Ob aktuelle Informationen oder Hintergrundwissen, ob lockere Gespräche oder Expertenvorträge – die Gesellschaft informiert sich mehr und mehr hörend. Podcasts mischen sich über die Kopfhörer in den Alltag – beim Bahnfahren, Kochen, Kaffeetrinken oder Warten. Das macht die Audioformate zu einem wichtigen Werkzeug der Verbandskommunikation. Der Verbändereport stellt einige Verbände vor, die bereits Erfahrungen zum Thema Podcast gesammelt haben.

Rund die Hälfte der Deutschen ab 16 Jahren hört mindestens hin und wieder einen Podcast (49 Prozent). Das geht aus einer aktuellen Studie des Digitalverbands Bitkom hervor. Auch Verbände nutzen dieses Medienverhalten in eigener Sache. Sie können mit relativ wenig Aufwand ihre Haltung, Botschaften und Inhalte direkt in die Ohren der Gesellschaft verbreiten. Dadurch schaffen sie Nähe zum Hörer und können auch über die Grenzen der Branche hinaus Interesse erzeugen. Das zeigen einige Beispiele aus der Verbandswelt.
„Vorwahl“ von Haus und Grund Deutschland
Mit seinem Podcast „Vorwahl“ konnte der Verband Haus und Grund Deutschland blitzschnell auf die vorgezogenen Bundestagswahlen reagieren. Jüngst erhielt der Verband dafür den mediaV-Award. Die Idee: Wahlprogramme transportieren und vergleichbar machen. „Die wenigsten Wähler lesen die Programme. Aber viele hören Podcast“, sagt Gordon Gross, Leiter Politik und Kommunikation im Verband. Als klar wurde, dass die neue Bundesregierung nicht im September 2025, sondern bereits im November 2024 neu gewählt werden sollte, verpuffte für Haus und Grund die lange Vorlaufzeit. „Für uns war aber auch schnell klar, dass wir keine großen Abstriche machen wollen. Der Podcast konnte seine Vorteile ausspielen, sei es in der Geschwindigkeit oder in der Flexibilität des Ortes, wo er entsteht“, berichtet Gross.
Neben den eigenen Mitgliedern wollte Haus und Grund auch Wähler erreichen, denen das Thema Bauen und Wohnen am Herzen liegt. Das ist ihnen gelungen: Die Zugriffe erreichten eine Zahl im fünfstelligen Bereich. „Wir alle wohnen. Der Podcast hat somit einen Blick in die eigenen vier Wände geworfen“, erklärt der Kommunikationschef. Während es am Anfang noch schwer war, die Bundestagsabgeordneten als Gesprächspartner zu gewinnen, wurde es mit jeder veröffentlichten Folge des Podcasts einfacher. Gross berichtet: „Wir konnten einige Folgen aus der Ferne aufzeichnen. Oder manchmal wie am Fließband, wenn der Deutsche Bundestag getagt hat. Mit jeder weiteren Folge hatten wir eine weitere Referenz.“
„Ameisentalk“ vom Deutschen Institut für Normung
„In der Normung stecken unglaublich viele interessante und spannende Geschichten – man muss sie nur erzählen“, erklärt Saskia Künstner, Junior-Social-Media-Managerin im DIN e. V. Im Oktober 2023 ging die erste Folge des Podcasts „Ameisentalk“ des Verbands online. Gerade weil man das Thema Normung selten mit den Schlagworten „interessant und spannend“ verbindet, hat der Verein den Podcast ins Leben gerufen. „Ziel ist es, die Normung und die Menschen dahinter erlebbar zu machen. So sollen falsche Vorstellungen über die Normung abgebaut und natürlich auch neue Experten gewonnen werden“, sagt Künstner.
Die Audioserie des DIN e. V. richtet sich in erster Linie an Menschen, die keine Berührungspunkte mit dem Thema haben. Sie sollen unterhaltsam informiert werden. Überraschenderweise, so Küster, habe der Verein im Laufe der Zeit auch eine andere Zielgruppe erreichen können: neue Kollegen und Geschäftsleitungen, die sich wegen des Podcasts für DIN entschieden haben. Die bisher 17 Episoden haben 2.367 Aufrufe erreicht. Künstner berichtet: „DIN produziert den Podcast mit bewusst minimalem Aufwand, da er für alle Beteiligten nebenbei läuft. Die Professionalität entsteht durch das sehr gute Studio-Equipment, eine sorgfältige Post-Production – und nicht zuletzt durch die Erfahrung unserer Kollegin Amelie Leipprand als ausgebildete Schauspielerin.“
„Das Ohr am Netz“ vom Verband der Internetwirtschaft
Künstliche Intelligenz, Virtual Reality, 5G, digitale Geschäftsmodelle und zukunftsorientierte Digitalpolitik – all diese aktuellen Digitalthemen behandelt der Podcast „Das Ohr am Netz“ des Verbands der Internetwirtschaft (eco). „Ziel ist mehr Reichweite für unsere Themen und Kernbotschaften sowie der Wunsch, direkt mit unseren Mitgliedsunternehmen ins Gespräch zu kommen“, sagt die Leiterin der Verbandskommunikation, Sidonie Krug. Die erste Folge ging im Mai 2020 online. Damals wurde sie noch extern produziert. Seit 2022 liegt die Produktion in der Hand des Verbandes mit Krug und Sven Oswald als Moderationsteam.
Die Folgen sollen technische Themen so runterbrechen, dass sie auch für Laien interessant und verständlich werden, erklärt Krug. „Wir stellen immer wieder fest, dass wir mit speziellen Themen auch Zielgruppen anderer Branchen erreichen.“ Jährlich wächst die Zuhörerschaft um rund 20 Prozent. Aktuell erreicht der Verband etwa 3.000 Hörer monatlich. Und: „Inzwischen hat der Podcast die nötige Reichweite, dass wir vermehrt auch Anfragen von Mitgliedsunternehmen und verbandsexternen Organisationen und Unternehmen erhalten, die gerne zu Gast im Podcast wären“, berichtet die Moderatorin. Ein solcher Erfolgskurs entsteht nicht ohne Aufwand: Drei Kollegen sind ständig mit dem Podcast beschäftigt.
„Zukunft_Land“ vom Deutschen LandFrauenverband e. V.
Welche Potenziale hat der ländliche Raum? Was bewegt und vereinfacht das Leben der Landfrauen? Der Podcast „Zukunft_Land“ des Deutschen LandFrauenverbandes (dlv) richtet sich mit seinen Folgen zwar an eine spezielle Hörerschaft, doch das mit Themen, die den Alltag im Geschäftlichen wie im Privaten direkt betreffen. Der Verband will mit dem Podcast seine bundespolitische Arbeit einer größtmöglichen Zielgruppe in verständlicher Sprache näherbringen und versucht somit auch, Fachvokabular zu vermeiden, so die Pressestelle des dlv. Die erste Folge ging im März 2023 online – inzwischen ist der Verband schon bei Folge 11. Besonders große Reichweite, so die Erfahrung der vergangenen zwei Jahre, erzielen Folgen, in denen es um Finanzen und Altersvorsorge geht. Aber auch provokante und emotionale Themen gewinnen große Aufmerksamkeit.
Der Verband produziert seinen Podcast zusammen mit einer Agentur. Eine Woche vor der Aufnahme beginnt die Vorbereitung. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein zu ausführliches Briefing einem guten Podcast im Weg steht. Ziel ist ein recht lockeres Gespräch mit den vorher abgesprochenen Fragen“, heißt es von der Pressestelle. Damit sich der Podcast für die Hörerschaft möglichst unterhaltsam gestaltet, seien neben der professionellen Moderation und Technik auch O-Töne und Praxisbeispiele für die sonst eher abstrakte bundespolitische Arbeit wichtig.
Experten-Tipps für den perfekten Podcast
Christian Windeck leitet die Bonner PR-Agentur rheinland relations GmbH, spezialisiert auf Kommunikation für Wirtschaftsverbände, öffentliche Auftraggeber und größere Mittelständler. Als Gastgeber des Podcasts „Einer für alle. Verbandskommunikation im Fokus”, der in Kooperation mit dem mediaV-Award entsteht, diskutiert er regelmäßig mit Verbandsvertretern deren kommunikative Herausforderungen und entwickelt gemeinsam praktische Lösungsansätze. Im Gespräch verriet Windeck einige Experten-Tipps, worauf Verbände beim eigenen Podcast achten sollten.
Verbändereport: Warum sind Podcasts ein gutes Werkzeug der Verbändekommunikation?
Christian Windeck: Verbände müssen immer die Gesamtheit ihrer Mitglieder im Hinterkopf behalten – und das macht die Kommunikation anspruchsvoll. Podcasts spielen hier eine andere Karte aus. Sie erreichen Menschen in Momenten, in denen sie keine anderen Medien konsumieren. Und sie geben den Zuhörern Zeit, sich intensiv mit einem Thema auseinanderzusetzen. Wichtig ist dabei auch: Man baut eine ganz andere Bindung zu den Hörern auf.
Und dann gibt es noch einen Effekt, den wir immer wieder erleben: Podcasts sind hervorragende Türöffner. Gesprächspartner, die man für ein klassisches Print-Interview oder einen Videobeitrag nur schwer gewinnen kann, sagen bei einer Podcast-Einladung oft spontan zu. Warum? Weil es ihnen schmeichelt, weil der Aufwand überschaubar ist und weil sie wissen, dass sie nicht nur mit dem Verband sprechen, sondern direkt zu allen Mitgliedern, zu Stakeholdern, zu potenziellen Partnern.
Welche Faktoren machen einen guten Podcast aus?
Die technischen Barrieren sind deutlich niedriger, als viele denken. Ein professioneller Sound ist heute schon mit überschaubarem Budget möglich. Am meisten Zeit braucht man tatsächlich für das Gästemanagement. Also, die richtigen Gäste zu finden, sie verlässlich zu terminieren und gut vorbereitet ins Gespräch zu bringen. Wir machen das so: Etwa eine Woche vor der Aufnahme führen wir ein halbstündiges Vorgespräch. Wir sprechen über den Verband, über die Themen, die wir behandeln wollen, und über den Ablauf.
Und dann ist da noch der Faktor, den man nicht unterschätzen sollte: die Haltung des Moderators oder der Moderatorin. Je lockerer, entspannter und authentischer das Gespräch ist, desto besser wird das Ergebnis. Die meisten Verbands-Podcasts richten sich an die eigene Bubble – und das ist auch völlig in Ordnung. Ein Verband ist Experte in einer Nische. Und gerade Nischen-Podcasts sind extrem beliebt.
Sie erstellen derzeit für den mediaV-Award einen Podcast – worum gehts?
Zunächst ging es uns darum, bei der Verleihung im Kölner Gloria alle Gewinner vor Ort zu interviewen. Diese Videos zu schneiden und auf Social Media auszuspielen, das hatte den Fokus. Zusätzlich hatten wir aber auch die Idee, daraus einen Podcast zu machen. Aus den Interviews schneiden wir eine kompakte Podcast-Folge. Das Besondere: Normalerweise haben wir einen Gast im Podcast, mit dem wir in Ruhe sprechen. Hier sprechen wir mit mehreren Kommunikationsverantwortlichen unterschiedlicher Verbände. Das Ziel ist es, geballt Lust zu machen auf gute Verbandskommunikation und zu zeigen, was möglich ist, wenn man mutig ist, kreativ denkt und sich nicht vom Klischee der verstaubten Verbandswelt einschüchtern lässt.
Vielen Dank für das Gespräch!
(SG)
