In Verbändereport 4/2001 haben wir uns mit möglichen Ansprüchen zum Verbandsbeitritt – also mit der Frage eines Anspruchs auf Mitgliedschaft im Verband – auseinandergesetzt. Entsprechende Ansprüche können sich dabei entweder aus einem Vertrag, der Satzung des Verbandes oder aber aus Gesetz ergeben. Neben dem in Ausgabe 4/2001 bereits angesprochenen § 27 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gibt es eine weitere wichtige Rechtsgrundlage, speziell für den bedeutenden Wirtschaftsbereich des Handwerks.
Der Anspruch auf Mitgliedschaft in der Handwerksinnung
Im Handwerk gibt es - grob gesagt - 2 Organisationssäulen. Einerseits besteht für die rund 844.000 deutschen Handwerksbetriebe eine Pflichtmitgliedschaft in der jeweils regional zuständigen Handwerkskammer, von denen es insgesamt 55 gibt. Geregelt ist dies in § 90 Abs. 2 des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung — HwO ).
Für die Frage des Anspruchs auf Mitgliedschaft ist dieser Bereich weniger interessant. Umso interessanter ist insoweit aber die zweite Säule der Organisation im deutschem Handwerk: das Innungswesen. Die Handwerksinnungen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Mitgliedschaft in der Innung ist eine freiwillige.
Einige Zahlen mögen einen Einblick in die Bedeutung des Innungswesens geben. Nach Zahlen des Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH) gibt es zur Zeit in Deutschland rund 844.000 Handwerksbetriebe mit rund 6,5 Mio. Beschäftigten. Die Zahl der Handwerksinnungen beläuft sich auf rund 7.000.
Ein gesetzlicher Anspruch auf Beitritt zur Innung ergibt sich aus der HwO. Selbstständige Handwerker sind nach § 58 HwO berechtigt, Mitglied der für sie regional zuständigen Innung zu werden. § 58 HwO lautet :
- Mitglied bei der Handwerksinnung kann jeder selbstständige Handwerker werden, der das Handwerk ausübt, für welches die Handwerksinnung gebildet ist. Die Handwerksinnung kann durch Satzung im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit bestimmen, dass Gewerbetreibende, die ein dem Handwerk, für welches die Handwerksinnung gebildet ist, fachlich oder wirtschaftlich nahestehendes handwerksähnliches Gewerbe ausüben, Mitglied der Handwerksinnung werden können.
- Übt ein selbstständiger Handwerker mehrere Handwerke aus, so kann er allen für diese Handwerke gebildeten Handwerksinnungen angehören.
- Einem selbstständigen Handwerker oder einem Gewerbetreibenden, der ein handwerksähnliches Gewerbe ausübt, das den gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften. entspricht, darf der Eintritt in die Handwerksinnung nicht versagt werden.
- Von der Erfüllung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Bedingungen kann zugunsten einzelner nicht abgesehen werden.
Voraussetzungen sind zunächst die Eigenschaft als „selbstständiger Handwerker“ sowie die Ausübung des entsprechenden Handwerks. Wichtig ist dabei, dass der Anspruch auf Mitgliedschaft nur in Bezug auf die fachlich und örtlich zuständige Innung besteht. So kann etwa ein Malermeister nicht Mitglied einer Bäcker-Innung werden, weil ihm vielleicht das Dienstleistungsangebot dort besser gefällt. Auch kann ein Bäckermeister aus Kiel beispielsweise nicht Mitglied der Bäcker-Innung München werden (Regionalprinzip). Dieses Regionalprinzip ist zur Zeit allerdings in der Diskussion und soll möglicherweise modifiziert werden. Derzeit ist es aber geltendes Recht.
Vereinzelt besteht in den Innungen keine Neigung, einzelne Mitbewerber mit in die Innung aufzunehmen. Gründe hierfür können beispielsweise persönlicher Art sein. Auch bestehen in Einzelfällen Vorbehalte dagegen, große Betriebe, die möglicherweise im Grenzbereich zwischen Handwerk und Industrie angesiedelt sind, in die Innung aufzunehmen. Wenn die Voraussetzungen des § 58 HwO vorliegen, hat die Beschreitung des Rechtsweges gegen die Ablehnung des Aufnahmeantrages aber Erfolg.
Das Interesse, Mitglied einer Handwerksinnung zu sein, ist vielfältiger Natur. Die Innungen bieten ihren Mitgliedern neben einer ausgeprägten Interessenvertretung eine ganze Reihe von greifbaren Vorteilen. Hierzu gehören unter anderem branchenspezifische Rechtsberatung und aktive Öffentlichkeitsarbeit. Gebühren für die Abnahme von Zwischen- und Gesellenprüfungen sind für Innungsmitglieder in der Regel geringer als für Nicht-Innungsmitglieder. Im Falle des Vorliegens von Tarifverträgen, die die Innung oder die dahinterstehenden Landesinnungsverbände und Bundesverbände abgeschlossen haben, kann die Innungsmitgliedschaft zur Abwehr von Haustarifverträgen sinnvoll sein. Schließlich ist die Mitgliedschaft in einer Innung bei den Verbrauchern positiv besetzt, so dass die Innungsmitgliedschaft auch werbewirksam eingesetzt werden kann. Es gibt daher eine ganze Reihe von Gründen dafür, sich für die Mitgliedschaft in der Innung zu interessieren und diese gegebenenfalls auch durchzusetzen.