Pressemitteilung | Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR)

Wirtschaftsstandort Deutschland durch Senkung der Unternehmensteuerlast stärken / Konjunkturhoffnungen bleiben gedämpft

(Berlin) - Deutschland bleibt ein Hochsteuerland, warnt der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). Die deutschen Unternehmen unterlägen im europäischen Vergleich nominal und effektiv der höchsten Steuerbelastung. Daran habe auch die jüngste Steuerreform nichts geändert. Im Gegensatz zu großen international tätigen Unternehmen sei vor allem die mittelständisch geprägte Gesamtheit der deutschen Unternehmen betroffen. Aus der Perspektive der Volksbanken und Raiffeisenbanken als Hauptfinanziers des deutschen Mittelstands sei die hohe Steuerlast mit ein Grund für die nach wie vor anhaltende strukturelle Wirtschaftsschwäche in Deutschland.

„Die Politik muss mit deutlichen Signalen und klaren Zielsetzungen reagieren, um die wirtschaftliche Schwäche zu überwinden. Ein dringend erforderlicher Schritt ist daher die Reduzierung der Unternehmensteuerbelastung um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken“, forderte BVR-Präsident Dr. Christopher Pleister am 08. März anlässlich der Jahrespressekonferenz des Verbandes in Berlin. Ohne eine Reduzierung der Unternehmensteuerbelastung käme es zu einem fortgesetzten Abzug von Investitionen und Arbeitsplätzen aus Deutschland. Die mittelständischen Unternehmen mit lokaler und regionaler Ausrichtung sowie die Arbeitseinkommen müssten dann immer stärker belastet werden, um die erforderlichen Ausgaben des Staates zu decken. „Das Thema Unternehmensteuerreform muss zügig angegangen werden und darf nicht für wahltaktische Manöver missbraucht werden. Jedes Jahr, das ungenutzt verstreicht, ist ein verlorenes Jahr für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und den Standort Deutschland“, unterstrich Pleister.

Modell der dualen Besteuerung ernsthaft prüfen
Die notwendige Entlastung der deutschen Unternehmen dürfe sich nicht in einer Senkung der Steuerlast für Körperschaften wie AG und GmbH erschöpfen. Denn rund 85 Prozent der deutschen Unternehmen handeln in der Rechtsform der Personengesellschaft oder als Einzelunternehmen und unterliegen somit der Einkommensteuer. Gegenwärtig würden viele Vorschläge diskutiert, die zwar den Vorteil hätten, sich direkt in das bestehende Steuersystem einfügen zu lassen. Sie kämen allerdings entweder hauptsächlich den großen oder in erster Linie den kleinen Unternehmen zugute. Außerdem führten sie, beispielsweise durch die Bevorzugung einbehaltener Gewinne, zu Mitnahmeeffekten und zur Fehlleitung von Finanzmitteln. Eine grundlegende Steuerreform mit deutlichen Steuersenkungen für Bürger und Unternehmen sei zurzeit weder politisch durchsetzbar noch finanzierbar. „Als erster Schritt sollte das vom Sachverständigenrat vorgeschlagene Modell der dualen Besteuerung ernsthaft geprüft werden“, so Pleister.

Vor dem Hintergrund der Globalisierung hält der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung eine unterschiedliche Besteuerung des mobilen Produktionsfaktors Kapital und des immobilen Faktors Arbeit für erforderlich. Kapitaleinkommen (wie unternehmerische Gewinne, Zinsen oder Dividenden) könnten proportional mit einem international wettbewerbsfähigen Steuersatz und Arbeitseinkommen weiterhin progressiv besteuert werden. Die damit einhergehende steuerliche Entlastung für Unternehmen wäre rechtsformneutral und käme neben Kapitalgesellschaften auch den mittelständischen Personengesellschaften und Einzelunternehmen zugute. Dieses Konzept habe außerdem den Vorteil, dass damit automatisch die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge eingeführt würde, was zu einer erheblichen Entlastung von Bürokratie und zu einer Entkrampfung zwischen Steuerzahler und Staat führen würde. Dies wäre tatsächlich ein Beitrag zur Förderung der Steuerehrlichkeit

Konjunkturhoffnungen bleiben gedämpft
Die Hoffnungen auf einen durchgreifenden Konjunkturaufschwung in Deutschland seien weiter gedämpft. „Trotz der jüngsten Eintrübung der Konjunkturerwartungen halten wir ein Wachstum von 1,2 Prozent für das deutsche Bruttoinlandsprodukt in 2005 für erreichbar“, so Pleister. Die treibende Kraft für das Wirtschaftswachstum bleibe der Export. Aufgrund des schwächeren weltwirtschaftlichen Wachstums werde er sich jedoch weniger stark ausweiten als im letzten Jahr.

Binnennachfrage auf wackligen Beinen
Die Binnennachfrage stehe nach wie vor auf wackligen Beinen. Zwar seien die privaten Konsumausgaben in den letzten zwei Quartalen leicht gestiegen und neuesten Umfragen zufolge seien die Verbraucher bereit, verstärkt größere Anschaffungen zu tätigen. Meldungen über Rekordarbeitslosigkeit verringerten jedoch die Hoffnung der Verbraucher auf eine konjunkturelle Erholung und erhöhten die Unsicherheit über die Entwicklung der eigenen wirtschaftlichen Situation.

Die Unternehmen weiteten ihre Investitionen zunehmend aus, da das Investitionsklima durch günstige Finanzierungsbedingungen, eine moderate Lohnentwicklung und steigende Gewinne nach wie vor günstig sei und sich Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen immer schwerer aufschieben ließen. Dämpfend wirkten jedoch der nachlassende außenwirtschaftliche Schwung und die Unsicherheit über die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung. Auch der jüngste Rückgang des Ifo-Geschäftsklimaindexes zeige, dass die Unternehmen von einer durchgreifenden Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation nicht überzeugt seien.

Geldpolitik steht der Konjunkturerholung nicht im Weg
Aufgrund der nur verhaltenen Konjunktur in Deutschland befinde sich die Geldpolitik in einem Dilemma: Während der Leitzins für Deutschland als zu hoch angesehen werde, drohe anderen Ländern, wie Spanien, aufgrund der reichlichen Liquiditätsversorgung eine Überhitzung. Für den Euroraum könne es aber nur eine einheitliche Geldpolitik geben. Diese könne daher nicht allen Ländern gleichermaßen gerecht werden. Allerdings stehe die Geldpolitik derzeit einer Erholung der deutschen Konjunktur nicht im Weg. Dies zeige ein Vergleich der langfristigen Realzinsen im Euroraum. In Deutschland befände sich der Realzins Deutschland mit 2,3 Prozent auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau. Im langjährigen Durchschnitt lag der Realzins bei 4 Prozent. Die Finanzierungsbedingungen seien zudem in Deutschland ähnlich günstig wie im Euroraum insgesamt. Im Durchschnitt des gesamten Währungsraums sei der Realzins mit 2,0 Prozent nur wenig niedriger als in Deutschland.

Geldüberschuss Hauptrisikofaktor für die Geldpolitik
Mit ihrer expansiven Ausrichtung leiste die Geldpolitik ihren Beitrag zur Unterstützung der konjunkturellen Erholung. Im Zuge der erwarteten wirtschaftlichen Erholung im Euroraum könne das derzeitige Leitzinsniveau jedoch nicht beibehalten werden. Zudem habe sich der Inflationsausblick eingetrübt. Angesichts der gestiegenen Rohölpreise dürften die Verbraucherpreise 2005 erneut die 2-Prozent-Marke übersteigen. Damit werde die Obergrenze der EZB-Definition für Preisstabilität im sechsten Jahr in Folge überschritten.

Doch sei das Ziel der Preisstabilität nicht nur auf kurze Sicht gefährdet. Das größte mittelfristige Inflationsrisiko gehe derzeit von der hohen und steigenden Liquidität im Euroraum aus. Der Liquiditätsüberschuss im Euroraum belaufe sich auf mehr als 450 Milliarden Euro bzw. 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Belebe sich die Binnennachfrage im Jahresverlauf wie erwartet, so würden die Finanzmittel zunehmend die Güternachfrage erhöhen und die Teuerungsrate steigen lassen. Die EZB sollte die Geldmengenentwicklung daher mit erhöhter Wachsamkeit beobachten.

Zinswende einläuten, sobald Binnennachfrage anspringt
Die EZB sollte die Zinswende einläuten, sobald die europäische Binnennachfrage anspringt. Damit würde sie an den Märkten ein klares Zeichen dafür setzen, dass sie den Inflationsgefahren entschlossen entgegen tritt. Sollten Investitionen und Konsum im Euroraum im Jahresverlauf wie erwartet an Fahrt gewinnen, könnte der Leitzins bis zum Jahresende auf 2,50 bis 2,75 Prozent ansteigen. Die EZB sollte frühzeitig handeln, um den langen Zeitverzögerungen in der Geldpolitik Rechnung zu tragen. Auch nach einer maßvollen Erhöhung der Zinsen würde die Geldpolitik die Konjunkturerholung noch unterstützen.

Bei Aufweichung des Stabilitätspaktes droht höheres Zinsniveau
Die Stabilität des Euro werde auf längere Sicht aber auch durch eine mögliche Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und einen Anstieg der staatlichen Finanzierungsdefizite im Euroraum bedroht. Ausufernde Defizite gingen erfahrungsgemäß auf Dauer mit höheren Inflationsraten einher, auf die die EZB mit höheren Zinsen reagieren müsse. Um dies zu verhindern, müsse strikt am Stabilitäts- und Wachstumspakt festgehalten werden. Höhere Defizite würden auf den Kapitalmärkten mit einem höheren Zinsniveau bestraft.

Bislang hätten die Märkte zwar noch nicht auf die gestiegenen Haushaltsdefizite in zahlreichen Ländern des Euroraums reagiert. Sollte sich jedoch eine nachhaltige Verschlechterung der Finanzlage abzeichnen, sei mit einem abrupten Anstieg der Kapitalmarktzinsen zu rechnen. Dies würde nicht nur die Finanzierungsmöglichkeiten der mittelständischen Unternehmen verschlechtern, sondern auch zu zusätzlichen Finanzierungsproblemen in den öffentlichen Haushalten führen. So hätte eine Zinserhöhung um einen Prozentpunkt allein im Bundeshaushalt zusätzliche Kosten in Höhe von 8 Milliarden Euro zur Folge.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR) Schellingstr. 4, 10785 Berlin Telefon: 030/20210, Telefax: 030/20211900

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