Verbändereport AUSGABE 6 / 2009

Die arbeitsrechtliche Stellung des Verbandsgeschäftsführers

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Nicht überall wo Geschäftsführer draufsteht, ist auch Geschäftsführer drin – so könnte man eine häufig verwendete Redewendung ummünzen, wenn es um die arbeitsrechtliche Stellung des Verbandsgeschäftsführers geht. Ist er Geschäftsführer im engeren Sinne, das heißt Organvertreter, oder ist er „nur“ Titulargeschäftsführer, also jemand, der den Titel trägt, im Ergebnis aber arbeitsrechtlich betrachtet Arbeitnehmer ist?

Begrifflichkeiten

Organvertreter ist, wer als Vertretungsorgan juristischer Personen fungiert. Als Verbandsgeschäftsführer kommt als juristische Person in erster Linie der eingetragene Verein, der e.V., eingetragen im Vereinsregister, in Betracht. Soweit Servicegesellschaften eines Verbandes in der Rechtsform einer GmbH geführt werden, kann der Verbandsgeschäftsführer ggf. auch Vertretungsorgan der im Handelsregister eingetragenen GmbH sein.

Juristische Personen wie ein eingetragener Verein oder eine GmbH sind rein formalrechtliche Gebilde. Sie benötigen natürliche Personen, um handlungsfähig zu sein. Vor diesem Hintergrund sehen die einschlägigen gesetzlichen Regelungen – beispielsweise für den eingetragenen Verein oder für die GmbH – jeweils Vertretungsorgane vor, durch die der Verein oder die GmbH nach außen vertreten wird. Sie sind die Adressaten sämtlicher Rechtspflichten der vertretenen juristischen Personen. Im Regelfall führen sie die Geschäfte auch nach innen, sie haben also die Aufgabe, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Geschicke der juristischen Personen zu lenken. Begründet wird die Organstellung durch Bestellung oder durch Wahl.

Bereits an dieser Stelle wird der Hauptunterschied zwischen Organvertretern und Arbeitnehmern offensichtlich. Der Organvertreter bekleidet eine gesetzlich geregelte Funktion. Anders ausgedrückt: Die vertretene juristische Person – im Verbandswesen üblicherweise der eingetragene Verein – handelt nach innen und außen durch den Organvertreter. Arbeitnehmer – egal ob man sie als AT-Angestellte, AT-Führungskraft oder als leitende Angestellte bezeichnet – unterscheiden sich vom Organvertreter dadurch, dass sie eben keine Organstellung innehaben, also den Verband gesetzlich nicht nach innen und außen vertreten. Gleichwohl können sie die Aufgabe haben, nach innen wirkend die rechtlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Geschicke des eingetragenen Vereins, des Verbandes, verantwortlich zu lenken. Im Rechtsverkehr nach außen vertreten sie den Verband jedoch nicht.

Verbandsgeschäftsführer als Organvertreter

Ein Verbandsgeschäftsführer ist immer dann Organvertreter, wenn er zugleich gewähltes Vorstandsmitglied des Vereins, des Verbandes ist. Nach außen, im Rechtsverkehr, wird dies offenbart, wenn er im Vereinsregister als Vorstandsmitglied eingetragen ist. Dies ist regelmäßig bei sogenannten geschäftsführenden Vorstandsmitgliedern der Fall. Geschäftsführende Vorstandsmitglieder sind im Regelfall hauptamtlich für den Verband tätig, während die nicht geschäftsführenden Vorstandsmitglieder ihre Vorstandstätigkeit ehrenamtlich ausführen. Hinsichtlich der Haftung bestehen vom Grundsatz her keine Unterschiede zwischen hauptamtlich und ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitgliedern, jedoch sollen die Details der Haftung an dieser Stelle ausgeblendet werden zugunsten einer arbeitsrechtlichen Betrachtung. Herrscht bei der rechtlichen Einordnung der Organebene allgemein Einigkeit, stellt sich das Bild bei der rechtlichen Einordnung der Anstellungs- oder Vertragsebene anders dar. Hier kommt es wie immer auf den Einzelfall an. Das Vertragsverhältnis von Organvertretern ist im Regelfall ein freies Dienstverhältnis, es kann allenfalls in Ausnahmefällen als Arbeitsverhältnis eingeordnet werden. Der Regelfall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Organvertreter im Zuge seiner Bestellung, seiner Wahl einen gesonderten Organ-Dienstvertrag abschließt. Dieser wird als freies Dienstverhältnis und nicht als Arbeitsverhältnis angesehen. Die unterschiedlichsten Begründungen, die hierzu gegeben werden, laufen regelmäßig auf das Argument hinaus, dass derjenige, der einen Verband rechtlich nach innen und außen vertritt, arbeitsrechtlich nicht weisungsabhängig sein kann, sodass ein Verbandsgeschäftsführer, der zugleich Organvertreter ist, in keinem Fall Arbeitnehmer des Verbandes sein kann. Im Fehlen der persönlichen Abhängigkeit von Organvertretern wird der wesentliche Grund für die Annahme eines freien Dienstverhältnisses gesehen. Soweit vereinzelt die Ansicht vertreten wird, der Organvertreter könne zugleich Arbeitnehmer im Rechtssinne sein, so ist dem entgegenzuhalten, dass es gerade funktional nicht denkbar ist, dass der Organvertreter einen Verband und damit den Arbeitgeber im Rechtsverkehr vertritt und gleichzeitig sein eigener Arbeitnehmer ist. Richtigerweise muss daher davon ausgegangen werden, dass Organvertreter keinen Arbeitnehmerstatus innehaben.

Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften auf Organ­vertreter

Auch wenn das Vertragsverhältnis von Organvertretern in der Regel als freies Dienstverhältnis einzuordnen ist, so schließt dies nicht aus, dass eine analoge Anwendung einzelner arbeitsrechtlicher Bestimmungen in Betracht kommt. Dies gilt insbesondere für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, für verlängerte Kündigungsfristen, für den Anspruch auf Zeugniserteilung und für die Anwendung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung. Allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz kommt für Organvertreter nur in wenigen Ausnahmekonstellationen in Betracht. Dies folgt unmittelbar aus dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), wo in § 14 Abs. 1 Nr. 1 geregelt ist, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht beziehungsweise nur eingeschränkt für Organvertreter Anwendung findet. Hinzu kommt, dass die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Die Regelungen im Kündigungsschutzgesetz beziehen sich nur auf Kündigungen, die gegenüber einem Arbeitnehmer ausgesprochen werden. Wie oben gesehen, ist der Organvertreter aber kein Arbeitnehmer. Dies führt im Ergebnis dazu, dass das Kündigungsschutzgesetz unabhängig von der zuvor erwähnten Regelung in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keine Anwendung findet, da kein Arbeitsverhältnis vorliegt.

Rechtsweg zu den Arbeits­gerichten oder zu den Zivil­gerichten?

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) nur für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern eröffnet. Wer als Arbeitnehmer anzusehen ist, regelt § 5 ArbGG. Dabei findet auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG der allgemeine arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff auch bei der Rechtswegprüfung Anwendung. Bezogen auf Organvertreter regelt § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG eine Ausnahme von erheblicher praktischer Bedeutung. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag gelten Personen nicht als Arbeitnehmer, die zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind. Dies bedeutet im Ergebnis, dass Organmitgliedern der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist. Vielmehr müssen sie sich auf die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit verweisen lassen, das bedeutet, Rechtsstreitigkeiten sind beim zuständigen Landgericht zu führen. Das Arbeitsgericht kann ausnahmsweise zuständig sein, wenn die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gemäß § 2 Abs. 4 ArbGG vereinbart wurde. Dies kann im Dienstvertrag geregelt werden, eventuell aber auch in der Satzung des Verbandes. Eine derartige Vereinbarung im Sinne von § 2 Abs. 4 ArbGG kann auch für den einzelnen Streitfall abgeschlossen werden und sie kann auch durch rügelose Einlassung der Beklagten begründet werden. In der Praxis kommt die Vereinbarung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts selten vor. Als Verbandsgeschäftsführer hat man jedoch regelmäßig Einfluss auf die Inhalte des Vertrages, sodass hier durchaus eine realistische Möglichkeit besteht, die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts zu vereinbaren. Der Vorteil liegt auf der Hand. Rechtsstreitigkeiten vor den Arbeitsgerichten sind kostengünstiger. Im Falle des Unterliegens trägt man neben den Gerichtskos-ten nur die eigenen Kosten, nicht aber die gegnerischen, so wie dies bei einem Rechtsstreit vor dem Landgericht der Fall ist. Hinzu kommt, dass man sich vor dem Arbeitsgericht auch selbst vertreten kann, während vor den Landgerichten Anwaltszwang besteht. Diese Möglichkeit ist bei einem Verbandsgeschäftsführer zwar nicht allzu fernliegend, denn häufig verfügt dieser über arbeitsrechtliche Kenntnisse, wenngleich es wohlüberlegt sein will, ob es sinnvoll ist, sich in eigenen Sachen zu vertreten. Die Hinzuziehung eines Anwalts oder eines Verbandsvertreters ist grundsätzlich anzuraten. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte führt jedoch nicht dazu, dass der Verbandsgeschäftsführer, der als geschäftsführendes Vorstandsmitglied fungiert, Kündigungsschutz im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes genießt. Denn er steht ja – wie oben dargestellt – außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes. Er kann sich also nicht darauf berufen, dass es im Falle einer Kündigung betriebsbedingter, personenbedingter oder verhaltensbedingter Gründe bedarf. Die kündigungsschutzrechtliche Position ist damit sehr eingeschränkt. Natürlich gelten für ihn die vereinbarten Kündigungsfristen und Kündigungen können auch an Formvorschriften scheitern, beispielsweise an der fehlenden Schriftform. Das Kündigungsschreiben muss dem zu Kündigenden im Original zugehen, eine Kündigung per SMS, Mail oder Fax ist nicht möglich. Wird es nicht persönlich übergeben, kann der Zugang fehlerhaft sein, zum Beispiel dann, wenn der Zugang der Kündigung im Streitfall nicht bewiesen werden kann. Gerade im Verbandswesen kann die Kündigung eines Verbandsgeschäftsführers, der zugleich geschäftsführendes Vorstandsmitglied ist, mit dem Fehler behaftet sein, dass die Kündigung nicht von denjenigen ausgesprochen wird, die zur Kündigung berechtigt sind. Im Regelfall muss die Kündigung von zwei vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern ausgesprochen werden. Hier unterlaufen in der Praxis viele Fehler.

Verbandsgeschäftsführer als Arbeitnehmer

Werden Verbandsgeschäftsführer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig, ohne dass sie zugleich geschäftsführendes Vorstandsmitglied sind, finden auf sie grundsätzlich die arbeitsrechtlichen Bestimmungen Anwendung. Das heißt, sie können sich auf das Kündigungsschutzgesetz berufen, wenn der Verband mehr als zehn Arbeitnehmer hat und wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat. Erst dann greift der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Arbeitgeber die Kündigung begründen muss, das bedeutet, dass es betriebsbedingte, personenbedingte oder verhaltensbedingte Gründe für die Kündigung geben muss. Betriebsbedingte Gründe können vorliegen, wenn die Position, die der Verbandsgeschäftsführer innehatte, infolge einer Restrukturierung in Wegfall geraten ist. Dabei ist jedoch zu prüfen, ob es eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu veränderten Bedingungen gibt, und schließlich bedarf es auch einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl. Hier ist allerdings darauf hinzuweisen, dass eine Sozialauswahl vom Grundsatz her immer nur auf gleicher Hierarchieebene stattfindet mit der Folge, dass, je weiter man oben in der Hierarchie angelangt ist, es im Zweifel keine vergleichbaren Arbeitnehmer gibt. Dies gilt beispielsweise immer dann, wenn es nur einen Verbandsgeschäftsführer gibt.

Verbandsgeschäftsführer als Leitender Angestellter

Wird der Verbandsgeschäftsführer als leitender Angestellter geführt, ändert dies vom Grundsatz her nichts an seinem Arbeitnehmerstatus. Das Kündigungsschutzgesetz gilt vom Grundsatz her uneingeschränkt auch für leitende Angestellte, es sei denn, der leitende Angestellte ist zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung berechtigt. In diesem Fall gilt das Kündigungsschutzgesetz mit der Maßnahme, dass ein Auflösungsantrag, den der Arbeitgeber im Kündigungsschutzverfahren stellt, keiner Begründung bedarf. Das führt dazu, dass es keinen Bestandsschutz mehr gibt, es also „nur“ noch um Geld geht, wobei die Abfindung beim Auflösungsvertrag, der in der Praxis sehr selten vorkommt, auf zwölf Monatsgehälter begrenzt ist bzw. auf 18, wenn der leitende Angestellte das 55. Lebensjahr vollendet hat und das Arbeitsverhältnis 20 Jahre bestand. Wie bereits ausgeführt, spielt diese Besonderheit in der Praxis kaum eine Rolle. Auch im Übrigen gibt es keine wesentlichen Besonderheiten, wenn der Verbandsgeschäftsführer in seinem Vertrag als leitender Angestellter bezeichnet wird. Hervorzuheben ist allenfalls noch, dass das Arbeitszeitgesetz für ihn nicht gilt mit der Folge, dass man als leitender Angestellter 24 Stunden am Tag arbeiten darf. Sofern es einen Betriebsrat im Verband gibt, wählt der leitende Angestellte diesen nicht mit. Für die Gruppe der leitenden Angestellten kann ein Sprecherausschuss gewählt werden, was allerdings voraussetzt, dass es mindestens zehn leitende Angestellte gibt.

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Autor/in

Gerhard Kronisch

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er ist Autor zahlreicher Fachaufsätze und Kommentare und kompetenter Berater von Geschäftsführern, leitenden Angestellten und Führungskräften. Er ist Vorstandsmitglied im VFF – Verband Fach- und Führungskräfte und Geschäftsführer bei syntra, dem Management-Netzwerk Deutsche Telekom.

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