Verbändereport AUSGABE 7 / 2004

21 Wege zum besseren Text

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Nachstehend die erste Lektion eines Kompaktkurses zum klaren und guten Stil. Weitere Lektionen folgen in den nächsten Verbändereport-Ausgaben

1. Lektion: Mit gewöhnlichen Wörtern ungewöhnliche Dinge sagen

Das scheint mir der wichtigste Grundsatz zu sein. Viele Menschen, die sich in der freien mündlichen Rede gut ausdrücken, geraten beim bewussten Formulieren in Schwierigkeiten — und verwenden Ausdrücke, bei denen man das Papier knistern hört.

Halten Sie sich stets vor Augen: Papier ist nur ein Zwischenträger. Sprache richtet sich idealer Weise vom Mund direkt an die Ohren. So sollte sie denn auch formuliert werden. „Parlando“ nennt sich das. Je einfacher Sie sich ausdrücken, desto leichter lesbar sind Ihre Texte, und desto eher werden sie gelesen. Dazu einige Hinweise:

Kurze statt lange Wörter

Wann immer Sie zwischen einem längeren und einem kürzeren Wort wählen können, entscheiden Sie sich für das kürzere. Längere Wörter schrecken ab, weil sie bereits optisch mehr Lesearbeit signalisieren. Sagen Sie „Problem“, nicht Problematik, Problembereich, Problemfeld, Problemkreis oder Problemkomplex. Solche Wörter gelten als Filter. Ein- und zweisilbige Wörter hingegen wirken als Verstärker. „Die alten Wörter sind die besten und die kurzen, wenn sie alt sind, die allerbesten“, findet Winston Churchill. Können Sie auf ein mehrsilbiges Wort ausnahmsweise nicht verzichten, dann teilen Sie es mit einem Bindestrich in zwei Teile. Statt „Korrespondenzdeutsch“ besser „Korrespondenz-Deutsch“ (gilt für selten anzutreffende Wörter ab vier Silben).

2/3 aus dem aktiven Wortschatz, 1/3 aus dem passiven

Ihr aktiver Wortschatz besteht aus den Wörtern, die Sie anwenden, wenn Sie sich mündlich oder schriftlich äußern; Ihr passiver Wortschatz umfasst diejenigen Wörter, die Sie nicht anwenden, aber verstehen. Wörter aus dem aktiven Wortschatz haben einen Vorteil, der gleichzeitig ihr Nachteil ist: sie sind allgemeinverständlich — damit oft zu abgenutzt, um auf sich gestellt noch wirken zu können. Verwenden Sie daher beim Formulieren zu zwei Dritteln Wörter aus dem aktiven Wortschatz und kolorieren Sie Ihre Sätze mit den besser zeichnenden Ausdrücken aus dem passiven Wortschatz. Allzu weit entfernt vom Durchschnitts-Deutsch dürfen sie aber nicht sein: „Meide jedes selten gehörte Wort wie ein Riff“, meinte Cäsar. Gar nicht so einfach, bedenkt man, dass im „Deutschen Wörterbuch“ von Gerhard Wahrig 200.000 Wörter nachzuschlagen sind, aber selbst Schriftsteller kaum mehr als 20.000 Wörter wirklich anwenden.

Das Leben ist kompliziert genug, machen Sie es mit komplizierten Wörtern nicht noch komplizierter. Stephen King: „Eines der schlimmsten Dinge, die man der eigenen Sprache antun kann, ist, das Vokabular schön herauszuputzen und nach komplizierten Wörtern zu suchen. Nur weil man sich ein bisschen für die vielen einfachen schämt. Das ist so, als würde man ein Schoßhündchen in eine Abendrobe stecken.“

Abschließend ein Tipp aus meiner Texterpraxis: Stellen Sie ein Foto eines Bekannten auf den Schreibtisch und sprechen Sie beim Formulieren mit ihm. Sollten Sie mich ertappen, wie ich beim Schreiben gestikuliere und halblaut vor mich hinrede — obwohl ich alleine im Zimmer bin —, dann wissen Sie jetzt, wieso.

(Die zweite Lektion folgt in der nächsten Ausgabe)

 

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