Verbändereport AUSGABE 7 / 2011

Die Bedeutung von Verbänden für die Veranstaltungswirtschaft

Grundstrukturen des Veranstaltungsgeschäfts

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Im Bereich Kongresse, Tagungen und Seminare wird klassischerweise zwischen den beiden Kerngeschäftsbereichen Firmen- und Verbandsgeschäft unterschieden. Hier ist bei vielen Häusern der dominante Anteil des Gesamtveranstaltungsmix angesiedelt, der in der Regel mindestens ein Drittel bis zur Hälfte des Geschäfts ausmacht

Tagungen, Kongresse sowie sonstige Veranstaltungen aus dem Verbandsbereich sind sowohl für die Veranstaltungshäuser als auch für eine Vielzahl von Dienstleistern innerhalb der Veranstaltungswirtschaft unmittelbares Kerngeschäft mit substanzieller Bedeutung. Wenn man sich das Portfolio eines klassischen Veranstaltungszentrums näher anschaut, kann man in der Regel – je nach Schwerpunkt  und Ausrichtung des Hauses und der damit verbundenen Infrastruktur – die Veranstaltungsarten in drei bis vier Kernthemenfelder gliedern. Zum einen gibt es den Bereich Kultur und Unterhaltung, zum Zweiten den Bereich gesellschaftliche Veranstaltungen, mit den klassischen Bällen und Events. Darüber hinaus sind Messen und Ausstellungen zu erwähnen und last but not least der Bereich Kongresse, Tagungen, Seminare.

Eckdaten und Strukturen des Verbandsgeschäfts

Wenn man sich das Verbandsgeschäft als wichtigen Produktbereich der Veranstaltungswirtschaft näher anschaut, zeigen entsprechende statistische Kennzahlen, dass es allein in Deutschland mit 14.000 Verbänden (von denen etwa 8500 hauptamtlich geführt sind) ein eindrucksvolles Geschäftspotenzial für die Veranstaltungswirtschaft gibt. Sowohl die damit verbundene thematische Vielfalt, die im Verbandsbereich gespiegelt wird, als auch das Volumen der zu diesen 14.000 Verbänden gehörenden Mitgliederzahlen weisen das Verbandsgeschäft in seiner ganzen Breite als einen der Träger des Kongressgeschäfts aus. Ob Wirtschafts-, Berufs- und Wissenschaftsverbände, Sozial- und Wohlfahrtsverbände, Kultur- und Sportverbände oder auch politische Parteien und Gewerkschaften sowie Kammern und Schutzverbände stellen eine Bandbreite dar, die das gesamte Gesellschafts- und Wirtschaftsleben eines Landes umfasst. Dazu kommt, dass die Staffelung der Verbandsstrukturen, von lokalen bis zu internationalen Strukturen und Hierarchien, die Kontaktvielfalt und Gesprächsintensivität noch weiter auffächert.

Der Ortsverband, der Landesverband, der Bundesverband, der europäische und der Weltverband sind in ihren jeweiligen Dimensionen auf ganz unterschiedlichen Ebenen qualitativ und quantitativ vielfältig ausgerichtet und haben eine breite Aufgabenvielfalt, die auch immer mit Veranstaltungsbedarf einhergeht. Sehr oft ist es für die Veranstaltungswirtschaft von Vorteil, schon auf der lokalen, regionalen Ebene gute Kontakte zu pflegen, weil häufig hier die Möglichkeiten entstehen, Veranstalter auf  Landes- und Bundesebene anzusprechen.

Für Verbände ist es allerdings auch sehr oft erforderlich, Standorte für Tagungen paritätisch zu vergeben. Dies findet sehr häufig bereits auf Landesebene statt und zieht nach sich, dass der Kongress immer in wechselnden Städten des jeweiligen Bundeslandes stattzufinden hat, um allen regionalen Strukturen und Befindlichkeiten Rechnung zu tragen. Dies setzt sich dann üblicherweise auf Bundesebene mit regelmäßiger Berücksichtigung aller Bundesländer fort und findet auch auf internationaler Ebene bezüglich der Inanspruchnahme der verschiedenen Kontinente entsprechend seine Fortsetzung. Das heißt, ein überdurchschnittlich großer Anteil des Verbandsgeschäfts ist Geschäft, das man, bezogen auf einen bestimmten Verband und eine bestimmte Ebene, nur in sehr langen Zeitabständen wiederholt für einen Standort oder ein Veranstaltungszentrum akquirieren kann.

Aufgrund von Organisations- und Preisdruck, der auch auf den Verbänden zunehmend lastet, ist allerdings festzustellen, dass dieser Trend anteilige Auflösungserscheinungen zeigt und durchaus der eine oder andere Verband den Versuch unternimmt, die Mitglieder davon zu überzeugen, für eine bestimmte Veranstaltung regelmäßig an einen bzw. zwei oder drei bestimmte Orte zurückzukehren.

Vorteile des Verbandsgeschäfts für die Veranstaltungswirtschaft

Bei einer genaueren Betrachtung der wesentlichen Eckdaten und Strukturen des Verbandsgeschäfts lässt sich feststellen, dass es besonders für Veranstaltungszentren eine Reihe sehr interessanter und bemerkenswerter Eigenarten gibt, die, neben dem reinen Auslastungsthema, auch organisatorisch und von der Planbarkeit und den Vorgaben her dieses Geschäft besonders reizvoll und lohnenswert erscheinen lassen.

Verbandsgeschäft hat im Verhältnis zum Firmengeschäft für Veranstaltungshäuser, aber auch für die damit verbundenen zusätzlichen Dienstleistungen den bemerkenswerten Vorteil von relativ langen Vorlaufzeiten. Dies ist insbesondere unter der zunehmend eintretenden Verkürzung von Terminvorlaufzeiten und Buchungs-frequenzen anderer Geschäftsbereiche besonders positiv, weil durch die in der Regel langfristigeren Anfragen von Verbänden das Buchungsgerüst eines Veranstaltungs-zentrums Grundauslastungen erfährt, die Stabilität bringen, Planbarkeit sichern und auch Vorausschau und Forecast-Kennzahlen verbessern. Das Verbandsgeschäft weist darüber hinaus grundsätzlich auch eine mengenmäßig sehr große Stabilität aus.

Dies bedeutet, dass konjunkturelle Schwankungen und wirtschaftliche Höhenflüge und Talfahrten weniger Einfluss auf die Durchführung von Verbandskongressen haben, als dies beim klassischen Firmengeschäft häufig der Fall ist. Rückblickend auf die letzten Jahre ist festzustellen, dass bestenfalls die Größe von Verbandskongressen in schwierigeren wirtschaftlichen Zeiten ein wenig nach unten variiert, aber die Durchführung der Veranstaltungen selber und die Menge der durchgeführten Veranstaltungen relativ stabil bleiben.

Gleichzeitig ist festzustellen, dass im Verbandsgeschäft durchaus auch ein Effekt vorhanden ist, bei steigenden Schwierigkeiten in bestimmten Themenfeldern auch Zusatzveranstaltungen bzw. ausgeweitete Verbandsveranstaltungen für die Mitglieder zu organisieren, um der Aufgabenstellung der Mitgliederbetreuung zeitnah und aktuell gerecht zu werden. Auch dies sorgt oft für Zusatz- und Erweiterungsbelegungen und bedeutet sogar in einzelnen Teilbereichen Wachstum für das Veranstaltungsgeschäft. Aufgrund der durchgängig vorhandenen Kernaufgabenstellungen von Verbänden ist hier auch zu beobachten, dass besonders die politisch getriebenen Zukunftsthemen im Verbandsumfeld ein weiter wachsendes, dynamisches, proaktives Umfeld finden, das häufig mit einem ausgeweiteten Veranstaltungsangebot einhergeht.

Daneben ist für die Veranstaltungswirtschaft und besonders für die Veranstaltungshäuser das Verbandsgeschäft natürlich auch ein Geschäft, bei denen die Teilnehmer Multiplikatoren für das Firmengeschäft darstellen, denn – selbstverständlich sind ganz viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Verbandskongressen innerhalb ihrer Unternehmen auch wieder selber Organisatoren oder Entscheider für Firmenveranstaltungen verschiedenster Art. Dementsprechend ist hier das Verbandsgeschäft für Veranstaltungszentren auch die Chance, auf sich aufmerksam zu machen. Erfolgreich und gut betreute Verbandsveranstaltungen sind die beste Referenz für Folgegeschäft im Firmenbereich.

Gleichzeitig haben Verbände fast immer aufgrund ihrer Aufgabenstellung und der damit verbundenen Lobbyaktivitäten eine große Chance, dass sie, je nach Größe und Themenbezug, imagemäßig sehr positive Effekte durch Medienwirksamkeit und durch Präsenz von politischer und gesellschaftlicher Prominenz mit sich bringen. Dieser „Glanz“ strahlt natürlich, wie bei allen Veranstaltungen, auch in einem gewissen Umfang auf das gastgebende Veranstaltungshaus ab und schafft hier Imageeffekte, die man gerne mitnimmt.

Zukunftsthemen und Entwicklungstrends für das Verbandsgeschäft

Bei den Zukunftsthemen für das Verbandsgeschäft sind Verbände natürlich der klassische Spiegel der allgemeinen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung. Für die Zukunft ist sehr wahrscheinlich anzunehmen, dass insbesondere das Verbandsgeschäft gefordert sein wird, das Thema Nachhaltigkeit in seiner gesamten Bandbreite zu besetzen und für die Mitglieder vorausschauend und kreativ Informationen und Perspektiven vorzuhalten. Sei es im klassischen, ökologischen Umfeld, welches insbesondere nach der erfolgten Energiewende in Deutschland kurz- und mittelfristig eine besondere Betonung und Themenintensität nach sich ziehen dürfte, sei es im Bereich Sozialem, wo die Fragestellung der Zukunftskonzepte für unsere Gesellschaft im Rahmen des demografischen Wandels und der immer stärker werdenden Frage der Integration, aber auch in Fragen der Corporate Governance deutlich im Vordergrund stehen dürfte.

Daneben ist die Thematik der Internationalisierung besonders vor dem Hintergrund des europäischen Gedankens mit seinen offenkundig volkswirtschaftlich schwierigen und intensiv diskussionsbedürftigen Folgeentwicklungen ein Thema. Hier werden europäisch organisierte Veranstaltungen mit großer Wahrscheinlichkeit einen quantitativen Anstieg erfahren, denn Lösungsansätze, die zukunftsfähig sind, sollten sinnvollerweise auf der Ebene diskutiert werden, die die Probleme verursacht.

Gleichzeitig wird auch die Fragestellung der Einflussnahme an gesellschaftlichen und politischen Prozessen für die Verbände eine neue Qualität an Herausforderung nach sich ziehen. Man wird politische Einflussnahme ebenfalls zunehmend weiter europäisch und international sehen müssen und die vielfach noch sehr national ausgerichteten Mechanismen und Strukturen über neue ergänzende oder innovative Perspektiven zu erweitern haben.

In diesen Zusammenhang der neuen thematischen Herausforderungen wird auch der weitere, zusätzliche Ausbau von Fort- und Weiterbildungsangeboten und Seminaren gehören. Auch dieser dürfte sich, zumindest anteilig, in Veranstaltungshäusern abspielen.

Dies bedeutet insgesamt für die Verbände, aber auch für die Veranstaltungswirtschaft grundsätzlich Positives, denn sowohl die Bedeutung der Verbände als auch die Nachfrage nach Zusatzleistungen für die Verbände sollten die Rolle von Verbänden weiter stärken und das dazugehörende Veranstaltungsvolumen zur Abarbeitung der Themen ebenfalls weiter ansteigen lassen. Dies natürlich unter der Prämisse, dass Verbände die Herausforderungen der Zukunft innovativ annehmen und an der einen oder anderen Stelle, so wie alle Teilnehmer am gesellschaftlichen Prozess, bereit sind, eingefahrene Bahnen zu verlassen.

Hierzu könnte beispielsweise eine weitere Intensivierung der Idee gehören, dass Verbände in gemeinsamen Themenfeldern und Branchenbereichen gemeinsame Interessen und Informationsschwerpunkte identifizieren und mehrere Verbände themenbezogen Kongresse für ihre Mitglieder auch gemeinsam durchführen. Dies muss nicht immer mit Gründungen von weiteren Dachverbänden einhergehen, sondern hat durchaus besonders dann Zukunftschancen, wenn das Thema stimmt und nur hierfür eine gemeinsame Gesamtkonzeption entwickelt wird.

Die Veranstaltungswirtschaft selber ist gerade auf dem Weg, Ansätze dieser Art in Veranstaltungen und Strukturen umzusetzen. So ist im Juni nächsten Jahres ein Hauptstadtkongress der Veranstaltungswirtschaft terminiert (18. bis 20. Juni 2012 in Berlin), bei dem unter Federführung des Europäischen Verbandes der Veranstaltungs-Centren EVVC und des Deutschen Kongressbüros GCB sowie der Mitwirkung einer Vielzahl anderer Branchenverbände zum einen die politische Wahrnehmung intensiviert und zum anderen bestimmte inhaltliche Schwerpunkte für alle transportiert werden sollen.

Für den besonderen Bereich der technischen Fragestellungen innerhalb der Veranstaltungswirtschaft hat der Europäische Verband der Veranstaltungs-Centren, gemeinsam mit den diesbezüglichen Fachverbänden Deutsche Theatertechnische Gesellschaft (DTGH), Verband für professionelles Licht- und Tondesign (DTGH) und Verband Direkte Wirtschaftskommunikation e.V. (FAMAB), eine Interessengemeinschaft der Veranstaltungswirtschaft gegründet (www.igvw.org).

Beides sind Strukturen, bei denen gemeinsame Themen und Informationsbedürfnisse unterhalb einer formalen Gesamtstruktur wirksam werden.

Ein weiterer eher praktischer Aspekt für die Entwicklung des Verbandsgeschäfts ist ebenfalls ein Spiegel der Gesamtentwicklungen der Veranstaltungswirtschaft. Sowohl im Verbandsbereich als auch im Bereich des Firmengeschäfts sowie einer Vielzahl von kulturellen und gesellschaftlichen Themen ist eine abnehmende Bereitschaft für Sponsoring deutlich zu erkennen. Dies bedeutet, dass Sponsoringkonzepte noch zielgenauer und präziser Vorteile und Benefits für den Sponsoringpartner nachweisen müssen und, mehr noch, dass man – auch im Verbandsbereich – rückläufige Sponsoringerträge wahrscheinlich auch damit ausgleichen muss, Teilnehmergebühren für Kongresse und Veranstaltungen in Richtung Kostendeckung zu entwickeln. Wenn dies gelingen soll, müssen allerdings sowohl Qualität als auch der Inhalt der Veranstaltungsangebote noch mehr als bisher der Prüfung standhalten, dass erhobene Kongressgebühren Qualität und  Mehrwert geschaffen haben und damit der Kongress die Teilnehmergebühr auch wirklich wert war.

Für die Partner Veranstaltungswirtschaft und Veranstaltungshäuser lässt sich abschließend vielleicht noch eine kleine Wunschliste  für die weitere Entwicklung im Verbandsgeschäft beschreiben. Zusammengefasst könnte dies in drei Stichworten geschehen: größere Terminflexibilität, zielgenaueres Teilnehmermanagement, Akzeptanz der Grenzen der Sparsamkeit. Dies bedeutet, dass die Sparzwänge sowohl im Verbands- als auch im Firmengeschäft mit deutlich größerer Preissensibilität bei allen Dienstleistungen im Veranstaltungshaus und bei den Partnern irgendwann qualitative Grenzen erreicht haben werden. Möchte man also als Verband Mindeststandards für seine Veranstaltung aufrechterhalten, so sollten realistische Mindestbudgets vorhanden sein. Am Ende hilft hier Preisdrückerei keinem der beteiligten Partner. Größere Terminflexibilität ist natürlich zum einen häufig nur schwer darstellbar, weil langfristige Planungssicherheit die positive Seite dieser Medaille ist. Wenn allerdings Verbände an der einen oder anderen Stelle größere Bereitschaft entwickeln würden, terminliche Veränderungen zu akzeptieren,  könnten wahrscheinlich Veranstaltungshäuser dieses durchaus ebenfalls öfter durch preisliches Entgegenkommen honorieren.

Zielgenaueres Teilnehmermanagement bedeutet, wie in anderen Segmenten des Veranstaltungsgeschäfts auch, dass Schwankungen in den Teilnehmerzahlen durch regelmäßige Abfragen, Frühbucherrabatte und ähnliche Motivationsinstrumente sowohl für die Planbarkeit seitens des Verbandes selber als auch des Veranstaltungshauses das Leben einfacher machen und damit Zusatzkosten und organisatorischen Mehraufwand verringern könnten.

Natürlich sind diese Wünsche nicht ganz einfach umsetzbar und am Ende werden sie nie optimal zu realisieren sein, aber vorhandene Verbesserungspotenziale sollten vielleicht besser als bisher ausgeschöpft werden.

Insgesamt hat das Thema Verbände und Veranstaltungswirtschaft eine lange, traditionsreiche, intensive Geschichte der erfolgreichen Zusammenarbeit, die nach allen erkennbaren Entwicklungsperspektiven in der Zukunft mindestens so erfolgreich wie bisher, wenn nicht sogar erfolgreicher, fortgeschrieben werden kann. 

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