Die Ursprünge des Gebäudereiniger-Handwerks lassen sich bis ins Mittelalter, zu den so genannten Häuserwäschern, zurückverfolgen, seine Interessensvertretung, der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV), feiert in diesem Jahr sein hundertjähriges Jubiläum. Die Dienstleistungen seiner Mitgliedsunternehmen sind äußerst vielfältig, die Berufsperspektiven auch in politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten attraktiv, Arbeitslosigkeit ist in der Branche ein Fremdwort. Nicht viel zu tun also für einen Verband?
Unterschätzte Branche
Mit rund 705.000 Mitarbeitern in über 6.000 Betrieben ist das Gebäudereiniger Handwerk das beschäftigungsintensivste Handwerk in Deutschland – rund zwei Prozent aller Arbeitnehmer sind hier beschäftigt. Und es könnten noch deutlich mehr sein, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen würden (siehe Interview Seite XX). Der BIV vertritt 2600 Betriebe, die allerdings etwa 90 Prozent des vergebenen Reinigungsmarktes in Deutschland abdecken.
Trotz dieser erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Branche wissen die wenigsten, welche Kompetenz sich hinter dem Beruf des Gebäudereinigers verbirgt und wie breit gefächert das Berufsbild ist. Moderne Technik, die Anwendung neuesten Reinigungs-Know-how und qualitativ hochwertige Handarbeit harmonieren perfekt miteinander. „In den letzten Jahren hat sich ein deutlicher Trend zur Diversifizierung der Leistungsangebote abgezeichnet, der das Gebäudereiniger Handwerk zu einem modernen Dienstleistungshandwerk, einem wichtigen Wirtschaftsfaktor und nicht zuletzt zu einem interessanten und sicheren Arbeitgeber macht“, so BIV Geschäftsführer Johannes Bungart.
Fehlende Lehrstellen sucht man in dieser Branche vergebens – im Gegenteil: viele zukunftsorientierte Ausbildungsplätze bleiben jedes Jahr unbesetzt. Das mag an mangelnden Kenntnissen über die Ausbildungsinhalte als auch an Vorbehalten gegenüber dem Beruf liegen. In jedem Fall ist es eine der vielen Aufgaben des BIV, Nachwuchskräfte für einen Beruf mit Zukunft zu begeistern.
Als Dienstleister für Dienstleister...
sieht sich der BIV in erster Linie. Seine Hauptaufgaben sind die Beratung der Mitglieder und die Information interessierter Dritter, wie zum Beispiel Journalisten. Als erster deutscher Verband überhaupt hat der BIV Im Jahr die Zertifizierung nach ISO 9001 erlangt und erhielt im Jahr 1999 den „Innovation Award“ der Deutschen Gesellschaft für Verbandsmanagement e.V. für vorbildliches Verbandsmanagement.
Neun Mitarbeiter stehen in der Geschäftsstelle von morgens bis abends Rede und Antwort. Ob Fragen zu handwerksrechtlichen Entwicklungen, brisanten politischen Entscheidungen, der Tarifpolitik, dem Bereich Technik und Betriebswirtschaft, der Öffentlichkeitsarbeit oder der Berufsbildung – der BIV hat für jede Fragestellung einen kompetenten Ansprechpartner. Als Service-Anbieter für ihre Mitglieder halten sich die BIV-Mitarbeiter permanent auf dem Laufenden, um den Anforderungen wechselnder Marktlagen und neuen Rahmenbedingungen gewappnet zu sein. Das tägliche Fragen-Gewitter in der Bonner Geschäftsstelle zeigt immer wieder, wie wichtig die Kompetenz des Verbands für die Mitgliedsunternehmen ist. Sei es, dass ein neuer Gesetzentwurf bekannt wird, eine Fernsehreportage das Thema Gebäudereinigung aufnimmt oder sich umfassende Reformen abzeichnen – die Einschätzung und Interpretation der BIV-Experten ist immer gefragt.
Politische Interessenvertretung
Eine der größten Herausforderungen für den BIV ist die Interessenvertretung in den politischen Zentren. So bleibt der BIV immer am Ball, um die gesetzlichen Entwicklungen in Deutschland aber auch in Europa zu verfolgen. Er kann schon dann aktiv werden, wenn sich in Brüssel oder Berlin übergreifende Gesetze oder Verordnungen abzeichnen oder die Bundesbehörden an neuen Erlassen arbeiten. Durch präzise Stellungnahmen, engagierte Gespräche und kompetente Argumentation vertritt der BIV hier die Interessen seiner Mitglieder. Darüber hinaus ist der BIV aktives Mitglied im europäischen Dachverband European Federation of Cleaning Industries (EFCI) sowie der World Federation of Building Service Contractors (WFBSC) und pflegt Kontakte zu Entscheidungsträgern in allen politischen Parteien. So können negative Entwicklungen frühzeitig erkannt und entscheidend beeinflusst werden. Durch Kontakte zu Politik, Presse und Verwaltung erfährt der BIV frühzeitig von den Plänen der Gesetzgeber und kann zielgerichtet reagieren, bevor die ersten Gesetzesparagraphen ins Plenum kommen.
Schützenhilfe im harten Wettbewerb
Neben der politischen Lobbyarbeit bietet der BIV seinen Mitgliedern eine Reihe von Serviceleistungen, die ihnen helfen, im hart umkämpften Markt erfolgreich zu sein. Grundsätzlich bezieht der BIV seine Mitgliedsbetriebe über alle Gremien in die Verbandsarbeit ein und nutzt so das erprobte praktische Fachwissen der Unternehmer. Dieses geballte Know-how wissen sowohl der Gesetzgeber als auch die Presse zu schätzen.
Wenn es um Themen wie Urlaub, Zuschlagsregelungen und Kündigungsfristen geht, sichert der BIV als starker Verhandlungspartner der IG Bauen- Agrar- Umwelt die Interessen der Betriebe des Gebäudereiniger Handwerks bei der Ausgestaltung der rahmentarifverträglichen Bedingungen für die gewerblichen Arbeitnehmer auf Bundesebene. Das sichert den sozialen Frieden und die Betriebe können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Im monatlich erscheinenden „Blickpunkt“ erfahren die Mitglieder alles Wesentliche über die Arbeit der Gremien und aktuelle Entwicklungen. Er ist das wichtigste Kommunikationsmittel des Verbands.
Die Aus- und Weiterbildung genießt im Verband einen hohen Stellenwert. Dazu gehören Seminare zu aktuellen und allgemeinen Themen genauso wie gezielte Trainingsangebote für Führungskräfte, zum Arbeitsrecht oder für Neueinsteiger in der Gebäudereinigung. Über Broschüren, Artikel, Fernsehauftritte und Unterstützung der Arbeitsämter wirbt der BIV gezielt um Nachwuchs. Auch das Gebäudereiniger Handwerk trägt eine große Verantwortung für den aktiven Umweltschutz. Deshalb bietet der BIV seinen Mitgliedern eine branchenspezifische Umweltberatung und Hilfestellung in individuellen Fällen.
Regionale Organisationen – das Fundament des BIV
Ohne den direkten Kontakt zur Basis funktioniert die beste Organisation nicht. Deshalb bilden auch die regionalen Innungen des BIV das Fundament, auf dem sich das gesamte Handwerk aufbaut. Sie vermitteln den Erfahrungsaustausch zwischen den Handwerksmeistern und sind die lokalen Anlaufstellen für die Anliegen der Mitglieder. Die regionalen Organisationen sind für die Zwischen- und Gesellenprüfung zuständig, ihre Beratungsleistungen sind den jeweiligen regionalen Anforderungen angepasst. Darüber hinaus versorgen sie die Arbeitsämter mit Infomaterial für Schulabgänger und stellen Kontakte zwischen interessierten Jugendlichen und den Ausbildungsbetrieben her.
Im Gegensatz zu den bundesweiten Rahmentarifverträgen werden die Lohntarifverträge regional von den Landesverbänden und Innungen mit der IG Bauen- Agrar- Umwelt ausgehandelt, so dass die regionalen wirtschaftlichen Situationen berücksichtigt werden können. Zurzeit gibt es 20 regionale Lohntarifbezirke im Gebäudereiniger-Handwerk.
Eine entscheidende Rolle spielen die Basisorganisationen, wenn es um die Privatisierung von Dienstleistungen geht. Sie appellieren mit Kostenvergleichen an die öffentliche Hand, die Reinigungsdienstleistungen in öffentlichen Gebäuden konsequenter zu privatisieren. Sie erhalten hierbei auch personelle Unterstützung von der Geschäftsstelle. Kommunen, die von der Fremdvergabe überzeugt sind, erhalten von den regionalen Organisationen Anschriften qualifizierter Meisterbetriebe, Sachverständigen und Gutachtern. Schließlich beraten die Landesverbände in Rechtsfragen, sorgen für eine einheitliche Ausbildung der Lehrlinge und kämpfen für einen fairen Wettbewerb im Reinigungsmarkt.
Neue Märkte als Zukunftschance
Viele Betriebe des Gebäudereiniger-Handwerks bieten heute bereits neben ihren klassischen Tätigkeitsfeldern sämtliche Dienstleistungen in und an Gebäuden an. Mit Innovationskraft und viel unternehmerischer Kreativität erweitern sie ihre Leistungsspektren, öffnen sich damit neue Märkte und stellen sich so den sich schnell ändernden Herausforderungen des Marktes. Ein Blick auf die Marktsituation zeigt, warum diese Flexibilität existentiell ist. Die Mitgliedsbetriebe des BIV decken 90 Prozent des vergebenen Reinigungsmarktes in Deutschland ab. Dabei ist die Unterhaltsreinigung bereits zu 79 Prozent, die Fenster- und Glasreinigung zu 92 Prozent ausgelagert. Deshalb gehören heute Dienstleistungen wie Catering-Services, Hol- und Bringdienste, Hausmeisterdienste, Parkraumüberwachung, Kantinenbewirtschaftung, Grünflächenpflege und Winterdienst bereits zu den selbstverständlichen Standardangeboten vieler Gebäudereiniger.
Noch viel versprechender und eine logisches Konsequenz ist es für Gebäudereiniger, auch den Markt des Gebäudemanagements zu erobern. Hier gibt es einen riesigen Handlungsbedarf. Knappe Kassen zwingen viele Kommunen und Einrichtungen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und periphere Aufgaben an externe Dienstleister zu vergeben. Nach einem Kienbaum-Gutachten liegen die Einsparmöglichkeiten im kommunalen Bereich bei der konsequenten Vergabe der klassischen Reinigungsleistungen allein bei rund 1 Milliarde Euro pro Jahr. Das lässt Rückschlüsse auf das Einsparpotential im Bereich des gesamten technischen, infrastrukturellen und kaufmännischen Gebäudemanagements zu. Das Gebäudereiniger-Handwerk bietet sich hier zunehmend als kompetenter Partner an. Sicherlich bedeutet dies einen grundlegenden Wandel des Berufsbildes.