt internationale Studie vor und ruft zu Hilfe auf

(Köln) - Bis zum Jahr 2010 wird sich nach neuesten Schätzungen von UNICEF die Zahl der AIDS-Waisen in den Ländern südlich der Sahara von heute elf auf 20 Millionen nahezu verdoppeln. Dies ist ein Ergebnis der Studie "Afrikas verwaiste Generationen", die UNICEF am 26. November anlässlich des Welt-AIDS-Tages am 1.12. vorstellt. In Botswana, Lesotho und Swasiland, wo heute über 30 Prozent der 15 bis 49-Jährigen HIV-positiv sind, wird demnach in den kommenden Jahren nahezu jedes fünfte Kind einen oder beide Elternteile verlieren. Und auch in Ländern wie Uganda, denen es gelang, durch Aufklärungskampagnen die Neuinfektionen zu senken, werden die Waisen-Zahlen weiter hoch bleiben oder sogar noch steigen, weil bereits infizierte Eltern an der Immunschwächekrankheit sterben. Bis heute haben nur sechs Regierungen der 40 besonders von AIDS betroffenen Staaten offizielle Hilfsprogramme zum Schutz und zur Hilfe für AIDS-Waisen entwickelt.

"Eine ganze Generation von Kindern hat nicht nur ihre Eltern, sondern auch ihre Kindheit verloren. Um eine weitere Explosion der Zahl der AIDS-Waisen zu verhindern, müssen infizierte Eltern endlich Zugang zu Medikamenten bekommen", sagte der UN-Sonderbeauftragte für AIDS in Afrika, Stephen Lewis, bei der Vorstellung der UNICEF-Studie in Berlin. Bei diesem Anlass erklärte die Bundesministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul: "Die Tragödie der AIDS-Waisen im südlichen Afrika bedroht zusehends die wirtschaftliche und soziale Stabilität in der Region. Wir müssen gemeinsam alles tun, um zu helfen, denn wir dürfen die Menschen nicht ihrem Schicksal überlassen."

Bereits heute leben im südlichen Afrika elf Millionen AIDS-Waisen. Etwa die Hälfte von ihnen ist unter zehn Jahre alt. Die traditionelle Solidargemeinschaft aus Verwandtschaft und Dorfgemeinschaft ist nicht mehr in der Lage sie ausreichend zu versorgen. Die dramatischen Folgen der Epidemie werden in einigen Ländern noch durch Dürre und Nahrungsmittelknappheit verstärkt.

Wachsende Armut

Schon während die infizierten Eltern noch leben, verarmen die Familien, weil sie nicht mehr regelmäßig arbeiten und die Felder bestellen können. Eine Untersuchung in Südafrika ergab, dass das Familieneinkommen um die Hälfte niedriger ist, wenn ein Elternteil HIV-positiv ist. Gleichzeitig steigen die Kosten für medizinische Hilfe. So geben betroffene Haushalte viermal soviel für die Gesundheitsversorgung aus wie früher.

Nach dem Tod der Eltern verschärft sich die Situation noch. Pflegefamilien, die oft mehrere AIDS-Waisen versorgen müssen, können die Grundbedürfnisse der Kinder oft nicht mehr befriedigen. Meistens fehlt es an Nahrung, medizinischer Hilfe und Kleidung. Über die Hälfte der Waisenkinder in Mosambik ist zum Beispiel chronisch mangelernährt.

Eine verzweifelte Generation

Weil sie das Geld für Schulgebühren, Uniformen, Bücher und Hefte nicht mehr aufbringen können, brechen viele Waisen die Schule ab. Häufig kümmern sich die Pflegeeltern auch nicht darum, dass die Kinder zur Schule gehen. Dies ist umso häufiger der Fall, je weiter entfernt der Verwandtschaftsgrad ist. In Mosambik geht nur einer von drei Vollwaisen zur Schule.

Immer mehr AIDS-Waisen landen deshalb in ausbeuterischen und gefährlichen Arbeitsverhältnissen: als Hausmädchen mit Elfstundentag an sieben Tagen in der Woche, in Minen und Steinbrüchen oder als Prostituierte. Eine Untersuchung in Sambia ergab, dass fast drei Viertel der jugendlichen Prostituierten Waisen waren. Sie verdienten zwischen 0,63 und sieben Dollar am Tag und mussten dafür im Durchschnitt mit drei bis vier Kunden am Tag schlafen. In allen Städten südlich der Sahara hat in den vergangenen Jahren die Zahl der Straßenkinder stark zugenommen; schätzungsweise die Hälfte von ihnen sind Waisen.

Viele AIDS-Waisen sind traumatisiert und leiden unter psychischen Problemen wie Unruhe, Depressionen und Angst. Sie haben das langsame Sterben ihrer Eltern erlebt und diese meist pflegen müssen. Wegen des AIDS-Stigmas weisen Altersgenossen sie zurück. In Pflegefamilien fühlen sie sich häufig als „zweitklassige“ Familienmitglieder.

Unterstützung für Familien und Gemeinden

UNICEF ruft Regierungen und Öffentlichkeit zur Unterstützung für AIDS-Waisen auf. Waisenheime sind dabei keine erstrebenswerte Lösung. Erfahrungen zeigen, dass institutionalisierte Kinder und Jugendliche nur sehr schwer wieder in ein normales Leben zurückfinden. Außerdem ist die Heimunterbringung mindestens sechsmal so teuer wie die Unterbringung in einer Pflegefamilie. Deshalb müssen besonders Pflegefamilien, Gemeinden und lokale Hilfsorganisationen gestärkt werden:

Hilfe für Familien

In Uganda werden zum Beispiel erkrankte Eltern ermutigt, sich rechtzeitig um den Verbleib ihrer Kinder zu kümmern und auch ein Testament zu machen. In Kenia, Malawi und Uganda erhalten Familien, die sich um Waisen kümmern, geringfügige finanzielle Unterstützung. Pflegefamilien werden beraten, wie sie besser mit den besonderen Schwierigkeiten und Problemen der Kinder umgehen können.

Stärkung der Dorfgemeinschaften

Die Dorfgemeinschaft ist nach der Familie das nächste Sicherheitsnetz. AIDS-Komitees auf Bezirks- und auf Dorfebene können mit Hausbesuchen und durch den Aufbau von Gemeinschaftsgärten die Versorgung der Waisen verbessern. Gespräche mit Schulen und Pflegeeltern können helfen, die Kinder in der Schule zu halten.

Zugang zu Bildung

Insbesondere Schulen haben für AIDS-Waisen eine entscheidende Bedeutung. Sie sind für die Kinder sichere Orte, in denen sie emotionale Unterstützung und Orientierung durch Erwachsene erhalten. Hier haben sie die Chance Freunde zu finden. Durch Schulspeisungen kann auch ihr Ernährungszustand verbessert werden. UNICEF setzt sich deshalb besonders für die Abschaffung der Schulgebühren ein.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Komitee für UNICEF e.V. Höninger Weg 104, 50969 Köln Telefon: 0221/936500, Telefax: 0221/93650279

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