Verbändereport AUSGABE 7 / 2010

Employer Branding – Potenzial für Verbände und Organisationen

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Employer Branding gehört zu den viel zitierten Schlagwörtern in Zeiten des „War for Talents“. So oft wie der Begriff eingesetzt wird, so unterschiedlich wird er interpretiert und nicht selten sogar auf Stellenanzeigen reduziert. Die Kernaufgabe von Employer Branding ist die strategische und langfristige Positionierung eines Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber – sowohl gegenüber potenziellen als auch bestehenden Mitarbeitenden. Dabei geht es nicht in erster Linie um die Konzeption neuer Stellenanzeigen, sondern vielmehr um das Entwickeln einer strategisch fundierten Arbeitgebermarke, die an allen Berührungspunkten konsistent zum Ausdruck kommt – visuell und inhaltlich.

In vielen Wirtschaftszweigen wird qualifizierter Nachwuchs knapp — auch in Verbänden und Organisationen. Trotz anhaltender Massenarbeitslosigkeit ist das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften bereits ausgedünnt und speziell der Nachwuchs wird knapp. Die demografische Entwicklung verstärkt diesen Trend zusätzlich: Bis zum Jahre 2015 wird es gut ein Viertel weniger verfügbare Arbeitskräfte im Alter zwischen 30 und 45 Jahren geben als 2006. Bereits dieses Jahr (2010) werden 60 Prozent aller Beschäftigten über 40 Jahre alt sein. Für die Verbände kommt hinzu, dass sie auf dem Arbeitsmarkt im Wettbewerb mit Unternehmen stehen, die über ein zugkräftiges Markenimage verfügen und attraktive Konditionen bieten. Universitätsabsolventen bevorzugen laut vorliegenden Studien einen Berufseinstieg bei Audi, Lufthansa oder BMW (vgl. The Universum German Student Survey 2010, www.universumglobal.com, Direktlink: http://ow.ly/2DQPC); kein Wunder, beherrschen diese Unternehmen die Klaviatur der Markenführung seit jeher in höchster Perfektion. Neben den zurückgehenden personellen Kapazitäten sind es damit Faktoren wie das Image oder auch der Standort eines Verbandes, die sich als personalrelevante Herausforderungen für die Wettbewerbsfähigkeit eines Verbandes darstellen: Eine nichtkarriereförderliche Branche, ein angeblich schlechteres Gehalt und in einigen Fällen ein wenig attraktiver Standort schrecken potenzielle Bewerber vor Verbänden und Organisationen ab.

Vorbehalte gegenüber ­Employer Branding

Auf der Suche nach wirkungsvollen Instrumenten, mit denen Verbände den beschriebenen Herausforderungen begegnen können, fällt immer häufiger das Stichwort „Employer Branding“. Konsequentes und professionelles Employer Branding hilft Verbänden, personalbedingte Wettbewerbsdefizite zu beheben. Es macht Verbände zu einer attraktiven Arbeitgebermarke, und nicht nur im Zuge des Personalmarketings und der Personalgewinnung, sondern auch bei der Personalbindung und Verbesserung der Unternehmenskultur. Employer Branding führt nicht nur zu einer Senkung des Aufwands für die Personalbeschaffung, sondern hilft auch, die Fluktuation und die damit verbundenen Kosten zu reduzieren. Dennoch bestehen zahlreiche Vorbehalte, die dazu führen, dass viele Verbände die positiven Effekte des Employer Brandings nicht für sich realisieren. Die nachfolgende Zusammenstellung führt die häufigsten Vorbehalte und überzeugendsten Argumente für Employer Branding auf:

Vorbehalt 1: „Wir sind doch ­keine Marke!“

Wenn sich ein Verband als Marke etabliert hat, ist dies natürlich von Vorteil für die Arbeitgeberattraktivität. Grundsätzlich ist die systematische Entwicklung einer Arbeitgebermarke aber unabhängig von der Existenz einer strategisch ausgearbeiteten Unternehmensmarke möglich. Vielmehr entspringen beide derselben Quelle, der Unternehmensstrategie, sodass die Entwicklung der Employer-Branding-Strategie auch der Anlass für eine spätere Markenentwicklung sein kann.

Vorbehalt 2: „Wir haben doch wenig zu bieten!“

Gerade wenn ein Verband nach konventionellen Maßstäben scheinbar „nichts zu bieten hat“, muss er mit unkonventionellen Methoden seine Angebote optimieren und — sich auf eine konsistente Unternehmensstrategie stützend — sich als Arbeitgeber positionieren. Dass auch Verbände die Möglichkeit haben, sich als Toparbeitgeber zu behaupten, zeigt aktuell der Caritasverband Olpe, der als Spitzenreiter im vom Great Place to Work® Institute Deutschland (www.greatplacetowork.de) veröffentlichten Ranking „Deutschlands beste Arbeitgeber im Gesundheitswesen 2010“ in der Gesamtnote höher bewertet wird als mancher Bestplatzierte unter den Großunternehmen.

Vorbehalt 3: „Wir haben doch ein schlechtes Image!“

Verbände, die feststellen, dass sie ein schlechtes Image haben, können trotzdem als Arbeitgeber positiv auffallen und ihre Imagewerte verbessern. Oftmals sind auch andauernde und unbeachtete Arbeitgeberdefizite die Ursache für das allgemein schlechte Image. In diesem Fall ist die Arbeitgebermarke der Hebel für die Verbesserung der Positionierung des Verbandes insgesamt.

Vorbehalt 4: „Employer Branding richtet sich nur an High Potentials!“

Auch für Verbände kommt es darauf an, die für sie fachlich wie persönlich am besten passenden Bewerber zu rekrutieren und zu binden. Dabei geht es nicht darum, die Besten zu finden, sondern die Besten unter den Passenden. Zwar lassen sich mit Employer Branding auch High Potentials gewinnen, im Vordergrund zielt Employer Branding jedoch auf die „Right Potentials“.

Vorbehalt 5: „Wir stellen derzeit doch gar nicht ein!“

Zum einen ist es erfolgversprechend, antizyklisch in die Arbeitgebermarke zu investieren. Erfolgreiche Arbeitgebermarken, wie z. B. Audi, Lufthansa oder BMW, wurden eben nicht in Zeiten hohen Recruitingbedarfs gebildet, sondern bereits zuvor. Zum anderen fokussiert Employer Branding nicht nur auf Mitarbeitergewinnung und -bindung, sondern hat überdies positive Effekte auf die Unternehmenskultur und Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden, auf die Positionierung der Unternehmensmarke und letztlich auf den Unternehmenserfolg. Employer Branding ist daher grundsätzlich sinnvoll und nicht vom aktuellen Personalbeschaffungsdruck eines Verbandes abhängig.

Wettbewerbsfaktor Personalqualität

Employer Branding ist ein kontinuierlicher Prozess, der eben nicht von heute auf morgen passiert und nie abgeschlossen ist. Entscheidend für den Erfolg sind unterschiedliche Faktoren, die es im Rahmen eines Employer-Branding-Projektes systematisch zu berücksichtigen gilt. So sind zum einen bestehende strategische Grundlagen (Unternehmensstrategie, Markenstrategie, Personalstrategie usw.) beizuziehen, die Ziele für die Arbeitgeberstrategie daraus abzuleiten und die relevanten Zielgruppen zu definieren. In einem nächsten Schritt gilt es, den Status quo und den Handlungsbedarf zu evaluieren, dabei sind relevante Quellen wie Markt- und Mitarbeiterbefragungen sowie Konkurrenzanalysen zu berücksichtigen. So kann sowohl eine Außen- wie auch eine Innensicht erlangt werden. Im Weiteren dient das Stärken-/Schwächen-Profil, das idealerweise in einem interaktiven Prozess und unter Einbezug des Managements erarbeitet wird, als wichtige Grundlage für die Entwicklung der Arbeitgebermarkenstrategie. Auf Basis dieser breit gefächerten Grundlagen der Analyse wird die für das Unternehmen spezifische Arbeitgeberpositionierung erarbeitet, die in einem Arbeitgeberversprechen gipfeln kann.

Einheitliches Lebensgefühl vermitteln

Das sogenannte Employer Value Proposition Statement (EVP) bringt auf den Punkt, was den Arbeitgeber einzigartig attraktiv macht, und kann als fixer Bestandteil der Personalkommunikation — extern wie auch intern — eingesetzt werden. Die Arbeitgeberpositionierung bildet das Gerüst für das Kommunikations- und Kreativitätskonzept, welches Maßnahmen und Kernbotschaften je Zielgruppe festhält und den Arbeitgeberauftritt nach außen bestimmt. Ob beim Surfen auf der Job-Rubrik, beim Studium der Stellenanzeigen, beim Besuch einer Messe, im Bewerbungsprozess oder als Mitarbeitender im Berufsalltag: Bei jedem einzelnen Kontaktpunkt („Touchpoints“) des Recruitingprozesses mit dem potenziellen beziehungsweise bestehenden Arbeitgeber soll ein einheitliches Lebensgefühl vermittelt werden. Eine erfolgreiche Arbeitgebermarke überzeugt durch einen konsistenten und differenzierenden Auftritt — inhaltlich wie auch visuell. Nur so kann das Potenzial von Employer Branding in allen Wirkungsdimensionen optimal ausgeschöpft werden.

Kontinuierlicher Prozess des Employer Brandings

Für ein erfolgreiches Employer-Branding-Projekt sind unterschiedliche Faktoren entscheidend. Ein interdisziplinäres Team — Vertreter der Personal- und Kommunikationsabteilung wie auch der Linie — ist ebenso zentral wie das Involvieren des Topmanagements. Um Reibungsverluste zu minimieren und den ganzheitlichen Ansatz effizient zu verfolgen, empfiehlt sich zudem, Strategie, Inhalt und Kreation aus einer Hand zu beziehen. Nicht zu unterschätzen sind frühzeitige Schulungen für Mitarbeitende in den Bereichen Personal beziehungsweise Kommunikation sowie das Bereitstellen von praxisorientierten Hilfsmitteln, die die interne Implementierung einer neuen Arbeitgebermarke unterstützen. Denn der Erfolg von Employer Branding ist nicht zuletzt abhängig von Mitarbeitenden, welche die Arbeitgebermarke repräsentieren und die passenden Kolleginnen und Kollegen einstellen. Schließlich erlaubt das systematische Monitoring der Arbeitgebermarke laufende Optimierungen beziehungsweise eine kontinuierliche Weiterentwicklung, um so auf aktuelle Zielgruppenbedürfnisse und Marktgegebenheiten zu reagieren. Denn Employer Branding ist, wie Markenpflege überhaupt, ein kontinuierlicher Prozess, der nie abgeschlossen ist.

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Autor/in

Marcus Stumpf

ist Professor für Marketing an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management in Frankfurt am Main. Als geschäftsführender Gesellschafter der Verbandsberatung relatio GmbH berät er zudem Verbände u.a. zu Fragen der Strategieentwicklung, Ausrichtung der verbandlichen Leistungen auf die Mitglieder (Mitgliederorientierung), Profilschärfung des Verbandes (Ausbau der Marke) oder zur Digitalisierung von Verbänden (Digitale Transformation).

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