Pressemitteilung | Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB)

Zur Inflations- und Wachstumsprojektion der Europäischen Zentralbank

(Berlin) - Mit ihrem Dezember-Monatsbericht veröffentlicht die Europäische Zentralbank erstmals eine eigene Vorausschau auf die künftige Wachstums- und Preisentwicklung im Euro-Währungsgebiet.

Damit kommt die EZB dem Wunsch vieler Beobachter nach, die sich von einer Inflationsprognose einen besseren Einblick in das Verhalten der Notenbank versprechen. Hintergrund hierfür ist, dass die Zwei-Säulen-Strategie der EZB (Geldmenge M3 sowie ein Bündel verschiedener preisbestimmender Indikatoren) den Eindruck einer gewissen geldpolitischen Beliebigkeit vermitteln kann.

Man muss allerdings bezweifeln, ob die jetzt vorgelegte Projektion diejenigen, die sich für eine Inflationsprognose stark gemacht haben, begeistern wird. Für diese Einschätzung gibt es vor allem zwei Gründe. Zum einen wird in der Projektion unterstellt, dass die kurzfristigen Zinssätze, also die Zinsen, die von der EZB unmittelbar beeinflusst werden, über den gesamten Projektionszeitraum bis Ende 2002 konstant bleiben. Das ist sicherlich unrealistisch. Zum zweiten gibt die Notenbank eine Bandbreite an, die relativ breit erscheint und etwa mit Blick auf die Inflationsrate sowohl Entwicklungen enthält, die die EZB als stabilitätsgerecht klassifizieren würde, als auch solche, die ein geldpolitisches Handeln, sprich eine Zinserhöhung, erforderten.

Für beides gibt es jedoch gute Argumente. Eine Notenbank kann - anders als Forschungsinstitute oder Banken - keine Prognose im klassischen Sinn veröffentlichen, ohne in große Erklärungsnöte zu kommen. Denn dann müsste sie ihre künftigen zinspolitischen Maßnahmen schon in die Prognose einarbeiten. Dann hätte sie erhebliche Schwierigkeiten, diese Prognose so verständlich zu machen, dass es nicht zu Reaktionen an den Märkten kommt, die sie nicht wünscht. Wenn sich beispielsweise aus einer solchen Prognose ergäbe, dass die EZB im Laufe des Vorhersagezeitraums ihre Zinsen anheben wird, ist davon auszugehen, dass die Märkte hierauf kurzfristig reagieren. Die EZB hätte dann kaum noch eine Chance, zinspolitische Maßnahmen zu dem Zeitpunkt zu ergreifen, den sie als angemessen betrachtet. Sie wäre nicht mehr frei in ihren Entscheidungen, sondern die Getriebene ihrer eigenen Prognose.

Von daher macht es Sinn, dass sich die EZB darauf beschränkt anzuzeigen, wie sie die künftige Entwicklung sieht, wenn sie selbst nicht aktiv wird. Auch das lässt Schlüsse zu. So beinhaltet die Projektion der Preisentwicklung für 2001, dass die Notenbank nach wie vor Inflationsrisiken sieht, auch wenn in der längerfristigen Tendenz eine Abschwächung des Preisauftriebs erkennbar ist. Andererseits ist dies kein zwingendes Zukunftsszenario. Denn die Möglichkeit einer schnelleren Beruhigung bei den Preisen wird nicht ausgeschlossen. Die EZB wird also wachsam bleiben und im Zweifel nicht zögern, ihre Zinsen weiter anzuheben, wenn sie sieht, dass sich der Inflationsimport durch die hohen Ölpreise in der Binnenwirtschaft fortpflanzt. Dabei schätzt sie für das Euro-Währungsgebiet das Risiko einer Konjunkturabschwächung geringer ein als die Fed für die USA. Die Projektionen lassen aber auch die Möglichkeit offen, dass die EZB auf weitere Zinsanhebungen verzichtet.

Gerade an diesen Überlegungen zeigt sich auch, dass es vernünftig ist, Bandbreiten zu veröffentlichen. Wenn die Notenbank nur einen Mittelwert ihrer Voraussagen publizierte, würde ihr künftiges Verhalten von den Beobachtern exakt an diesem Wert abgeschätzt. Der Mittelwert der Inflationsprojektion für 2001 liegt bei 2,3 %. Die Gefahr wäre groß, dass sich die öffentliche Debatte auf diese Ziffer konzentrierte. Damit verbunden wäre die Erwartung weiterer Zinsanhebungen, da die EZB einen mittelfristigen Preisanstieg von unter 2 % als stabilitätsgerecht definiert hat. Das ist in Anbetracht der aktuellen Konjunkturlage, der Wechselkurs- und Ölpreisentwicklung jedoch nicht zwingend zu erwarten.

Es gibt also durchaus gute Gründe dafür, dass sich die EZB auf eine Projektion beschränkt hat, die weitaus weniger "präzise" ist als die von Forschungsinstituten oder Banken. Allerdings stellt sich damit auch die grundsätzliche Frage nach dem Wert dieser Aktion. Aus Sicht der Banken in Deutschland ist sie, nicht zuletzt wegen der oben angesprochenen Probleme in der Vermittlung der Ergebnisse in der Öffentlichkeit, an sich entbehrlich. Ein zusätzlicher Nutzen für die regelmäßigen Beobachter der EZB dürfte darin liegen, dass sich die EZB nunmehr stärker als bislang-, in ihren Monatsberichten zukunftsorientiert äußert. Die, etwa auch vom Sachverständigenrat geäußerte Vorstellung, mit einer Inflationsprognose werde die zweite Säule der EZB-Strategie deutlicher und die EZB stärker auf eine regelgebundene Strategie festgelegt, ist mit der vorgelegten Methode jedoch kaum zu erreichen. Ob die Inflations- und Wachstumsprojektion hilft, die Entscheidungen der EZB besser vorab einzuschätzen, muss sich erst noch zeigen.

Bei aller manchmal sehr aufgeregten Diskussion um die Öffentlichkeitsarbeit der EZB ist es vielleicht hilfreich, sich daran zu erinnern, dass die Notenbank, die in Bezug auf Offenheit und Transparenz deutlich hinter der EZB herhinkt, und deren Präsident einem Bonmot zufolge Wert darauf legt, nicht zu genau verstanden zu werden, nämlich die amerikanische, weltweit als die erfolgreichste gilt.

Quelle und Kontaktadresse:
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