Pressemitteilung | ZVEI e.V. - Verband der Elektro- und Digitalindustrie

ZVEI: Halbleiterindustrie braucht freien und fairen Handel / Aktive Industriepolitik muss zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen!

(Berlin/Frankfurt am Main) – Um ihre in den letzten zehn Jahren erreichte technologische Führungsposition auch in der nächsten Dekade halten zu können, fordert die europäische Halbleiterindustrie eine aktive europäische Industriepolitik. „Diese muss für freien und fairen Wettbewerb sorgen, bürokratische Hürden abbauen und das europäische Know-how in Wissenschaft und Wirtschaft, bei Herstellern und Anwendern konsequent miteinander vernetzen,“ betonte Peter Bauer, Vorsitzender des ZVEI-Fachverbandes Electronic Components and Systems und Mitglied des Vorstandes der Infineon AG, bei der Vorstellung einer Studie des Europäischen Halbleiterverbandes ESIA und des ZVEI zur Wettbewerbsfähigkeit der Branche in Berlin. Die Industrievertreter schlagen deshalb die Schaffung eines sektoralen Beihilferahmens für die Halbleiterindustrie vor. Auch müsse die europäische Politik zur Kenntnis nehmen, dass in anderen Weltregionen die Ansiedlung von Halbleiterfabriken und Entwicklungszentren massiv gefördert werde. Dies habe ausschlaggebenden Einfluss auf Standortentscheidungen, da die erforderlichen Milliardeninvestitionen weltweit zu nahezu den gleichen Kosten möglich sind. Europäische Standortvorteile, wie Marktnähe und qualifizierte Arbeitskräfte allein seien nicht ausreichend.

Hierbei, so Bauer, gehe es um weit mehr als um die Zukunft der mit einem Umsatz von 31,7 Mrd. Euro und mehr als 86.000 Beschäftigten wichtigsten High-Tech-Industrie in Europa, welche rund 18 Prozent des Umsatzes in Investitionen in Forschung und Entwicklung steckt, sowie weitere 20 Prozent in modernste Produktionsmittel und Fertigungsstätten. Weit wichtiger sei die technologische Hebelwirkung der Mikroelektronik, die auch in dieser Dekade weiter zunehmen werde. „Gerade in Deutschland zeigt sich, dass die Verfügbarkeit von anwendungsspezifischen Halbleitern für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der Anwenderindustrien grundlegend wichtig ist,“ betonte Bauer. Er verwies auf Beispiele aus der Automobilindustrie, wie Motormanagement-, Fahrerassistenz- und elektronische Sicherheitssysteme. Weltweit seien mittlerweile fast zehn Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes durch Innovationen der Halbleiterindustrie bestimmt. „Während der europäische Markt rund 20 Prozent des weltweiten Halbleitermarktes darstellt, gehen mittlerweile weniger als zehn Prozent der weltweiten Investitionen der Halbleiterindustrie nach Europa!“ unterstreicht Bauer.

Während China, Japan, Korea, Malaysia, Singapur, Taiwan und die USA systematisch Anreize schaffen, um ausländisches Halbleiter-Kapital ins Land zu holen und dort zu halten, fehle der EU ein bewusst maßgeschneiderter Ansatz um diese Schlüsselindustrie zu unterstützen.

So zeigt eine von der ESIA durchgeführte Analyse der Faktorkosten für die Errichtung und den Betrieb einer auf Spitzentechnologie ausgelegten Modellfabrik in acht Ländern, dass der über fünf Jahre kumulierte Nettoertrag in China, Korea bzw. Malaysia etwa 220 Prozent des Ertrages für die selben Anlagen in Deutschland ausmacht, wobei zwischen den unterschiedlichen Standorten in Europa keine nennenswerten Unterschiede festgestellt wurden. Neben den bekannten Unterschieden, wie z.B. niedrige Gehaltsstruktur, geringere Sozialabgaben und längere Arbeitszeiten, ist das Vorhandensein von attraktiven Förderprogrammen in den Schwellenländern der Hauptunterschied.

Die Überarbeitung des „Multisektoralen Beihilferahmens“ der EU habe zu einer Reduzierung der finanziellen Unterstützung für große Investitionsvorhaben geführt. Gerade diese sind aber aus Sicht von ESIA und ZVEI im Hinblick auf die Aufrechterhaltung einer wettbewerbsfähigen Halbleiterfertigung dringend erforderlich. Investitionsprogramme sind ein entscheidender Faktor für eine schlagkräftige und eigenständige europäische Halbleiter-Industrie. Deshalb sollte der Multisektorale Beihilferahmen der EU durch einen sektoralen Ansatz für Halbleiter ersetzt werden.

Weitere Maßnahmen sind notwendig, um die Schlüsselfunktionen (Entwicklung, Design und Wafer-Fabrikation) dieser in einem weltweiten Fertigungsprozess agierenden Industrie in Europa halten zu können. Hierzu zählen die Vertreter der Halbleiter-Industrie Verbesserungen im rechtlichen Umfeld, insbesondere in den Bereichen Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Gesundheit, Zoll und Sicherheit sowie gewerbliche Schutzrechte. Diese sollten gezielt auf die Verträglichkeit mit den Anforderungen dieser hochinnovativen Industrie geprüft werden. „Die Wettbewerbsfähigkeit sollte als unabdingbares Kriterium in allen Gesetzgebungsverfahren verankert werden,“ so Bauer. Mit einem strafferen Verfahren des gewerblichen Rechtsschutzes in Europa könne auch die Effektivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb und außerhalb der EU maßgeblich gestärkt werden.

Wesentlich für die stark zyklische Branche seien zudem flexiblere Beschäftigungsbedingungen, die insbesondere eine bessere Koordinierung der Arbeitszeiten ermöglichen – sowohl in Bezug auf die Gesamtzeit als auch deren Verteilung.
„Europa kann es sich nicht leisten, das zu ignorieren, was andere mit allen Mitteln anstreben“ fasste Bauer die gemeinsamen Forderungen von ZVEI und ESIA zusammen. Die europäische Halbleiter-Industrie braucht Rahmenbedingungen, die es ihr ermöglichen, ihre überzeugende Innovationskraft und ihren effektiven Marktzugang umzusetzen.

Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI) Christian Mannigel, Leiter, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Stresemannallee 19, 60596 Frankfurt am Main Telefon: (069) 6302-0, Telefax: (069) 6302-317

(bl)

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