Verbändereport AUSGABE 5 / 2002

Der souveräne Auftritt in der Öffentlichkeit

Tipps für Statement und Interview vor Mikrofon und Kamera

Logo Verbaendereport

Viele Führungskräfte zögern, Statements und Interviews zu geben oder sich auf öffentliche Diskussionen einzulassen. Nicht aus Schüchternheit - sondern weil ihnen die Welt der Medien und ihre Spielregeln fremd sind. Diese PR-Werkstatt hilft Ihnen, bei Auftritten vor Mikrofon und Kamera so zu wirken, wie Sie als Führungspersönlichkeit wirken sollten: kompetent, offen und verantwortlich.

„Entscheidend ist nicht, ob jemand etwas getan hat, sondern ob man es ihm zutraut“, hat Kurt Tucholsky einmal geschrieben. Das ist der Kern dessen, was wir heute mit Imagebildung und -pflege umschreiben. Politiker und Unternehmer haben längst erkannt, dass die Sympathie und das Vertrauen, das ihnen Wähler, Kunden und die Öffentlichkeit entgegenbringen ebenso wichtig sind, wie ihre Leistung und die Qualität ihrer Produkte. Kürzlich bescheinigte das Bonner Institut für Medienanalyse nur rund einem Fünftel der deutschen Manager eine positive Medienwirkung. Ein Viertel kämpft sogar mit einem Negativimage und mehr als die Hälfte bleibt laut Studie ohne Image-Wirkung. Für Unternehmer, Manager und Funktionäre heist das: Ran an die Öffentlichkeit und rein in die Medien - dorthin eben, wo sich der Kampf ums Image entscheidet.

Eine rhetorische Schulung hilft, bei Medienkontakten Punkte zu sammeln. Doch zeigt die Analyse zahlreicher Interview-Situationen, dass es in den meisten Fällen genügt, einige Grundregeln für das Auftreten und die Argumentation zu beachten. Ebenso zeigt sich: Ob Sie das Mediengespräch später als Erfolg für Ihre Öffentlichkeitsarbeit oder als peinliche Darbietung verbuchen dürfen, entscheidet sich zum größten Teil bereits im Vorfeld. Ihr Gesprächspartner beim Hörfunk oder beim Fernsehen bereitet sich gründlich vor und wird dabei von einer oft vielköpfigen Redaktion unterstützt. Gehen Sie das Gespräch ebenso professionell an. Mal eben ein Interview geben – diese Haltung ist heute leichtsinnig.

Formen des öffentlichen Auftritts:

Pressegespräch

Sie haben Medienvertreter eingeladen, werden angerufen oder bei öffentlichen Anlässen angesprochen. Was immer Sie Journalisten erzählen: es kann veröffentlicht werden.

Telefoninterview

Redakteure aller Medien rufen Sie an. Sei es um allgemeine Informationen zu sammeln, sei es um gerade Ihre Meinung zu einer bestimmten Frage zu hören. Was Sie sagen, kann als Zitat oder in wörtlicher Rede veröffentlicht werden. Radio-Journalisten können das Gespräch aufzeichnen und ganz oder teilweise in einen Beitrag einbauen. Häufig gehen Experten-Telefoninterviews auch live über den Sender.

Statement

Radio- oder Fernsehjournalisten bitten Sie um eine knappe Stellungnahme zu einem Thema. Fünf Sätze sind ausreichend. Das Statement wird in der Regel ganz oder teilweise in zwei- bis fünfminütige Beiträge eingebaut.

Auftritt als Studiogast

Sie sitzen oder stehen während einer Radio- oder Fernsehsendung im Studio und werden befragt. Je nach Format der Sendung sind weitere Studiogäste anwesend, wird das Gespräch durch Einspielfilme, Live-Schaltungen oder Zuschaueranrufe unterbrochen. Solche Sendungen können live gesendet oder aufgezeichnet werden.

Live-Schaltung

Sie werden in ein Radio- oder Fernsehstudio in der Nähe ihres Wohn- oder Dienstortes gebeten und von dort in ein entferntes Studio zugeschaltet. Nachteil: Sie haben nur das Mikrofon bzw. die Kamera als Gegenüber.

Talkshow

Diese Form des Auftritts wirkt am leichtesten, gehört aber zu den schwierigsten. Hier geht es darum in einer Mischung zwischen Plauderei und Diskussion zu bestehen und die eigene Position deutlich zu machen. Sie können der einzige Talk-Gast sein, sind aber in der Regel einer von mehreren, die nacheinander oder gleichzeitig zu Wort kommen.

Podiumsdiskussion

Die Königsdisziplin des öffentlichen Auftritts. Das Podium ist meist mit Vertretern gegensätzlicher Positionen besetzt, das Thema aktuell und kontrovers. Der Disput sollte kompetent moderiert werden - eine Garantie dafür gibt es nicht. Gesprächspartner sind nicht nur die Experten auf dem Podium, sondern auch der Moderator und das Publikum. Oft sitzen auch Medienvertreter im Parkett.

Die Vorbereitung: Gründlich und mit Weitblick

Betrachten Sie die Bitte um ein Statement, die Einladung zu einem Interview oder einer Podiumsdiskussion grundsätzlich als Chance für Ihren Verband. Hier können Sie Ihren Standpunkt direkt und weitgehend ungefiltert vertreten. Das bedeutet jedoch nicht, bei jeder Anfrage spontan zuzusagen. Erfragen Sie neben dem Thema, dem Ziel und der Länge des Interviews immer auch den Titel der Sendung, Sendetermin, Moderator/in und die geplanten Themen. Nehmen Sie sich dann ein paar Stunden Bedenkzeit und prüfen Sie:

·         Bietet die Sendung überhaupt ein Umfeld für die Ziele und Positionen Ihres Verbandes?

·         Welches sind die Zielgruppen der Sendung?

·         Wie sind Redaktion und Moderator/in ausgerichtet? Gibt es Eigenarten oder Marotten?

·         Ist Ihr Verband tatsächlich der richtige Ansprechpartner?

·         Sind Sie in Ihrem Verband der richtige Gesprächspartner?

·         Sind Sie mit dem Gesprächsthema wirklich vertraut?

·         Haben Sie genügend Zeit, sich vorzubereiten?

Wenn Sie das Gespräch zugesagt haben, geht es um die inhaltliche Vorbereitung. Aktuelle Zahlen und Fakten zu beschaffen, dürfte nicht schwer sein. Tatsache ist aber, dass Sachfragen meist nicht mehr als ein Fünftel des Interviews ausmachen. Journalisten sind Geschichtenerzähler, die ihr Publikum nicht nur informieren, sondern auch unterhalten wollen und müssen. Und nichts ist unterhaltsamer, als Menschen, die mit Behauptungen, anderen Meinungen und Vorwürfen konfrontiert werden.

Beschäftigen Sie sich deshalb jetzt mit folgenden Fragen:

·         Wie haben unterschiedliche Medien in letzter Zeit über das Thema berichtet?

·         Wie denkt der Mann auf der Straße zu diesem Thema? Was schreibt „Bild“?

·         Wie lauten die Argumente der Kritiker Ihres Verbandes oder Ihrer Positionen?

·         Welche Kritiker oder Experten könnte Ihr Gesprächspartner ins Spiel bringen?

·         Wie plausibel sind Ihre Argumente? Haben Sie sie an Laien getestet?

·         Welche Fragen sind Ihnen am unangenehmsten? Wie reagieren Sie darauf?

Nach dieser Vorbereitungsphase haben Sie bereits die größten Brocken aus dem Weg geräumt. Kritische Fragen können Sie jetzt inhaltlich jederzeit parieren. Doch selbst dann, wenn Sie perfekt reagieren und sich keine Blöße geben, wird Ihr Auftritt beim Zuhörer oder Zuschauer noch keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Was Ihnen Punkte bringt, sind ganz persönliche, sicher vorgetragene und sympathisch vertretene Positionen. Dazu benötigen Sie eine Taktik.

Klären Sie jetzt:

·         Welche Botschaft(en) wollen Sie unbedingt vermitteln?

·         Welche thematischen Aufhänger eignen sich, um auf die Botschaft hinzuführen?

·         Mit welchen Argumenten befinden Sie sich mit der Zielgruppe der Sendung auf einer Linie?

·         Welche Taktik hat Ihr Gesprächspartner in früheren Sendungen verfolgt?

·         Bei welchen Gegenargumenten zeigen Sie sich kompromissbereit, bei welchen nicht?

·         Wie reagieren Sie auf emotionale oder unsachliche Angriffe gegen Ihren Verband oder Ihre Person?

 

Haben Sie sich alle Fragen vor Ihrem Gespräch beantwortet, können Sie sich kurz vor und während des Interviews ganz auf Ihre Taktik und Wirkung konzentrieren. Weil Sie wissen, dass keine kritische oder unsachliche Frage Sie aus dem Konzept bringen kann.

Der Auftritt: Konzentriert und zielgerichtet

Ob das Interview bei ihnen im Büro oder im Fernsehstudio stattfindet, immer gilt: Was Sie in der Gegenwart von Mikrofon und Kamera sagen oder tun, kann gesendet werden. Verlassen Sie sich also nicht auf das rote Licht oder ein „Jetzt geht’s los-Zeichen“. Aber keine Panik. Solange keine Aufzeichnungstechnik aufgebaut ist, sollten Sie sogar sprechen. Plaudern Sie mit dem Interviewer, bieten oder nehmen Sie Getränke an. So schaffen Sie eine entspannte Atmosphäre. Sobald Sie ein Mikrofon angesteckt bekommen oder erblicken, verfolgen Sie ausschließlich Ihre Taktik. Denken Sie daran: Auch wenn andere sprechen, kann die Kamera auf Sie gerichtet sein. Und erst, wenn weder Mikrofon noch Kamera zu sehen sind, können Sie tatsächlich off-the-record sprechen. So mancher vermeintlich ohne weitere Zuhörer dahingesagte Satz lieferte dem Journalisten später einen brisanten Aufhänger.

Outfit

Bei der Kleidung gibt es nur wenige Regeln. Treten Sie in Ihren gewohnten Geschäfts-Outfit auf, machen Sie sich nicht extra fein. Entscheidend für die Wahl der Kleidung sind die Erwartungen Ihrer Zielgruppe. Findet der Medien-Termin bei Ihnen oder in einem Unternehmen statt, kann ein Interview im Hemd oder gar mit hochgekrempelten Ärmeln Dynamik vermitteln. Ein Tipp zur Auswahl von Hemd, Sakko und Krawatte: Zu klein gemusterte oder gestreifte Stoffe flimmern auf dem Bildschirm. Tief schwarze und einfarbig rote lassen die Konturen verschwimmen, während hellweiße das Licht stark reflektieren. Wenn Sie sich im Sitzen auf den hinteren Saum des Jacketts setzen, vermeiden Sie den abstehenden Kragen. Kniestümpfe verhindern, dass beim Übereinanderschlagen der Beine nackte Haut zu sehen ist. Kameraleute lieben solche Details für Nahaufnahmen ebenso wie protzige Uhren, Ringe oder notdürftig zugekämmte Barhäupter.

Gestik, Mimik und Blickrichtung

Versuchen Sie, Ihre Hände zu vergessen. Die wenigsten Menschen haben eine unnatürliche Gestik. Tabu sind nur Hände in der Hosentasche. Am besten halten Sie die Hände zu Beginn des Gesprächs in Bauchhöhe. Orientieren Sie sich beim Sprechen immer zum Interviewer, nie zur Kamera. Der Blick in die Kamera statt zum fragenden Journalisten wirkt für den Zuschauer irritierend. Ebenso unüblich ist es, den Zuschauer direkt anzusprechen. Das Publikum ist immer nur Beobachter eines Gesprächs, nie aktiver Teilnehmer. Grundsätzlich gilt: Lächeln macht sympathisch. Grinsen fast nie. Und was, wenn Sie sich verhaspeln oder den Faden verlieren? Keine Angst. So etwas wirkt natürlicher und authentischer als ein zu glattes und perfektes Auftreten. Gehen Sie lächelnd über Pannen hinweg oder sprechen Sie darüber, was ihnen gerade passiert.

Sprache und Stimme

Auch wenn Ihr Gesprächspartner Druck machen sollte: Sprechen Sie langsam und in möglichst kurzen Sätzen; das vermittelt Souveränität und erleichtert dem Publikum das Zuhören. Vermeiden Sie Negativ-Formulierungen „Wir arbeiten an Lösungen“ klingt sympathischer als „Wir bekämpfen das Problem“. Viele Menschen neigen dazu, in Stress-Situationen in einer höheren Stimmlage zu sprechen. Hier helfen tiefes Durchatmen und das bewusste Lockern von Kiefer- und Zungenmuskulatur vor dem ersten Satz. Moderatoren machen Stimm- und Ausspracheübungen vor der Sendung übrigens genauso selbstverständlich, wie sich Sportler vor dem Wettkampf aufwärmen.

Argumentation

Selten wird Sie Ihr Interviewpartner länger als 30 Sekunden reden lassen. Das entspricht vier bis fünf deutlich gesprochenen Sätzen. Trainieren Sie also, Ihre wichtigsten Argumente in wenigen Sätzen aufzubauen. Wichtig: Die eigentliche oder stärkste Aussage muss am Schluss stehen - damit Sie beim Zuhörer hängen bleibt.

Bei heißen Themen: Lieber absichern

Grundsätzlich gilt: Die Zusammenarbeit mit Journalisten sollte offen und partnerschaftlich sein. Erleichtern Sie Ihrem Gegenüber den stressigen Job. Konsequent zurückhalten und absichern sollten Sie sich erst dann, wenn die kritische oder provozierende Absicht hinter einem Beitrag oder einem Interview von vornherein feststeht. Dann gilt:

·         Reden Sie nicht länger als nötig. Wird für einen Beitrag ein zweiminütiges Statement von Ihnen benötigt, sollten Sie sich nicht auf eine halbstündige Befragung einlassen. Mit jeden Satz wächst die Gefahr, unbeabsichtigt Meinungen oder Informationen preiszugeben.

·         Dokumentieren Sie das Gespräch. Lassen Sie ein Tonband oder eine Videokamera mitlaufen. TV-Profis wird das nicht stören. Es signalisiert aber, dass Sie sinnentstellende Schnitte oder Kürzungen nicht hinnehmen werden.

·         Bereiten Sie eine schriftliche Vereinbarung über die Verwendung Ihres Beitrags vor. Machen Sie darin jede Verwendung außer in der vereinbarten Sendung von Ihrer Zustimmung abhängig.

·         Bitten Sie um einen Mitschnitt des Interviews für Ihre Dokumentation.

So hilft Ihnen Ihr Vorzimmer bei einer Medienanfrage

Jeder Journalist hat das Recht, die Überrumpelung als Taktik einzusetzen. Und Sie haben das Recht, solchem unnötigen Druck aus dem Weg zu gehen. Am besten, Sie sorgen in Ihrem Verantwortungsbereich für Abläufe, die Ihnen bei Medienanfragen eine gewisse Vorbereitung erlauben - und wenn es nur eine Stunde ist.

Ihre Mitarbeiter sollten Journalisten nie direkt durchstellen, grundsätzlich aber einen Rückruf zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbaren. Bereits im ersten Gespräch sollten Ihre Mitarbeiter mit dem Anrufer klären:

·         Wer will Sie wann zu welchem Thema befragen?

·         Wo soll das Interview stattfinden?

·         In welcher Sendung und wann soll das Interview ausgestrahlt werden?

·         Soll das Gespräch live stattfinden oder ist eine Aufzeichnung geplant?

·         Name, Funktion und Telefonnummer des Anrufers

Artikel teilen:

Das könnte Sie auch interessieren: