Bei der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) findet eine umfassende Neuausrichtung statt. Geschäftsführerin Dr. Lisa Broß, seit 2024 im Amt, und der langjährige kaufmännische Geschäftsführer, Rolf Usadel, haben den Strategieprozess angestoßen. Neben strukturellen Fragen geht es um Digitalisierungsmaßnahmen, neue Themenfelder und die Zukunft als Fachverband. Katalysierend wirken ein abnehmendes ehrenamtliches Engagement und die baldigen Abgänge der Babyboomer-Generation. Wie man dem Transformationsprozess in der Wasserwirtschaft begegnen will, erklärt Lisa Broß im Interview mit Henning von Vieregge.

Verbändereport: Frau Dr. Broß, Sie sind Sprecherin der Geschäftsführung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall. In knappen Worten: Was macht die DWA konkret?
Lisa Broß: Wie der Name schon sagt, Wasser ist unser Thema. Grundsätzlich machen wir alles außer Trinkwasser. Wir sind das führende Netzwerk der Wasserwirtschaft, wir erarbeiten das Regelwerk der Wasserwirtschaft, wir kümmern uns um die Aus- und Weiterbildung, wir generieren Wissen und bringen es in die Fachwelt und wir vertreten die Interessen unserer Branche gegenüber der Politik auf Bundes- und Länderebene – und noch vieles mehr.
Es gibt noch einen kaufmännischen Geschäftsführer. Sind Sie gleichberechtigt oder wie ist das geregelt?
Ja wir arbeiten gleichberechtigt. Rolf Usadel ist schon seit über 30 Jahren bei der DWA und kennt alle Strukturen. Ich profitiere davon, dass wir als Tandem zusammenarbeiten und uns dank unserer unterschiedlichen Kompetenzen sehr gut ergänzen.
Sie haben Anfang 2024 die Geschäftsführung der DWA übernommen. Erstmalig leitet damit eine junge Frau die DWA.
Das Geschlecht ist aus meiner Sicht irrelevant, da es nicht über die Kompetenz entscheidet. Ich habe die Tätigkeit mit 34 übernommen, kurz danach bin ich 35 geworden. Tatsächlich bin ich aber schon während des Studiums in die Wasserwirtschaft gekommen und inzwischen eine ganze Weile in der Branche tätig. Man hat mich aufgrund meiner Ausbildung und Kompetenz zur Geschäftsführerin gewählt, aber auch um an vielen Stellen die Potenziale zu nutzen, die junge Menschen mit sich bringen.
Ein Vorteil für die Arbeit in einer Branche, die sich im Umbruch befindet? Sie sind fast ein Digital Native.
Ja, die Wasserwirtschaft befindet sich in einem starken Transformationsprozess. Zum einen natürlich durch die Digitalisierung, zum anderen stellt aber auch der Klimawandel unsere Branche vor große Herausforderungen. Ereignisse mit weniger Wasser und Ereignisse mit mehr Wasser fordern den Normalzustand in der Branche heraus. Unsere Gewässer haben immer mal wieder ganz tiefe oder ganz hohe Stände. Die Städte werden mit Starkregen-Ereignissen kurzzeitig überflutet.
Diese Anforderungen durch den Klimawandel treffen auf eine Branche, die sich bereits im Umbruch befindet. Wir arbeiten an der digitalen Transformation, und dies vor dem Hintergrund des globalen Wandels. Als Branche mit einem relativ hohen Altersdurchschnitt trifft uns zudem sehr, dass aktuell und in den nächsten Jahren viele Babyboomer in Rente gehen und ihr Wissen mitnehmen. Die Branche ist aufgefordert umzudenken. Das hat man frühzeitig erkannt und natürlich muss sich auch der Verband entsprechend anpassen.
Können Sie typische Verbandsmitglieder skizzieren? Immerhin gehören der DWA aktuell rund 14.000 Mitglieder an.
Wir haben zwei große Kategorien. Auf der einen Seite gibt es rund 8.000 sogenannte persönliche Mitglieder. Ich bin als interessierte Wasserwirtschaftlerin beispielsweise solch ein Mitglied. Die andere Hälfte der Mitglieder sind Unternehmen, wie Betreiber von Kläranlagen, Unternehmen, die sich mit Gewässerunterhaltung beschäftigen, Ingenieurbüros, Kommunen oder Hochschulen. Also eigentlich alle, die im Bereich der Wasserwirtschaft, sowohl im Gewässer als auch im Abwasser, tätig sind.
Die persönlichen Mitglieder sind häufig ebenfalls in diesen Bereichen tätig und verbinden etwas mit unserem Verband. Sie sind z. B. Mitarbeitende in den genannten Unternehmen oder auch Hochschulprofessoren, Studierende und Betriebspersonal. Die DWA-Mitgliedschaft bietet viele Vorteile. Für alle wasserwirtschaftlichen Fragen finden sie in der DWA eine Expertin oder einen Experten und eigentlich immer eine Lösung. Dazu kommen die handfesten Vorteile wie die kostenlose Verbandszeitschriften und natürlich Ermäßigungen bei DWA-Veranstaltungen und DWA-Publikationen.
Stehen Sie im Wettbewerb mit anderen Verbänden aus Ihrer Branche?
Nein, in den Bereichen Siedlungswasserwirtschaft, Gewässergüte und Hochwasserschutz sind wir der regelsetzende Verband. Wie auch in anderen Branchen überlässt der Gesetzgeber viele Regelungen den Fachverbänden. Um das an einem Beispiel zu konkretisieren:
Der Gesetzgeber erlässt konkrete Vorschriften, beispielsweise welche Schadstoffe zu wie viel Prozent in den Kläranlagen abgebaut werden müssen. Dann gibt es technische Regeln: Wie ist die Abwasserreinigung zu erledigen, wie leitet man Niederschlagswasser ab, oder wie unterhält man ein Gewässer?
Im Trinkwasserbereich gibt es den DVGW, den Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches. Ich würde ihn als Schwesterverband bezeichnen. Viele Themen gehen wir gemeinsam an, beispielsweise mit der Roadmap 2030. Die Roadmap ist ein Fahrplan für die Wasserwirtschaft, der aufzeigt, was wir benötigen, wo wir hinwollen etc. Und dies denken wir im gesamten Wasserkreislauf – Trinkwasser und Abwasser – daher in enger Kooperation mit dem DVGW. Wie viele andere Themen auch.
Wir arbeiten auch im Bereich der Politikberatung. Es gibt noch weitere wasserwirtschaftliche Verbände, die aber ausschließlich Lobbyarbeit machen. Aber auch da: Wir arbeiten für den gleichen Zweck und an vielen Stellen partnerschaftlich zusammen. Grundsätzlich gibt es in der Branche ein großes Miteinander. Von Anfang an war ich sehr positiv beeindruckt, wie die Branche versucht, gemeinsam Probleme zu lösen. Dieses Miteinander gibt mir auch große Hoffnung, dass wir zusammen die vielfältigen wasserwirtschaftlichen Herausforderungen meistern werden.
Sie haben vermutlich einen europäischen Dachverband?
Jein, wir sind zwar Mitglied der European Water Association, kurz EWA. Die EWA ist eine Art Dachverband für unsere Branche. Sie ist aber deutlich anders strukturiert und auch nicht regelsetzend. Daher kann man nicht von einem Dachverband im engeren Sinne sprechen.
Wie viel Prozent der Regeln, die Sie im Einvernehmen mit der Politik setzen, sind europäisch?
Wir bringen uns auf nationaler Ebene in DIN-Verfahren und international in CEN-Verfahren ein. Das sind die Normierungsverfahren auf europäischer Ebene. Die Wasserwirtschaft weist sehr viele nationale Besonderheiten auf. Es gibt einheitliche europäische Vorgaben seitens der EU, die dann national umgesetzt werden. Es gibt ähnliche Verfahren, aber nicht unbedingt die gleichen technischen Regeln. Unsere technischen Regeln sind aber international sehr anerkannt. Sie werden zum Teil in viele andere Sprachen übersetzt und in den jeweiligen Ländern wie Guidelines verwendet.
Sie sprechen von nationalen Besonderheiten. Erwarten Sie, dass die Staaten mittelfristig zusammenwachsen?
Ich glaube schon. Beispielsweise gibt es seit Anfang des Jahres eine neue EU-Kommunalabwasserrichtlinie, die die über 30 Jahre alte vorherige Richtlinie ablöst. Die Novellierung stellt einen Meilenstein für den Gewässerschutz dar. Neue Grenzwerte, neue Vorgaben, beispielsweise auch Vorgaben zum Abbau von Spurenstoffen aus den Kläranlagen, wie Rückstände aus Medikamenten oder Kosmetika. Das bedeutet ein gewaltiges Aufgabenpaket für die europäische Wasserwirtschaft. Deutschland ist hier sehr gut aufgestellt, in vielen anderen Ländern müssen noch Hausaufgaben gemacht werden. Deutschland wird vor allem in die weitergehende Abwasserreinigung zum Abbau von Spurenstoffen und in die von der EU geforderte Energieneutralität der Abwasserbehandlung investieren müssen. Aber, das möchte ich hier noch einmal betonen: Diese Investitionen sind kein Selbstzweck. Sie sind notwendig für die Anpassung des Gewässerschutzes an die aktuellen Herausforderungen.
Sie sagten eben, dass sich die DWA auch in die Normung einbringt. Hemmt Normung die Wirtschaft, oder kann Normung sogar zum Wachstum beitragen?
Wir führen aktuell bei der DWA einen Strategieprozess durch. Eine klare Erkenntnis der Analysen ist, dass viele unserer Mitglieder sehr daran interessiert sind, dass unsere technischen Regeln auch in anderen Ländern gelten. Zum Beispiel Mitglieder, die Anlagentechnik herstellen, wie etwa Kläranlagen, und diese dann ins Ausland liefern möchten.
Wir wollen die zentralen Regeln daher vermehrt insbesondere ins Englische, aber auch in andere Sprachen übersetzen, damit sie im Ausland überhaupt anwendbar sind. Und daher ein klares Ja, eine gute Normung kann definitiv zu Wachstum beitragen.
Wer sind denn die politischen oder administrativen Ansprechpartner?
Auf Bundesebene sind es primär die Mitglieder des Bundestags, aber auch Mitarbeitende in den Ministerien, bisher vorwiegend im Umweltministerium. In der Bundesgeschäftsstelle haben wir zuletzt vermehrt sowohl mit dem Wirtschaftsministerium als auch mit dem Bauministerium Kontakt gehabt, denn unsere Themen verändern sich zunehmend. Wasser ist nicht mehr nur ein Umweltthema. Wir haben auch einen guten Draht zum Innenministerium, denn Abwasserreinigungsanlagen und auch Talsperren sind kritische Infrastrukturen. Das ist ein Thema, das in den vergangenen Monaten immer relevanter geworden ist, nicht zuletzt durch den Krieg in der Ukraine.
Können Sie den letzten Punkt bitte etwas genauer erklären.
Man kann beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine leider sehr gut sehen, was passiert, wenn Stauanlagen angegriffen werden oder was Flutmengen bedeuten. Angriffe auf die Infrastruktur des Gegners sind mittlerweile bedauerlicherweise ein wichtiger Teil der Angriffsstrategie. Es gab Regionen, in denen kein Trinkwasser mehr zur Verfügung stand, weil die Infrastruktur zerstört wurde. Das ist etwas, was man im Wasserwesen, sowohl im Trinkwasser als auch im Abwasser, verhindern möchte.
Ihr Verband hat also auch mit der Verteidigungsbereitschaft zu tun.
Ja, spannenderweise war die Wasserversorgung in Notsituationen mein Promotionsthema. Ich habe 2020 promoviert. Und eines der Szenarien, um die es damals ging, war eine Pandemie. Als wir die Szenarien 2019 in einem Leitfaden des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe veröffentlicht haben und ich meine Analysen durchgeführt habe, hat man gefragt, wie wahrscheinlich ist es, dass es zu einer Pandemie kommt. Als ich dann die Doktorarbeit verteidigt habe, saßen die Prüfer mit Maske da.
Zu welchem Fazit sind Sie damals gekommen?
Wir haben festgestellt, dass das Thema für das Betriebspersonal relevant ist, nicht primär für das Wasser. Bei aller Digitalisierung, viele Aufgaben müssen vor Ort erledigt werden, dafür braucht man Personal. Wenn das Personal nicht zur Arbeit kommen kann, stellt sich die Frage, wie der Betrieb der Infrastrukturen noch funktioniert.
Sie erwähnten vorhin einen Strategieprozess. Was genau hat es damit auf sich?
Wir haben Anfang letzten Jahres, auch durch die Chance, die eine Veränderung in der Bundesgeschäftsführung mit sich bringt, begonnen, uns alle Tätigkeitsbereiche, alle Strukturen, alle Organe des Verbands anzuschauen. Zu überlegen, wie man diese in Zukunft ausrichten müsste, damit es einen Fachverband wie uns mit inzwischen fast 77 Jahren auch in 77 Jahren noch gibt. Da stellen sich einige Fragen: Wie sieht die Wasserwirtschaft in Zukunft aus, und für welche Tätigkeiten braucht es dann noch einen Fachverband? Im Zuge dessen haben wir begonnen, mit unseren Mitarbeitenden und allen Organen, die wir haben – unserem Vorstand, unserer jungen Organisation, der Jungen DWA, und mit unseren Landesverbänden –, ein Zielbild zu entwickeln. Hierzu haben wir mehrere, auch mehrtägige Workshops durchgeführt, um uns zu überlegen, wie eigentlich die Zukunft eines Tätigkeitsfeldes aussieht und was für die Struktur daraus folgt. Inzwischen befinden wir uns in der Umsetzungsphase.
Welche Schritte folgen im Einzelnen?
In den bisherigen Workshops mit verschiedensten DWA-Stakeholdern haben wir klar erarbeitet, wo wir hinwollen. In diesem Jahr werden wir konkrete Maßnahmen umsetzen, um den Verband zukunftssicher aufzustellen. Diese Maßnahmen reichen von einer notwendigen Satzungsüberarbeitung, bei der Haftungsfragen und strukturelle Fragen geklärt werden müssen, über Digitalisierungsmaßnahmen und neue Tätigkeitsfelder bis hin zu einer Neuausrichtung unseres internationalen Tätigkeitsfeldes.
Wie lange haben Sie vor, sich damit zu beschäftigen?
2025 wird für uns das zentrale Jahr. Wir wollen z. B. im September unsere neue Satzung verabschieden. Wir werden aber in 2025 nicht alle Maßnahmen abgeschlossen haben. Unsere Facharbeit umzustrukturieren, wird mindestens bis 2026 brauchen.
Sie haben ein Beratungsunternehmen zu Hilfe genommen. Warum?
Die Unternehmensberatung Confideon unterstützt uns bei dem Prozess. Confideon ist eine primär auf die Wasserwirtschaft spezialisierte Beratungsgesellschaft. Deren Geschäftsführer Oliver Hug bringt sich bei uns auch als DWA-Mitglied in die Facharbeit ein. Er kennt den Verband sehr gut und hat sich zudem von einer Kollegin Unterstützung geholt. Beide haben uns von Anfang an begleitet, unterstützen uns in der Moderation, Vorbereitung, Nachbereitung und Dokumentation der Workshops. Wir haben einen ähnlich gelagerten Workshop sechsmal durchgeführt, mit unterschiedlichen Gruppen und unterschiedlichen Blickwinkeln. Danach haben wir das übereinandergelegt und daraus Maßnahmen entwickelt, bei denen wir uns sicher sind, dass sie auf mehrere Konten einzahlen.
Worin sehen Sie den Vorteil, eine Unternehmensberatung einzubinden?
Es gibt uns als Geschäftsführung die Möglichkeit mitzudiskutieren. Denn wenn man moderiert oder mitschreiben muss, ist man immer in irgendeiner Form außen vor. So konnten wir bei allen Maßnahmen mitdebattieren und haben aus unserer Sicht ein hervorragendes Ergebnis erzielt.
Haben Sie sich auch damit beschäftigt, wie die Wirklichkeit in Ihren Themenfeldern in einigen Jahren ausschauen könnte und welche Themen wichtiger werden, z. B. Entsieglung?
Die sich verändernde Welt, und hier meine ich explizit nicht alleine die Wasserwirtschaft, ist ein wesentlicher Treiber für unseren Strategieprozess.
Wir waren immer im Bereich der Umweltpolitik tätig. Jetzt kommen Fragestellungen hinzu, die vielmehr Schnittstellenthemen sind. Das Thema Stadtentwicklung gehört dazu. Und die Themenvielfalt wird zunehmend breiter. Wir kriegen häufig Anfragen, ob wir nicht zu einem Thema eine technische Regel oder eine Veranstaltung entwickeln können. Wir stellen uns aber die Frage, wie das am Ende händelbar bleibt.
Händelbar für Haupt- und Ehrenamt?
Unsere zentrale Herausforderung ist, dass das ehrenamtliche Engagement zurückgeht. Wir merken den Fachkräftemangel in der Branche. Personen gehen in Rente, Stellen werden nicht nachbesetzt. Ein Großteil der Personen engagiert sich während der Arbeitszeit bei uns. Eigentlich ist das Ehrenamt bei uns, anders als im Sportverein, eher eine Freistellung beim Arbeitgeber. Wenn Unternehmer bei gleichen Aufgaben weniger Personal haben, können die einzelnen Fachkräfte schwieriger für ehrenamtliche Arbeit in der DWA freigestellt werden. Obwohl, und auch das muss hier gesagt werden, Ehrenamt ist keine Einbahnstraße. Auch die Unternehmen profitieren vom Engagement, insbesondere von den vielen Kontakten im Netzwerk DWA. Wir als DWA stehen aber definitiv vor der Herausforderung, dass einer immer größeren Themenvielfalt ein abnehmendes ehrenamtliches Engagement gegenübersteht.
Kann man dem nicht entgegenwirken, z. B. durch mehr Online-Kommunikation?
Auf jeden Fall. Die meisten Sitzungen unserer Gremien finden mittlerweile online statt, das spart viel Reisezeit. Aber der direkte persönliche Austausch bleibt wichtig. Unsere Aufgabe als DWA ist es, den ehrenamtlich Tätigen äußerst effiziente Strukturen zur Verfügung zu stellen. Und daran arbeiten wir intensiv.
Sie sitzen in Hennef bei Bonn, viele Verbände und die Politik arbeiten in Berlin. Steht ein Umzug nach Berlin auf der Agenda?
(lacht) Wir sind 77 Jahre alt und haben uns damals in der Bundeshauptstadt Bonn angesiedelt. Wir sind dann nach Hennef gezogen, weil wir hier ein Grundstück erworben und unser Bürogebäude gebaut haben. Wir sind massiv gewachsen und haben sogar noch ein zweites Gebäude gebaut. Und Bonn ist nach wie vor ein wichtiger politischer Standort. Auch die Abteilung Wasser des Umweltministeriums befindet sich hier.
Wie viele Hauptamtliche sind für den Verband tätig?
In Summe 160 Mitarbeitende, davon etwa 100 in Hennef und 60 über die sieben Landesverbände verteilt.
Haben Sie diese Struktur auch diskutiert?
Natürlich, aber die Aufstellung mit einer zentralen Bundesgeschäftsstelle und sieben Landesverbänden ist für uns optimal. Wasserwirtschaft ist regional. Unsere Landesverbände organisieren zudem sogenannte Nachbarschaften. Dort trifft sich beispielsweise das Betriebspersonal von Kläranlagen zum regelmäßigen Austausch. Gleiches gilt für Kanalnetzbetreiber oder Gewässerunterhalter.
Es gibt vor Ort auch landesspezifische Veranstaltungen mit niederschwelligen Zugängen. Wir als Bundesverband machen das, was deutschlandweit einheitlich ist. Dadurch profitieren wir. Wir sagen immer „Einheit in Vielfalt“, wenn auch diese Struktur durchaus viel Abstimmungsbedarf bedeutet.
Veränderung wird nicht immer von allen positiv gesehen. War das eine Herausforderung bei Ihrem Strategieprozess?
Unser Vorhaben war bei manchen Beteiligten am Anfang durchaus mit gewissen Ängsten und Befürchtungen verbunden. Da ist es wichtig, Vertrauen zu bilden. Die Transparenz des Prozesses und eine gute Kommunikation der Schritte und Ziele war, uns von Anfang an sehr wichtig. Wir werden keine Arbeitsplätze abbauen, wir werden sogar eher ausbauen. Und wir wollen die Tätigkeiten, die gut sind, unbedingt bewahren.
Welche Neuerungen können Sie benennen?
Grundsätzlich sind wir gut aufgestellt. Es gibt aber wichtige Stellschrauben, an denen wir uns noch optimieren können. Es muss z. B. nicht achtmal das Gleiche entwickelt werden – in der Bundesgeschäftsstelle und in sieben Landesverbänden. Wenn wir uns intensiver austauschen und auch voneinander lernen, schaffen wir einen echten Mehrwert.
Ein wichtiger Baustein ist das persönliche Kennen der einzelnen Mitarbeitenden, auch in den Landesverbänden. Wenn man sich kennt, greift man eher direkt zum Hörer, um ein Problem anzusprechen oder eine Frage zu klären. Das klingt banal, ist aber das wichtige Fundament, um gemeinsam Großes zu entwickeln. Zudem arbeiten wir an neuen Geschäftsmodellen, die besonders gut funktionieren, damit wir trotz der acht Standorte als eine Einheit mit starker Identifikation mit der DWA agieren.
Ist es das, was Sie mit „starker Identifikation“ meinen?
Ganz genau! Eines unserer Hauptziele ist, dass wir als ein Verband wahrgenommen werden wollen. Das betont auch unser Logo, die DWA ist hier immer präsent. Bei den Landesverbänden steht dann DWA Landesverband Nord-Ost oder DWA-Landesverband NRW, aber immer auch DWA. Die Mitglieder vor Ort fühlen sich häufig ihrem eigenen Landesverband zugehörig und das ist vollkommen richtig. Aber sie sind am Ende bei der DWA Mitglied.
Nun braucht es für einen solchen Prozess nicht nur eine entschlossene Geschäftsführung, sondern auch ein veränderungswilliges Präsidium. Wie ist das hier gewesen?
Das Präsidium fordert Veränderungen konkret ein. Das war bereits ein wichtiges Kriterium bei der Neubesetzung der Geschäftsführung vor zwei Jahren. Eines der Auswahlkriterien war die Vorstellung eines Konzeptes, wie man sich den Verband in X Jahren vorstellt. Dort habe ich das vorgestellt, was ich jetzt umsetze. Das hat das Präsidium überzeugt; dementsprechend hat es diesen Veränderungsprozess von Anfang an mitgetragen.
Es dürfte in der Verbandswelt durchaus ungewöhnlich sein, eine so junge Geschäftsführerin zu bestellen. Sie konnten sicherlich mit Kenntnis von Thema und Verband punkten. Nun führen Sie eine große Organisation. Wie kommt es, dass Sie sich das zutrauen?
Führung ist keine Altersfrage. Für mich heißt Führung vor allem, die Mitarbeitenden mit klaren Zielen und viel Offenheit und Transparenz mitzunehmen. Und trotz meines relativ jungen Alters konnte ich schon viel Führungserfahrung sammeln. Während meines Studiums habe ich die Gruppe der studentischen Hilfskräfte geleitet, auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin hatte ich ein kleines Team von Studierenden. Bei meinen weiteren beruflichen Stationen ist die Verantwortung stetig gewachsen. Natürlich bedeutet die Übernahme der DWA-Geschäftsführung noch einmal einen großen Sprung, sowohl bezüglich der Anzahl der Mitarbeitenden als auch bei der Bekanntheit und Bedeutung der Organisation. Ich führe zudem sehr gern. Mein Führungsstil ist nicht klassisch hierarchisch. Ich führe kooperativ und empathisch, das funktioniert sehr gut bei den Dingen, die wir verändern wollen.
Die obligate Frage zum Schluss: Welche Empfehlungen können Sie anderen Verbänden aus Ihrer Erfahrung heraus geben?
In erster Linie, mutig zu sein und auch mal anders zu agieren, selbst wenn das Endergebnis nicht eindeutig absehbar ist. Wir haben so in kurzer Zeit ganz viele Fortschritte gemacht. Ich bin sehr glücklich darüber, dass mein Co-Geschäftsführer Rolf Usadel der größte Unterstützer in diesem Veränderungsprozess ist. Er treibt den Prozess ganz wesentlich mit mir voran. Ich hätte am Anfang gar nicht so vermutet, dass man sich aus den klassischen Denkweisen raustraut und einfach mal ausprobiert. Das ist aus meiner Sicht etwas, was wir auch im nächsten Jahr machen werden: mutig sein und kreativ!
Kann es sein, dass nicht nur in Ihrem Verband Menschen darauf warten, dass sich etwas ändert und Veränderungsprozesse nicht behindern, sondern unterstützen?
Genau das ist meine Erfahrung. Wir arbeiten wie gesagt an einer Anpassung unserer Satzung und Geschäftsordnungen. Dazu gehört, ehrenamtliche Positionen möglicherweise zusammenzuführen. Die Anzahl dieser Ämter zu reduzieren, da hat man mir am Anfang gesagt: Pass bloß auf, du wirst dir die Finger verbrennen. Spannenderweise haben mir schon mehrere Persönlichkeiten angeboten, im Zweifelsfall auf ihr Amt zu verzichten. Man kann Dinge bewegen, wenn man die Menschen mitnimmt. Wir haben den Prozess so angelegt, dass ganz viele Haupt- und Ehrenamtliche sich einbringen konnten. Dadurch hat der Prozess zwar viel länger gedauert, aber das zahlt sich aus. Alle Bedenken sind vom Tisch. Jetzt kann man handeln, und jetzt handeln wir mutig.
Ein sehr schönes Schlusswort, vielen Dank für das Gespräch.
(HvV/KS)