Claus Philippi von der Berater- und Servicegruppe für Verbände und Non-Profit-Organisationen B’VM GmbH in Stuttgart stellt im folgenden Beitrag mit der Portfolio-Analyse ein Instrument zur strategischen Verbandsplanung dar. Ziel der Portfolio-Analyse ist es, den richtigen Angebot-Mix für die Verbandsmitglieder zu finden.
Was ist eine Portfolio-Analyse?
Die Portfolio-Analyse ist eine Methode, die seit vielen Jahren in Unternehmen und in modifizierter Form jetzt auch verstärkt in der strategischen Planung von Verbänden und NPO angewandt wird.
Ihre Grundidee geht auf das Portfolio von Wertpapieren zurück. Ziel dieses Portfolios ist es, Wertpapiere so zusammenzustellen, dass sie in ihrer Gesamtheit zu einem optimal ausgeglichenen Ergebnis beitragen. Die einzelnen Anlageoptionen werden also nicht isoliert, sondern in ihrem Beitrag zum gesamten Portfolio-Ertrag betrachtet. Dieses Prinzip der ganzheitlichen Betrachtung und Beurteilung einzelner Leistungsbereiche einer NPO oder eines Verbandes im direkten Vergleich zueinander ist auch ein wesentliches Element der Portfolio-Analyse, wie sie zunehmend im Non-Profit-Bereich angewandt wird. Sie ist dadurch als eine unterstützende Methode des strategischen Managements besonders wertvoll.
Strategisches Verbandsmanagement
Strategisches Verbandsmanagement bedeutet:
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vorausschauend und zukunftsorientiert führen
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ganzheitlich denken und alle Teile des Verbandes in die Überlegungen einbeziehen
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Anpassung an Umweltveränderungen durch geplante, schrittweise Evolution
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Konzentration der Kräfte, um die beschränkten Ressourcen bestmöglich einzusetzen
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die sich im Umfeld abzeichnenden Veränderungen als Chancen und Gefahren wahrzunehmen und die verbandsinternen Stärken und Schwächen herauszuarbeiten
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klare Ziele im längeren Zeithorizont auswählen und formulieren
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Strategien zur Erreichung dieser Ziele entwickeln und umsetzen
Die Portfolio-Analyse
Die Portfolio-Analyse nimmt diese Elemente des strategischen Managements auf und integriert sie in eine systematische, alle Leistungsbereiche umfassende strategische Planung mit einem Zeithorizont von etwa drei bis fünf Jahren.
Sie ermöglicht
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eine visuelle Darstellung aller strategischen Leistungsgruppen eines Verbandes im direkten Vergleich
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durch eine umfassende Diskussion der Umfeldentwicklungen und der eigenen Wettbewerbssituation in einer standardisierten Form
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mit dem Ziel, einerseits das effektivste Leistungsprogramm für die Zukunft zu ermitteln
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und andererseits Spielräume für sinnvolle Ressourcenumschichtungen aufzuzeigen
Strategische Leistungsgruppen
Die Definition von strategischen Leistungsgruppen (SLG) ist der erste Schritt zur Erarbeitung einer Portfolio-Matrix.
Im Bereich der NPO wird unter einer SLG eine eigenständig planbare und kontrollierbare Einzelleistung, ein Leistungspaket oder eine Aufgabe verstanden. Sie soll möglichst klar von anderen Einheiten abgrenzbar sein und eindeutige Ressourcen zugeordnet haben.
Die SLG eines Verbandes identifiziert man am einfachsten durch Aufgliederung des gesamten Aktivitäts- und Leistungsbereiches des Verbandes in Einheiten, etwa anhand des Kostenstellenplans oder des Organigramms.
Beispiele für strategische Leistungsgruppen eines Wirtschaftsverbandes:
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betriebswirtschaftliche Beratung
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juristische Beratung
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Vertretung gegenüber Auftraggebern
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Vertretung gegenüber Wettbewerbern
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Rahmenabkommen
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Bildungsarbeit
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Seminare
Portfolio-Matrix
Die Lage einer SLG in der Portfolio-Matrix wird durch zwei Dimensionen bestimmt:
Eine Achse enthält externe Einflussfaktoren, die von der jeweiligen NPO nur in äußerst geringem Maße beeinflusst werden können. Wir nennen sie "Marktattraktivität".
Die andere Achse bildet jene Einflussfaktoren ab, die von der NPO intern durch die Wahl bestimmter Maßnahmen kurz- oder mittelfristig selbst beeinflusst werden können. Wir nennen sie die "relative Wettbewerbssituation".
In diesem Koordinatensystem der beiden Achsendimensionen sind die einzelnen SLG zu positionieren.
Dabei gehen wir davon aus,
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dass es mit verschiedenen Leistungen unterschiedlich einfach oder schwer ist, Zustimmung und Akzeptanz bei den jeweiligen Mitgliedern zu erwirken,
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dass dies einerseits von der Marktattraktivität im jeweiligen Leistungsbereich und
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andererseits von der relativen Wettbewerbssituation in diesem Leistungsbereich im Vergleich zu den Mitbewerbern abhängt.
Marktattraktivität
Die Dimension "Marktattraktivität" soll die Chancen und Gefahren und somit die Umfeldveränderungen rund um die NPO reflektieren. Es handelt sich dabei weitgehend um das mengenmäßig zur Verfügung stehende Potential von "Nachfragern" und deren Bedürfnisse.
Ein Markt ist für einen Verband oder eine NPO um so attraktiver,
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je größer die potentielle Zielgruppe für eine Leistung ist (Marktvolumen)
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wenn die Nachfrage nach derartigen Leistungen in den letzten Jahren stark zugenommen hat (Marktveränderung)
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je wichtiger den Kunden die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist (Erwartungsdruck der Mitglieder)
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je weniger sonstige Anbieter auf diesem Markt tätig sind (Wettbewerbssituation)
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je weniger diese Leistungen durch Umweltentwicklungen bedroht sind (Substitutionsleistung)
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je größer die Chancen sind, die für die Zukunft prognostiziert werden können.
Relative Wettbewerbssituation
Die Einflussfaktoren auf die Dimension "relative Wettbewerbssituation" sind ebenfalls zu bestimmen. Bei dieser Achsendimension sind vor allem die eigenen Stärken und Schwächen im Vergleich zu Marktkonkurrenten zu berücksichtigen.
Die relative Wettbewerbssituation ist um so günstiger,
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je größer der Marktanteil einer SLG am einschlägigen Gesamtmarkt ist (Marktanteil)
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je besser die bisherigen Leistungen von den "Kunden" beurteilt werden (Image)
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je mehr "Kunden" der Verband mit einer Leistung erreicht und je nachhaltiger die Nutzenwirkung erlebt wird (Nutzenstiftungsgrad)
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je besser die Potentiale (Mitarbeiter, Finanzmittel, organisatorische Voraussetzungen) in qualitativer und quantitativer Hinsicht sind
Der Weg zum Ist-Portfolio
Zweckmäßigerweise wird das Ist-Portfolio anhand der folgenden Merkmale erstellt:
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Definition der Leistungen/Leistungsgruppen
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quantitative Bewertung aller SLG nach den für die einzelnen Dimensionen festgelegten Einflussfaktoren
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verbale Begründung dieser Bewertungen
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Überprüfung der "Stimmigkeit" dieser Bewertungen
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Positionierung der SLG in einer Matrix
Normstrategien
Kernstück des Portfolio-Konzeptes ist die Hypothese, dass sich für die in den einzelnen Feldern der Potfolio-Matrix positionieren strategischen Leistungsgruppen optimale Zielrichtungen und sogenannte Normstrategien angeben lassen.
Aufgrund der Lage in der Matrix einer SLG leiten sich unterschiedliche Zielrichtungen und die dazugehörigen Normstrategien ab. Das folgende Schaubild verdeutlicht die Lage verschiedener SLG.
Kombination Chancen – Schwächen
Hier bedarf es großer Anstrengungen und klarer Strategien, um in diesem Feld langfristig erfolgreich sein zu können. Eine Verstärkung der Ressourcen ist in diesen Fällen unumgänglich.
Kombination Chancen – Stärken
Die in diesem Feld liegenden strategischen Leistungsgruppen sind die verbandlichen "Stars". Hier kann man die günstige Umfeldentwicklung nützen, muss jedoch darauf achten, auch in Zukunft die eigenen Stärken zu bewahren.
Kombination Gefahren – Stärken
Die in dieser Kombination einzuordnenden Leistungsgruppen führen zu der Bewertung, dass sich die verbandlichen Stärken aufgrund von negativen Umweltveränderungen in Zukunft voraussichtlich nicht mehr voll ausschöpfen lassen. Insoweit ist zu überlegen, ob eine allmähliche Re-Dimensionierung der eingesetzten Ressourcen sinnvoll erscheint.
Kombination Gefahren – Schwächen
Strategische Leistungsfelder in diesem Bereich können als die zentralen Problembereiche des Verbandes oder der NPO bezeichnet werden. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Ressourcen mittelfristig auf andere strategische Leistungsgruppen verteilt werden können, ohne Gefahr zu laufen, den eigentlichen Verbandsauftrag zu verletzen.
Vom Ist-Portfolio zum Soll-Portfolio
Bei diesem Arbeitsschritt geht es darum, die gegenwärtige Lage, die durch Kreise in der vorstehenden Matrix dargestellt ist, auf ihre weitere Entwicklung hin zu prognostizieren.
Eine positive künftige Entwicklung der Einflussfaktoren auf die Größe "Marktattraktivität" würde eine Bewertung der strategischen Leistungsgruppen in den "höheren" Matrixbereich bewirken, ohne dass von Seiten des Verbandes hierzu eine besondere Strategie anzuwenden wäre. Eine negative Entwicklung ergibt natürlich eine gegenteilige Bewegung in den "niedrigen" Bereich des Portfolios. Angelehnt an die Empfehlungen der Normstrategien muss jetzt für jede SLG die zukünftige Zielposition im Soll-Portfolio festgelegt werden.
Bei diesen Entscheidungen spielen nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch verbandspolitische Überlegungen eine wichtige Rolle. So kann es durchaus sinnvoll sein, den bewerteten Leistungen trotz eines hohen Aufwands und einer geringen Marktattraktivität ein Überlegen zu sichern, weil zum Beispiel verbandspolitische Vorgaben eingehalten werden sollen.
Strategische Planung
Das Soll-Portfolio ist der Ausgangspunkt für die Ableitung von Strategien für jede einzelne SLG. Es stellt die realisierbaren Ziele dar, welche die Risiken verteilen, Synergiepotentiale ausnutzen und alle Normstrategien in eine harmonische Beziehung bringen. Diese Übersicht soll verhindern, dass Zeit und Ressourcen in Tätigkeitsgebiete (SLG) investiert werden, die ungünstige Entwicklungsperspektiven aufweisen und sich schon im gegenwärtigen Zeitpunkt in einer ungünstigen strategischen Ausgangslage befinden. Mit anderen Worten: Es geht um eine Re-Allokation der gesamten verbandlichen Ressourcen.
Solche funktionalen Strategien können beispielsweise sein:
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Marketingstrategien
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Dienstleistungsinnovation
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Personalentwicklung
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neue Beeinflussungsstrategien
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Kooperationsstrategien mit anderen Verbänden oder Organisationen oder Dienstleistern
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Preisstrategien
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Beiträge, Umlagen, Teilnehmerkosten
Bewertung der Analyse
Für die abschließende Bewertung der Strategien sollte man drei Prüfungsbereiche klären:
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Wie vertragen sich die abgeleiteten Strategien mit den im Verbandsleitbild und der langfristigen Verbandspolitik festgelegten Globalenzielen?
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Wie vertragen sich die Strategien mit den tatsächlich vorhandenen oder realistischerweise zu schaffenden Ressourcen und Potentialen?
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Wie wird die Erfolgswahrscheinlichkeit der abgeleiteten Strategien bewertet?
Zusammenfassung
Die Vorzüge der Portfolio-Analyse als einem Hilfsinstrument bei der strategischen Verbandsplanung sind:
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Die Portfolio-Analyse ist ein systematisches Verfahren, das eine visuelle Darstellung aller strategischen Leistungsbereiche eines Verbandes oder einer NPO im direkten Vergleich ermöglicht.
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Sie kombiniert eine interne Stärken-/Schwächen-Analyse mit einer Analyse des umgebenden Marktes und der Wettbewerbssituation für die einzelnen Leistungsgruppen.
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Sie ermöglicht durch die Wahl der Achsendimension und dem damit verbundenen Informationsgehalt eine optimale Anpassung an die Bedürfnisse des jeweiligen Verbandes oder der NPO.
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Die Portfolio-Analyse ermöglicht die Formulierung von einzelnen, operationalisierbaren Strategien für die jeweiligen SLG aufgrund einer verhältnismäßig objektiven Analyse aufgrund einer qualitativen und quantitativen Bewertung aller Leistungsgruppen nach gleichen Kriterien.
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Sie trägt damit wesentlich zu einer Versachlichung der Diskussion über den Aus-, Ab- und Umbau von verbandlichen Leistungen bei.
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Sie liefert Informationen über mögliche Ressourcenverschiebungen innerhalb des Verbandes und der NPO – und das, bevor die Krise eingetreten ist.