Verbändereport AUSGABE 6 / 2006

Drei Stufen zum richtigen Partner

Die Suche nach der richtigen Werbeagentur für die Gemeinschaftswerbung eines Verbandes

Logo Verbaendereport

Erfolgreiche Werbung für Unternehmen entsteht aus dem perfekten Zusammenspiel zweier Partner: der Werbeagentur und des Unternehmens. Bei Verbänden ist es ein Spiel über drei Banden: Die Mitglieder repräsentiert durch die Verbandsgremien, die Geschäftsstelle als täglicher Ansprechpartner und die Werbeagentur. In dieser Konstellation die richtige Werbeagentur zu finden, erfordert einen gut durchdachten Prozess, der die Anforderungen aller Beteiligten berücksichtigt. Wie dieser Prozess aussehen kann, sei auf den folgenden Seiten am Beispiel des Caravaning Industrie Verbandes CIVD dargelegt.

Drei Schritte führen den CIVD bei der alle drei Jahre stattfindenden Agenturauswahl zum Erfolg: Die Vorstufe bildet die Auswahl eines engeren Kreises von etwa zehn in Frage kommenden Agenturen aus denen drei Kandidaten für die Agenturpräsentation ausgewählt werden, das sogenannte Screening. Die Kandidaten für die Wettbewerbspräsentation werden im Briefing, der zweiten Stufe, auf die Präsentation vorbereitet. Schließlich der eigentliche Pitch, die Wettbewerbspräsentation vor den versammelten Gremien des Verbandes mit anschließender Entscheidung.

Screening

Das Screening, die Sichtung möglicher Kandidaten für eine Agenturpräsentation, teilt sich beim CIVD in zwei Phasen. Die erste Phase des Screenings dient der Identifizierung potenzieller Partner anhand eines klar definierten Fragenkatalogs mit Hilfe der allgemein zugänglichen Selbstdarstellungen der Agenturen. In der zweiten Phase wird in einer Besuchsrunde der Eindruck überprüft und vertieft. Das Screening endet mit der Einladung von drei neuen Agenturen sowie des bisherigen Etathalters zur Agenturpräsentation.

Woche für Woche senden Agenturen Werbemailings an Marketingabteilungen, so auch an die Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des CIVD. Fallen diese Mailings in den Zeitraum der Screeningphase, haben die Agenturen durchaus eine Chance in die Auswahl mit einbezogen zu werden. Als Hauptquelle für die erste Sichtung in Frage kommender Agenturen dient jedoch das Jahrbuch des Gesamtverbandes der Kommunikationsagenturen, GWA. Entscheidend bei der ersten Sichtung sind klar definierte Kriterien. Diese Kriterien haben mit Kreativität zunächst nichts zu tun. Zuerst müssen die Eckdaten stimmen. Diese Fakten lassen sich in der Agenturpräsentation im Jahrbuch des GWA nahezu alle recherchieren. Dazu werden eine Reihe von Fragen abgehakt:

Passt die Größe der Agentur zur Größe des Verbandes?

Natürlich machen große Namen auch große Werbung. Als kleiner Verband mit 116 Mitgliedern und einer überwiegend mittelständischen Mitgliederstruktur macht es jedoch keinen Sinn eine internationale Werbeagentur zu beschäftigen, deren Arbeitsabläufe und Kostenstrukturen auf international tätige Kunden ausgerichtet sind. Hier ist es vernünftiger, im Interesse der „gleichen Augenhöhe“ von Kunde und Agentur auf den Schmuck des großen Namens zu verzichten. Ebenso macht es keinen Sinn mit dem durchaus hilfreichen, preisgünstigen, flexiblen und im täglichen Arbeitsablauf unverzichtbaren „Grafiker um die Ecke“ eine nationale, integrierte Kampagne planen zu wollen. Für den CIVD hat sich eine Agenturgröße um die 50 Mitarbeiter im Laufe der Jahre als ideal erwiesen.

Hat die Agentur Verbandserfahrung?

Wichtig für den Erfolg der Werbekampagne ist nicht zuletzt die Akzeptanz in den Verbandsgremien und unter den Mitgliedern. Diese von der Funktionsweise der Kampagne zu überzeugen, ist viel schwerer, als das für Agenturen sonst übliche Panel aus Marketingleitung und Geschäftsführung. Die Agentur muss daher mögliche verbandspolitische Entscheidungsfaktoren im Vorfeld abwägen können und in mögliche Vorschläge einbeziehen. Zudem muss sie sich auf den zeitlich längeren Entscheidungsablauf, den die Gremienarbeit mit sich bringt, einstellen können und diesen in den Produktionsabläufen berücksichtigen.

Liegt die Agentur in räumlicher Nähe zur Geschäftsstelle?

Trotz aller modernen technischen Möglichkeiten von Telefon- und Videokonferenzen, E-Mailversand ist das direkte Gespräch zwischen Agentur und Kunde immer noch durch nichts zu ersetzen. Enger Kontakt und kurze Wege sind im täglichen Arbeiten enorm hilfreich und halten darüber hinaus Kurierkosten und Reisekosten im Rahmen. Im Fall des CIVD, der seine Geschäftsstelle in Frankfurt am Main hat, bedeutet dies jedoch nicht zwingend, dass die Agentur auch im Frankfurter Raum sitzen muss. Ebenso kommen Stuttgart und Düsseldorf in Frage. Diese beiden Orte werden innerhalb der Verbandsarbeit häufig besucht. Daher lassen sich Termine hier sinnvoll verknüpfen.

Stimmt das Leistungsspektrum der Werbeagentur mit den Anforderungen überein?

Eine integrierte Kampagne erfordert ein breites Spektrum von Werbemaßnahmen, die sich alle im Leistungsspektrum der Agentur finden müssen. Viele Agenturen bezeichnen sich zwar als „Full-Service-Agentur“, wichtig ist jedoch, dass bereits zu allen benötigten Maßnahmen Arbeitsbeispiele vorliegen. Zur Beantwortung dieser Frage ist in der Regel eine zusätzliche Recherche in der Internetpräsentation der Agentur notwendig, da das GWA-Jahrbuch hier aus Platzgründen keine erschöpfende Antwort gegen kann. Kern der CIVD-Anforderungen an das Leistungsspektrum der Agentur sind nationale Printkampagnen, Point-of-Sale-Kampagnen und die Fähigkeit zur Vermittlung sinnvoller Kooperationen, sogenannter Crosspromotion, mit dritten Partnern. Von Vorteil ist zugleich Erfahrung mit TV-Werbung, Internetwerbung und Events.

Die positive Beantwortung der ersten vier Fragen ist eine „conditio sine qua non“ ohne die sich auch die kreativste Agentur in der ersten Sichtung nicht durchsetzten kann. Im Folgenden sind Fragen aufgeführt von denen möglichst viele positiv zu beantworten sind, bei denen jedoch durchaus größerer Spielraum besteht:

Hat die Agentur Branchenerfahrung?

Fachliches Know-how der Agentur ist immer von Vorteil, da es die Einarbeitungszeit in das Thema verkürzt. Im Falle des Caravaning Industrie Verbandes ist sowohl Erfahrung im Tourismusmarketing als auch im Automobilbereich von Vorteil. In mindestens einer dieser beiden Branchen sollte die Agentur bereits gearbeitet haben.

Entsprechen die Referenzkampagnen den Vorstellungen der Geschäftsstelle und der Verbandsmitglieder?

Dies ist sicher die subjektivste Frage bei der ersten Sichtung. Dennoch lässt sich unabhängig vom persönlichen Geschmack recht gut einschätzen, ob die von der Agentur sicher nicht ohne Grund als Arbeitsbeispiele in die Selbstdarstellung integrierten Kampagnen zu der Verbandsstruktur passen. Hier ist davon auszugehen, dass die Agentur, die vor allem laute, knallige Kampagnen für „hippe“ Kunden vorzeigt eventuell mit einem mittelständischen Verband ein Problem haben könnte. In der Regel ist in einem solchen Fall jedoch auch schon die zweite Frage negativ beantwortet worden.

Dieser erste Teil des Screenings bindet beim CIVD alle mit der Agentur in Kontakt stehenden Mitarbeiter ein. Dies sind eine PR-Referentin, der Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und der Geschäftsführer. Aus den in Frage kommenden Agenturen werden in einer gemeinsamen Besprechung aller Beteiligten in der Geschäftsstelle die zehn besten für einen Besuchstermin benannt.

In der zweiten Phase des Screenings werden die zehn ausgesuchten Agenturen besucht. Im persönlichen Gespräch kann hier die Agentur ihre Stärken präsentieren und auf spezielle Fragen eingehen. Für diese Screeninggespräche in den Agenturen verfügt der CIVD über ein Musterdokument in Form einer Checkliste anhand dessen jeder Vertreter des CIVD, der an dem Gespräch teilnimmt seine Eindrücke zu verschiedenen Punkten stichwortartig festhält.

Zu den Bewertungskriterien des Screeninggesprächs gehören neben der Überprüfung und Vertiefung der bereits bekannten Fakten, auch der äußere Eindruck (Gebäude, Mitarbeiter, Empfang), die kaufmännischen Eckpunkte (Abrechnungsverfahren, Preisgestaltung) und eine abschließende Empfehlung, ob diese Agentur zum Pitch eingeladen werden soll. Dieser Bewertungsbogen ist für eine abschließende Beurteilung am Ende der Besuchsrunde unerlässlich, da die Besuchsrunde für zehn Agenturen je nach Terminlage drei bis sechs Wochen in Anspruch nehmen kann. Lassen sich innerhalb der ersten Besuchsrunde keine eindeutigen Aussagen treffen, ist eine zweite Besuchsrunde möglich bei der jedoch nur einzelne „Wackelkandidaten“ zu einem zweiten Gespräch in die Verbandsgeschäftsstelle geladen werden. Hier sollte zusätzlich ein Verbandsvertreter teilnehmen, der beim ersten Gespräch noch nicht zugegen war. Dies gewährleistet einen zusätzlichen frischen Eindruck. Nach Abschluss der Bewertung werden drei neue Agenturen zusätzlich zum Etathalter zur Agenturpräsentation eingeladen.

Briefing

Die pitchenden Agenturen sollten schon aus Gründen der Fairness die gleichen Ausgangsinformationen zur Vorbereitung ihrer Präsentation haben. Darüber hinaus ist aber auch die Leistung der Agenturen in der Agenturpräsentation nur dann vergleichbar, wenn alle denselben Ausgangspunkt haben. Der Etathalter scheint zwar zunächst durch seine Erfahrung mit dem Kunden leicht im Vorteil zu sein, jedoch birgt langjährige Zusammenarbeit auch die Gefahr einer gewissen Eingeschliffenheit, die die neuen Agenturen frischer und unverbrauchter erscheinen lässt.

Zur Gewährleistung eines gemeinsamen Ausgangspunktes muss das Briefing schriftlich festgehalten werden und auch dem Gremium, das später die Agenturauswahl treffen soll, bekannt sein. Der CIVD erarbeitet das Briefing bereits parallel zur Screeningphase mit dem dafür zuständigen Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu wird in einer ersten Sitzung über die generelle Ausrichtung der Werbekampagne für die nächsten drei Jahre diskutiert.

In der Geschäftsstelle wird daraufhin ein Briefing verfasst und den Ausschussmitgliedern rechtzeitig vor einer Ausschusssitzung zugesendet. In dieser zweiten Sitzung werden die Korrekturen und Ergänzungen der Ausschussmitglieder im Sitzungsprotokoll festgehalten und anschließend ins Briefing eingearbeitet. Die Endgültige Version des Briefings wird den Ausschussmitgliedern zur Kenntnis zugesendet. Das schriftliche Briefing enthält Aussagen über: Kommunikationsziele, Zielgruppen einschließlich soziodemographische Daten und Milieudefinition, Inhalte der Kommunikation/Botschaften, Wettbewerber, Angestrebte Positionierung, Kommunikationskanäle, Budget, Erfolgskontrolle, Restriktionen sowie Rahmenbedingungen der Präsentation.

Nach Abschluss der Screeningphase erscheinen alle eingeladenen Agenturen zu einem Briefinggespräch. Die Termine dieser Briefinggespräche sollte möglichst nahe beieinander liegen, um keiner der Agenturen einen zeitlichen Vorsprung bei der Vorbereitung der Aufgabe zu geben. Im Falle des CIVD wird das Briefinggespräch vom ehrenamtlichen Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit, dem Geschäftsführer und dem Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt. Während des Briefinggesprächs wird den Agenturen das schriftliche Briefing übergeben. Zusätzlich erhalten alle Agenturen alle verfügbaren Informationen über Marktzahlen, Studien, Branchentrends sowie einen Überblick über die bisherigen Werbeaktivitäten.

Das Briefinggespräch ist auf eineinhalb Stunden begrenzt und sollte mindestens sechs Wochen vor dem Präsentationstermin stattfindet. Innerhalb dieser Zeit räumt der CIVD den Agenturen die Möglichkeit der Rücksprache ein. Dies geschieht je nach Agenturgepflogenheiten durch spontane Telefon- oder E-Mail-Kommunikation, ein offizielles Re-Briefing-Gespräch, eine Strategiesitzung, ein Schulterblickmeeting oder eine Kombination dieser Elemente. Für diese Rücksprache steht ausschließlich der Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung. Zum einen weil das terminlich die einzig machbare Lösung ist, zum anderen aber auch um allen anderen Beteiligten auf Seiten des Verbandes eine möglichst hohe Unvoreingenommenheit bei der Bewertung der Ergebnisse der Agenturpräsentation zu erhalten.

Präsentationshonorar

Noch ein Wort zum Thema Geld: Zu den Rahmenbedingungen der Präsentation zählt auch, dass die präsentierenden Agenturen für ihren Aufwand und die präsentierten Ideen ein Pitchhonorar erhalten. Der CIVD hält diese mittlerweile aus der Mode gekommene Aufwandsentschädigung für eine faire Vorgehensweise den Agenturen gegenüber, die sich bei der Wettbewerbspräsentation nicht durchsetzen können. Diese Aufwandsentschädigung bewegt sich bei rund 8.000 Euro pro Agentur. Der Sieger, der sein Konzept danach umsetzen darf, hat damit bereits eine Vorleistung erbracht die er in der kommenden Zusammenarbeit nutzen kann. Aus diesem Grund wird das Präsentationshonorar bei der Siegeragentur mit dem späteren Agenturhonorar verrechnet.

Pitch

Zur Agenturpräsentation werden die Agenturen in einem engen Zeitraster eingeladen, das sowohl Zeit für den technischen Aufbau der Präsentationsmedien lässt als auch für Pausen des Auditoriums. Jede Agentur erhält 15 Minuten Aufbauzeit und 75 Minuten Präsentationszeit. Auf diese Weise präsentieren zwei Agenturen vormittags und zwei Agenturen nachmittags bis 16:30 Uhr. Die Teilnehmerzahl der Agenturen ist auf vier Personen je Agentur begrenzt, ebenso wird den Agenturen empfohlen nicht mehr als zwei Kampagnen vorzustellen. Zum einen zwingt dies die Agenturen sich zu fokussieren, zum anderen übersteigt es sowohl die Aufnahmefähigkeit der Zuhörer und es sprengt den zeitlichen Rahmen, wenn jede Agentur drei oder vier unterschiedliche Kampagnen vorstellt.

Im Anschluss an alle Präsentationen diskutiert das Gremium bestehend aus den Mitgliedern des Ausschusses für Öffentlichkeitsarbeit und des Vorstandes alle vorgestellten Kampagnen. Mit Hilfe eines standardisierten Beurteilungsbogens kann das Auditorium während der Präsentation der Agenturen Eindrücke und Bewertungen festhalten. Dieser Beurteilungsbogen beinhaltet die Aspekte: Auftritt des Präsentationsteams, Strategie und Konzeption, Kreativität und Realisierbarkeit der Ideen, Branchenkenntnis, Aussagekraft der Kampagne, Vorteilsdarstellung gegenüber den Wettbewerbern, Begleitende Maßnahmen (POS-Werbung, Crosspromotions u.ä.) und Sonstige Notizen.

Ebenso liegt jedem Zuhörer zu jeder Agentur ein Fact-Sheet mit den wichtigsten Informationen zur Agentur vor. In mehreren Wahlgängen werden die gezeigten Kampagnen eingegrenzt bis schließlich eine Entscheidung für eine Kampagne und damit für eine Agentur fällt. Hierbei werden im ersten Wahlgang zunächst die Kampagnen ausgeschlossen, die nicht in Frage kommen. Auf diese Weise reduziert sich bei acht bis zehn Kampagnen sehr schnell das Teilnehmerfeld um die Hälfte.

Die Erfahrung zeigt, dass die Entscheidung den Gremien umso schwerer fällt, je weniger Kampagnen noch im Rennen sind. Besonders lang wird dann diskutiert, wenn die letzten beiden Kampagnen von unterschiedlichen Agenturen stammen und eine davon der Etathalter ist. In diesem Fall kann sich der „Heimvorteil“ des Etathalters auswirken. Bisher ist es jedoch den Gremien des CIVD dennoch immer gelungen, noch am gleichen Abend eine Entscheidung für eine Agentur und eine Kampagne zu fällen. Dies liegt sicher vor allem daran, dass der dreijährliche Prozess der Agenturfindung mittlerweile klar strukturiert und institutionalisiert ist.

Artikel teilen:

Das könnte Sie auch interessieren: