Verbändereport AUSGABE 2 / 2010

E-Lobbying – backstage

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Spätestens seit Barack Obamas Online-Wahlkampf sind die elektronischen Medien auch in das Blickfeld politischer Kommunikation gerückt: Diese Medien sind vom Randdasein in den Mittelpunkt politischer K

Der allgegenwärtige Kampf um Aufmerksamkeit macht auch vor Verbänden nicht halt. Dabei geraten sie zunehmend in Konkurrenz zu Agenturen, PR-Dienstleistern und anderen Verbänden.

Des Weiteren nehmen große Unternehmen ihre Lobbyarbeit häufig selbst in die Hand, kleinere bedienen sich vermehrt Online-Plattformen, auf denen sie sich vernetzen, austauschen und gemeinsam ihre Interessen kommunizieren. Dabei orientiert sich die Kommunikation zunehmend am Modell eines individualisierten Dialogs (!), der auch eine neue Qualität und Quantität an Rückmeldungen bedeutet, die zunehmend dezentraler, direkter, selbstbestimmter und offener werden.

Verbände müssen darauf reagieren und ihre Außendarstellung und Kommunikation professioneller und zielgerichteter gestalten. Dazu zählen eine wesentlich differenziertere, personalisierte Information und Kommunikation ergänzt um Angebote für mehr Partizipation und Self Service — und das ressourcensparend, zeit- und ortsunabhängig.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wächst zudem der Rechtfertigungsdruck einer Mitgliedschaft: Mitglieder erwarten mehr nachweisbare Leistung ohne mehr Ressourcen, also eine effektive Arbeit der Geschäftsstelle, und neue Services für ihre Beiträge, die sich rechnen. Nicht zuletzt können die wachsenden Anforderungen an die Business Excellence bei zunehmend komplexerer Themenvernetzung und Medienvielfalt nur über ein integriertes Kommunikations- und Wissensmanagement erfüllt werden.

Chancen

Verbände sind also einer Menge zum Teil neuen Herausforderungen ausgesetzt, die aber auch große Potenziale einer grundlegenden Modernisierung und damit Zukunftssicherung beinhalten. Chancen, die sich durch den gezielten Einsatz der neuen Online-Medien bieten, sind etwa:

  • Imagegewinn, mehr Vertrauen durch mehr Transparenz und Dialogfähigkeit
  • Größere Sichtbarkeit auch für bisher nicht erreichte Zielgruppen
  • Effektivere und effizientere Geschäftsprozesse
  • Bewahrung und werthaltige Nutzung des Verbandswissens
  • Gremien und Experten-Netzwerk als neuer Online-Community-Service

Basis aller Maßnahmen ist eine übergreifende Informations-, Kommunikations- und Wissensmanagement-Strategie, die sich in einer durchgängigen ITK-Infrastruktur widerspiegelt. Die Abbildung 2 zeigt links zentrale IT-Bausteine und rechts einige durch diese Tools unterstützte Prozesse der Verbandsarbeit in der/den Geschäftsstelle(n), dem Gremiennetzwerk oder der Öffentlichkeit.

Lösungen

Aus diesen vielfältigen Ansatzpunkten sollen die in der Tabelle hellblau unterlegten Felder herausgegriffen und an konkreten Beispielen skizziert werden:
1. Extranet für personalisierte, themenfokussierte Information und Kommunikation der Mitglieder und die Erarbeitung gemeinsamer Positionspapiere
2. CRM1 als zentrales Kontakt-, Adress- und Kommunikationssystem für themen- und wahlkreisfokussiertes

E-Lobbying

Die Beispiele stammen vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. -(BITKOM), der in den letzten beiden Jahren ein neues CRM und Mitgliederportal (Extranet) eingeführt hat.

Das Mitgliederportal des BITKOM vereint personalisierte Mitgliederinformation und Möglichkeiten zur Partizipation, Vernetzung sowie zu zeit- und ortsunabhängiger Online-Zusammenarbeit in themenbasierten Gremienarbeitsräumen. Hierüber sollen Ressourcen (Zeit, Reisekosten, Umwelt) effizient auch kleinere Mitgliedsunternehmen stärker aktiv in die Verbandsarbeit einbezogen werden — etwa bei der Erarbeitung gemeinsamer Positionspapiere. Zudem wird so jedem Mitglied ein anhand selbst bestimmter Kriterien personalisierter — d. h. automatisch gefilterter — Zugriff auf das gesamte, ihm zur Verfügung stehende Verbandswissen angeboten.

Themenauswahl-Formular

Über ein Themenauswahl-Formular im Mitgliederportal kann jeder Nutzer neben weiteren Profildaten bevorzugte Themen in einem Themenbaum angeben. Die ausgewählten Themen haben Einfluss auf die im Portal angezeigten und via CRM versandten Informationen.

Solche Daten helfen bei der Beantwortung der fürs Lobbying wichtigen Frage, welche Gesprächspartner zueinander passen. Wenn es um mehr als Kontakt- und Adressdaten von Personen und Firmen geht, stoßen althergebrachte Adressdatenbanken schnell an ihre Grenzen. Hierfür werden flexiblere Systeme, wie sie in der Industrie schon lange eingesetzt werden, benötigt. Beim BITKOM werden in einem CRM-System die sogenannten Key Assets des Verbandes verwaltet. Dazu gehören neben den Mitgliederstammdaten auch Interessen-, Kommunikations- und Veranstaltungsinformationen. Solche Systeme sollten in jedem Verband die Basis für den On- und Offline-Dialog (Mail, Extranet, Newsletter, Veranstaltungen, Telefonate, Post, Gespräche …) sowie die Einbeziehung der Mitglieder sein. Leider führen diese zentralen Systeme bei vielen Verbänden ein Mauerblümchen-Dasein — wohl weil sie von außen nicht sichtbar sind und interne Organisationsstrukturen und -kulturen einer Modernisierung hier nicht selten im Wege stehen. So bleibt viel wertvolles Wissen entweder in den Köpfen einzelner Referenten oder in individuell angelegten Dateien verborgen.

Dabei ist die Qualität der dort gespeicherten Datensätze die Basis für eine gezielte, personalisierte und effektive Kommunikation und Zusammenarbeit mit Mitgliedern, Politik und Medien.

Beim BITKOM werden neben solchen Informationen auch geografische Daten verwendet, um Ansprechpartner aus Politik und Wirtschaft zusammenzubringen. Abbildung 4 zeigt alle Mitgliedsfirmen in Wahlkreisen im Raum Frankfurt, aufgeschlüsselt nach der Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter. Damit können dortige Politiker mit den Interessen der in ihrem Wahlkreis ansässigen Mitgliedsfirmen in Verbindung gebracht werden.

Die Abbildung politischer Institutionen ist eine besondere Anforderung von Verbänden an solche Systeme, die normalerweise darauf nicht eingerichtet sind. Folgende Anforderungen gilt es dabei zu beachten:

I. Abbildung der politischen Strukturen

- Organe, Parteien, Fraktionen, Gremien (Ausschüsse etc.) von EU- bis Kommunalebene
- Abgeordnetenbüros

II. Korrekte und zielgerichtete Ansprache von Politikern

- Protokollarisch korrekte Ansprache von MdBs u. a.
- Ämter und Rollen von MdBs (Ausschussmitgliedschaften usw.)
- Zuordnung zu Themen, die im Verband bearbeitet werden

III. Schnittstellen Verband/Politik

- Zuordnung der politischen Themen zu den fachlichen des Verbandes, um gezielt Schnittstellen herstellen zu können
- Geografische Zuordnung von politischen Entscheidungsträgern zu Verbandsmitgliedern
- Kontakt- und Veranstaltungsmanagement für die spätere Nachverfolgung (Archivierung)

Folgerungen

Laut Mary C. Joyce, New Media Operations-Managerin der Obama-Wahlkampagne, war das einzig wirklich Neue an der Obama-Kampagne die Telefondatenbank, die es den Unterstützern erlaubte, gezielt persönlich unentschlossene Wähler anzusprechen und deren Reaktion einzutragen — also ein einfaches CRM.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Online-Kommunikation sind eine gute Datenbasis, Infrastruktur und eine Gesamtstrategie, aus welcher sich die Einzelmaßnahmen ableiten lassen und die eine flexible, offene und dialogorientierte Kommunikation unterstützt. Mit Einzelmaßnahmen ist es also nicht getan: Eine effektive Wirkung bedarf einer Änderung interner Abläufe in Richtung größerer Transparenz, mehr Dialogfähigkeit, Offenheit und Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Dazu abschließend noch einmal M.C. Joyce:

„Es kann die Authentizität beschädigen, wenn der Eindruck entsteht, dass neue Technologien vor allem genutzt werden, um sich als innovativ zu branden, ohne dass die Technologie selbst der Kampagne etwas bringt. Die Menschen merken so etwas. Als Erstes braucht man immer eine Strategie.“

1Originär „Customer Relationship Management“, in der politischen Kommunikation auch „Citizen Relationship Management“

Bundesverband Informationswirtschaft, Telekom­mu­nikation und neue Medien e.V. (BITKOM), Berlin

Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., BITKOM hat in den letzten Jahren mehrere Projekte zur Vereinheit­lichung und Modernisierung der Informations- und Kommunikationsinfra­struktur etwa in den Bereichen Intranet, CRM, Extranet und Internet lanciert.
Als ITK-Branchenverband möchte er damit Beispiele für den Einsatz moderner Technologien im Sinne einer effizienteren, effektiveren und ressourcensparen­deren Verbandsarbeit liefern.

Thomas Klauss ist als Diplom-Informatiker und Diplom-Medienberater Projektleiter beim BITKOM für Online-Medien und Wissensmanagement. Seit mehr als 10 Jahren arbeitet er auf diesem Gebiet für große, mittelständische Unternehmen, Start-ups und Institutionen.

Projektleiter Online-Medien & Wissensmanagement BITKOM — Bundesverband Informationswirtschaft,
Telekommunikation und neue Medien e.V.
Postfach 64 01 44, 10047 Berlin, Albrechtstraße 10, 10117 Berlin
Telefon: (030) 27 57 6—280, Telefax: (030) 27 57 6—400
t.klauss@bitkom.org

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Autor/in

Thomas Klauß

ist Geschäftsführer der Netzwerkorganisation Xpoint0 – Moderner Verband, die strategische Beratung, Lösungssuche, -Entwicklung, Projekt- & Changemanagement für die digitale Transformation der Verbandsarbeit anbietet. Er ist Autor des Ende 2014 im Springer-Fachmedienverlag erschienenen, ersten umfassenden Praxisbuchs zur digitalen Verbandstransformation.

http://verband.xpoint0.de

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