Verbändereport AUSGABE 7 / 2005

Auf Linie gebracht

Praxisbeispiel: Integrierte Verbandssoftware

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Seit fast 150 Jahren liegt die Stärke des Genossenschaftsverbandes Norddeutschland e.V. (GVN) in der Solidarität und dem gemeinsamen Handeln seiner Mitglieder. Die enge Kooperation hilft, im verschärften Wettbewerb zu bestehen und neue Märkte zu erschließen. Ein Prinzip, das sich inzwischen auch in der IT-Struktur widerspiegelt: Mit Hilfe einer integrierten Verbandsoftware stellte der GVN seine einzelnen Bereiche auf eine gemeinsame Basis. Seitdem sinken Arbeitsaufwand und Betriebskosten.

„Gemeinsam erreichen, was einer allein nicht schaffen kann“ – so könnte das Motto des Genossenschaftsverbandes Norddeutschland e.V. (GVN) mit Sitz in Hannover lauten. Der GVN ist flächenmäßig der größte deutsche Genossenschaftsverband. Zu seinem Einzugsgebiet zählen insgesamt acht Bundesländer (Nieder-sachsen, Hamburg, Bremen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Berlin und Brandenburg). Die rund 600 Mitarbeiter betreuen an vier Standorten etwa 1.350 Mitgliedsgenossenschaften. „Hierzu gehört die Agrar-Genossenschaft in Mecklenburg ebenso wie die Malereinkaufsgenossenschaft in Hamburg oder die Volksbanken und Raiff-eisenbanken“, verrät Burkhard Kaufhold, IT-Leiter beim GVN.

Seinen Mitgliedern bietet der Verband ein breites Spektrum unterschiedlicher Dienstleistungen, wie Bildungsangebote, Consulting, Rechts- und Steuerberatung. Eines der Hauptaufgabengebiete ist die Wirtschaftsprüfung der angeschlossenen Genossenschaften. Die 250 Prüfer des GVN bewältigen jährlich ein Volumen von etwa 1.500 Prüfungsaufträgen. Zudem zählt die betriebswirtschaftliche Beratung zu den zentralen Aufgabenfeldern. Das Know-how des GVN reicht dabei von Existenzgründung bis zum Risiko- und Kreditmanagement der Genossenschaftsbanken. Abgesehen davon betreibt der Verband an drei Standorten regionale „GenoAkademien“ mit angeschlossenen Hotelbetrieben und einem vielfältigen Bildungsangebot.

Von der Insel zur integrierten Verbandssoftware

Die Vielzahl der unterschiedlichen Aufgabengebiete spiegelte sich auch in der IT-Struktur des GVN wider. In Kernbereichen wie Reisekostenabrechnung, Finanzbuchhaltung oder CRM arbeitete der Verband bislang mit verschiedenen Einzellösungen, die über Schnittstellen miteinander verbunden waren. Vor allem die fehlende Homogenität machte sich dabei negativ bemerkbar.

„Wenn beispielsweise ein Teilnehmer früher abreist oder einen Lehrgang absagt, mussten unsere Mitarbeiter den Vorgang in Seminarverwaltung, Hotelverwaltung, Faktura und Finanzbuchhaltung manuell stornieren. Der gleiche Aufwand war dann noch einmal bei der Abrechnung des Ausfalls erforderlich“, erinnert sich IT-Leiter Kaufhold an die zeitintensiven Abläufe. Auch die mangelnde Transparenz des Systems war problematisch: Da es keine gemeinsame Datenbasis gab, mussten viele Berichte in mühevoller Handarbeit zusammengestellt werden. Die ersten Bemühungen, die einzelnen Unternehmensbereiche auf eine gemeinsame Datenbank zu stellen, brachten nicht die erhofften Resultate. „Es blieben Einzelanwendungen mit unterschiedlichen Stammdatenstrukturen.

An den Nachteilen der Schnittstellen hatte sich nicht geändert“, analysiert Burk-hard Kaufhold die damalige Situation. Anfang 2003 entschloss sich der GVN, die vorhandenen Einzellösungen Schritt für Schritt auf eine integrierte Verbandsoftware umzustellen. „Für eine Organisation unserer Größe gibt es allerdings keine großen Alternativen. Die von der GOB entwickelte Software unitop Verband war die einzige Software, die auf mittelständische Verbände zugeschnitten ist und ohne Zusatzprogramme auskommt“, bringt der IT-Leiter den Auswahlprozess auf den Punkt. Die Branchenlösung des Krefelder Systemhauses basiert auf der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware Microsoft Navision. Ein gemeinsamer Workshop im Frühjahr 2003 ergab, dass 50 – 70 Prozent des Bedarfs mit Standardfunktionen abgedeckt werden konnte. „Angesichts der Vielfalt unserer Aufgaben und Anforderungen ist das ein sehr hoher Wert“, stellt Burkhard Kaufhold klar.

Schrittweise Implementierung

Der Startschuss für die Implementierung fiel im Herbst 2003. Bis zum Jahreswechsel, so das ambitionierte Ziel, sollten Finanzbuchhaltung und Seminarverwaltung mit der neuen Software arbeiten. „In der Seminarverwaltung hatten wir eine veraltete Lösung auf Basis von FoxPro eingesetzt. Hier war der Leidensdruck besonders groß“, skizziert Kaufhold die Präferenzen. Um die Arbeit des Projektteams besser koordinieren zu können, richtete der GVN ein Projektbüro ein, das als Stabsstelle dem Vorstand zugeordnet ist. „Ein so großes Projekt lässt sich nicht nebenher betreuen“, betont IT-Leiter Kaufhold. Dass die Entscheidung richtig war, zeigt die kurze Einführungszeit. Pünktlich zum Jahreswechsel 2003/2004 starteten Finanzbuchhaltung und Seminarverwaltung. Inzwischen sind Beitrags- und Auftragsabrechnung sowie eine Aktenverwaltung für die Rechtsabteilung hinzugekommen. Die positive Resonanz der Mitarbeiter ist für Burkhard Kaufhold keine große Überraschung: „Schließlich haben wir alle begründeten Sonderwünsche ohne Wenn und Aber erfüllt.“

Betriebskosten sinken um ein Drittel

Heute fließen die Daten ohne Schnittstellen problemlos zwischen Seminarverwaltung und Finanzbuchhaltung. Der manuelle Aufwand und die Zahl potenzieller Fehlerquellen konnten deutlich reduziert werden. „Mit unitop Verband sind wir näher am tatsächlichen Geschehen. Unsere Mitarbeiter müssen keine Felder zweckentfremden oder Bemerkungslisten schreiben, um Informationen zu einzelnen Geschäftsvorgängen zu sammeln. Die Qualität der Stammdaten hat sich dadurch spürbar verbessert“, benennt Burkhard Kaufhold die Vorteile der neuen Verbandssoftware. Selbst alltägliche Arbeiten habe unitop Verband entscheidend vereinfacht. So würden sich beispielsweise heute Einladungen inklusive aller Anlagen in einem Schritt drucken lassen. Früher habe man die einzelnen Papiere hingegen manuell zusammengestellt.

Die dadurch eingesparte Arbeitszeit investierte der GVN in den Ausbau des Managementinformationssystems. „Wir konnten die Detailtiefe unserer Kostenrechnung um mehrere Stufen erhöhen, ohne dass hierfür Neueinstellungen erforderlich waren.“, so Kaufhold. Gleichzeitig verbesserte sich die Informationslage der Verbandsführung. Erlösübersichten oder Umsatzauswertungen einzelner Veranstaltungsorte, die früher auf Anforderung manuell erstellt werden mussten, stehen jetzt abrufbereit zur Verfügung. Zieht man Rationalisierungseffekte sowie eingesparte Wartungs- und Pflegeaufwendungen zusammen, liegen – nach Einschätzung des IT-Leiters – die Betriebskosten der neuen Software im Vergleich zum Altsystem um rund ein Drittel niedriger.

Zukunftsorientierter Ausbau

Bis das vorläufige Projektende erreicht ist, kommen allerdings noch einige Funktionen hinzu. „Wir testen momentan mehrere Zusatzmodule, die im Laufe der nächsten Wochen und Monate freigeschaltet werden“, blickt der IT-Leiter nach vorn. Hierzu gehört beispielsweise die Anbindung an die E-Learning-Plattform der Volksbanken und Raiffeisenbanken: Bevor Teilnehmer freien Zugang zu den Lehrangeboten bekommen, findet dann ein Datenabgleich statt. Ebenfalls im Probebetrieb ist die mobile Datenerfassung für Reisekosten, Aufträge und Arbeitszeiten. Künftig können damit Daten offline eingegeben und später synchronisiert werden. Die Hotelverwaltung für den Übernachtungs- und Gastronomiebetrieb ist der dritte Bereich, der in Kürze an den Start gehen wird. Ab Januar 2006 stehen dann die Einführung des CRM-Moduls und die Anbindung des Archivsystems Easy Archiv auf dem Implementierungsplan.

Die Technik im Überblick

Derzeit sind rund 60 Arbeitsplätze in der Verbandszentrale und weitere 30 in den Geschäftsstellen angebunden. Zum Projektende werden es rund 500 Arbeitsplätze sein. Die regionalen Zweigstellen greifen über Standleitungen via CITRIX-Terminalserver auf die Unternehmensdaten zu. Die Verbandssoftware läuft auf der Datenbank Microsoft SQL Server. Hardwareseitig sorgen zwei Server für Ausfallsicherheit. Ein SAN-Storage-System sowie eine ArcServe-Bandsicherung bilden das Netz mit doppeltem Boden. Die Software besteht derzeit aus den Modulen Seminar- und Mitgliederverwaltung. Die Hotelverwaltung wird die Verbandssoftware in Kürze komplettieren. Kaufmännische Funktionen wie Auftragsbearbeitung, Finanzbuchhaltung oder Anlagenbuchhaltung stellt die betriebswirtschaftliche Standardsoftware Microsoft Navision. Schnittstellen bestehen zu Lotus Notes, dem Reporting-Tool Corporate Planner und einigen Altsystemen auf Basis von Oracle, die nach und nach abgelöst werden. (WL)

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