Anlässlich des 100. Jahrestages des Gesetzes zur Vereinsfreiheit aus dem Jahre 1901 hat der französische Staatspräsident Jacques Chirac anlässlich einer vom französischen Verfassungsrat organisierten Veranstaltung die Bedeutung der Verbände und ihren Einfluss auf das Gemeinwohl besonders hervorgehoben.
Der französische Premier Lionel Jospin hat am gleichen Tag angekündigt, dass Zuwendungen an bestimmte Verbände steuerlich von gegenwärtig 6 Prozent des Einkommens auf 10 Prozent steuerlich geltend gemacht werden können, um „das bürgerschaftliche Engagement zu stärken“.
Gleichzeitig soll der nationale Fonds für die Entwicklung des Verbands‑ und Vereinslebens (FND-VA) von 24 Millionen FF im Jahr 1997 auf 80 Millionen FF angehoben werden. (Die Präsidentenwahlen lassen grüsen!)
Auch das Budget für die finanzielle Unterstützung der Ausbildung von Freiwilligen soll deutlich besser ausgestattet werden. Hierzu wird unter anderem eine Ständige Konferenz zur Koordinierung von Verbandsaktivitäten (CPCA) eingerichtet. Diese Ständige Konferenz steht unter der Leitung des interministeriellen Delegierten für das Verbandsleben und soll alle zwei Monate zusammentreten.
Charta für ein wechselseitiges Engagement
Zum 100. Jahrestag des Vereinsgesetzes unterzeichneten Lionel Jospin und Hubert Prévot, der Präsident der Ständigen Konferenz für die Koordinierung der Verbände (CPCA), zugleich eine gemeinsame Charta für ein wechselseitiges Engagement, in der es unter anderem heißt:
„Der Verbändesektor ist zu einem fundamentalen Akteur für die Entwicklung, die Innovation und den Zusammenhalt der Gesellschaft geworden, indem er als ‚Vektor des öffentlichen Lebens’ dank seines freien und freiwilligen Engagements die Grundlage der Zivilgesellschaft bildet. Durch diese Charta erkennt der Staat die Bedeutung und den Beitrag der Verbände zum allgemeinen Wohl an und garantiert gleichzeitig die Verbandsfreiheit. Staat und Verbände verpflichten sich, das demokratische Leben zu vertiefen und den zivilen und sozialen Dialog zu pflegen.“
Weiter heißt es in der Charta: „Aufgabe der Zusammenarbeit ist es, auch darauf zu achten, dass die Marktwirtschaft nicht zu einer Marktgesellschaft degeneriert, sondern Werte der Solidarität entwickelt und pflegt.“
Daten zum französischen Vereins‑ und Verbändemarkt
20 Millionen Mitglieder, 900.000 Beschäftigte
Rund 880.000 Verbände sind in Frankreich registriert. Die Zahlen beruhen auf den Eintragungen bei den Präfekturen. Allerdings besteht keine Verpflichtung, das Erlöschen eines Verbandes den Behörden anzuzeigen. Da aber jährlich in Frankreich mehr als 60.000 Vereine und Verbände neu gegründet werden, dürften die Zahlen cum grano salis zutreffend sein.
20 Millionen Mitglieder
Im Jahr 1956 gehörten 45 Prozent der Franzosen im Alter von 25 bis 49 Jahren einem Verein oder Verband an.
308 Milliarden FF
Mit einem Beitrag von 308 Milliarden FF zum Bruttosozialprodukt repräsentiert der Verbändesektor in Frankreich 3,7 Prozent des Bruttosozialprodukts. 54 Prozent der Verbandsmittel stammen aus öffentlichen Haushalten.
Gesundheit, Sozialwesen, Erziehung, Kultur und Sport führend
Das Gesundheits‑ und Sozialwesen, das Erziehungswesen, die Kultur und der Sport bilden die Haupttätigkeitsfelder der Vereine und Verbände in Frankreich. Die meisten Neugründungen von Vereinen und Verbänden konnten in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der Kultur verzeichnet werden. Schwerpunkt der Verbände bilden die Regionen Ile-de-France, Bouches-du-Rhône, Nord et Rhône.
Wichtiger Arbeitgeber in Frankreich
Der Verbändesektor beschäftigte zum 31. Dezember 1995 1.650.000 Personen, das entspricht 907.000 Vollarbeitszeitkräften. 80 Prozent dieser Beschäftigten entfallen hierbei auf das Gesundheits‑ und Sozialwesen. Mehr als die Hälfte aller Sozialarbeiter werden von Verbänden beschäftigt. 71 Prozent der Jobs in Verbänden sind von Frauen besetzt. Spitzenposition nimmt der Vereins‑ und Verbändesektor bei der Beschäftigung von Kombilohn-Mitarbeitern und aufgrund des Beschäftigungsprogramms für junge Franzosen ein. Allein bis Ende 2001 werden in diesem Programm 93.000 Beschäftigungen erreicht werden.
11 Millionen Freiwillige
11 Millionen Freiwillige entsprechen einer Beschäftigungsleistung von 716 Vollzeitarbeitskräften. 28 Prozent dieser Freiwilligen sind auf dem Gebiet des Sports tätig, 17 Prozent im Gesundheits‑ und Sozialbereich, 30 Prozent im Kultur‑ und Freizeitbereich und weitere 5 Prozent in verschiedenen humanitären Projekten.
(Quelle: CNRS-Studie „Die Welt der Vereine und Verbände heute“)