Verbändereport AUSGABE 2 / 2014

Junge Menschen für die Branche begeistern

Der Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG) hat seine Zielgruppen klar im Fokus

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Wirtschafts- und Interessenverbände sehen sich derzeit gleich drei zentralen Herausforderungen gegenüber gestellt: Interessenvertretung gegenüber politischen Entscheidern, interaktiver Mitgliederservice und eine Leitfunktion in Sachen Nachwuchsansprache für die Branche. Neben den klassischen Mitteln der Verbandsarbeit setzt der Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG) seit 2013 auf eine integrierte Imagekampagne, um diese Aufgaben zufriedenstellend, also effektiv und effizient erreichen zu können.

Wir müssen unsere Mitglieder noch besser unterstützen und müssen junge Menschen immer wieder für unsere Branche begeistern. Zudem könnten wir in der wirtschaftspolitischen Diskussion noch stärker als Branche wahrgenommen werden. Das ist die Zielsetzung und zugleich der Handlungsauftrag, die der BDG formulierte. Immerhin: Es handelt sich um einen Wirtschaftsverband mit 600 Mitgliedsunternehmen und gut 80.000 Beschäftigten in Deutschland. Die hiesige Gießerei-Industrie ist deutschland- und europaweit eine der führenden Zulieferindustrien für den Automobil-, Maschinen- und Anlagenbau.

Eine einzelne Broschüre, ein losgelöstes Projekt sind wie ein Strohfeuer: ein kurzfristiger Erfolg, aber auf lange Sicht verändert das wenig. Denn sowohl hinsichtlich der Wahrnehmung der Gießerei-Branche in der Fachöffentlichkeit insgesamt sowie damit einhergehend, der gezielten motivierenden Ansprache künftiger Fach- und Führungskräfte, als auch der „internen Kommunikation“ mit den Mitgliedsunternehmen sind nachhaltige Lösungen gefragt.

Die Kernfrage lautet also: welche Themen, Argumente, welchen Mehrwert bieten Industrieverbände und entsprechenden Branchenvertretungen ihren Mitgliedern und künftigen Beschäftigten an? Die Antworten darauf bilden das Gerüst einer strategischen und konzeptionell tragfähigen Verbandskommunikation für die Zukunft.

Entsprechend startete der BDG Anfang letzten Jahres eine Informationskampagne, die thematisch auf den Säulen Nachwuchskommunikation, Mitgliederkommunikation und Interessenvertretung gegenüber Dritten basiert. Angelegt ist die Kommunikationsoffensive auf drei Jahre. Alle Themenbereiche werden im Verlauf mehr oder weniger stark bedient. Die Kampagne wird durch externe Partner professionell begleitet.

Gründe für mehr Verbandskommunikation

Guss-Produkte spielen beispielsweise im Automobilbau, bei der Motorentechnik sowie der Leichtbaukonstruktion von Karosserien eine wichtige Rolle. Auch in Windanlagen, im Maschinenbau sind wir längst innovativer. Leider ist das in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt genug. Manchmal spuken da noch alte Bilder im Kopf herum. Zudem ist es für uns wichtig, den Nachwuchs und künftige Führungskräfte aktiv anzusprechen und für unsere Branche zu gewinnen. Auf der politischen Ebene wollen wir uns als Branche weiter positionieren. Diese ganz praktischen Ausführungen decken sich auch  mit dem, was aktuelle Studien darstellen. Laut verschiedener Verbändestudien stehen die Themen interaktive Mitgliederkommunikation, Lobbyarbeit und Professionalisierung der Kommunikation im Vordergrund.

Verbände sollten also „mehr Kommunikation wagen“. Das unterscheidet sich deutlich von der verbandstypischen Gremienarbeit. Diese ist wichtig und steht außer Frage, wenn es z. B. um brancheninterne Regelwerke sowie Normen und übergeordnete Leistungen für die Mitglieder und die Branche insgesamt geht. Sobald aber Fragen bzgl. öffentlicher Wahrnehmung, Darstellung der Kompetenz gegenüber Dritten und Selbstdefinition des Verbandes gestellt werden, betreten wir das Feld der Kommunikation, noch besser: des Marketings. Im Besonderen natürlich, wenn der künftige Fachkräftemangel, wie insgesamt branchenübergreifend, als Herausforderung für den Industriestandort Deutschland gesehen wird.

Geplant, messbar auf den Punkt gebracht

Es gibt sehr gute große, aber leider auch budgetintensive Beispiele, wie die Handwerks-Kampagne. Solche Vorhaben sind für viele Verbände und Interessenvertretungen einfach nicht realisierbar. Aber aus Mangel an entsprechenden finanziellen Mitteln und häufig auch nur beschränkten personellen Ressourcen – und dem mangelnden Wissen, was dennoch machbar wäre – kommt es allzu oft zu Einzelaktivitäten ohne wirkliche (messbare) Resonanz. Auch der Versuch, nun mit Social Media als neuem Medium modern und innovativ zu sein, gelingt in der Praxis nur wenigen. (siehe Verbändereport Ausgabe 8/2013: Hoffjann, Gustko: „Die Fortsetzung der Pressearbeit mit anderen Mitteln“ zur Studie: „Der Partizipationsmythos. Wie Verbände Facebook, Twitter & Co. nutzen“, Otto Brenner- Stiftung). Doch es geht auch anders, wie das Beispiel BDG-Kampagne zeigt. Sicher, mit viel Geld kann man auch viel machen. Aber der Erfolg hängt nicht nur vom Budget ab. Mit den richtigen Ideen und Impulsen von außen konnte der Verband schon einiges bewegen, so das erste Resümee nach knapp zwölf Monaten.

Gerade die Nachwuchskommunikation ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Nutzen für die adressierte Zielgruppe im Vordergrund stehen muss. Da können Verbände von den Mitgliedsunternehmen lernen. Denn einen Schüler oder Studierenden interessiert nicht die Verbandsstruktur. Für ihn sind Karriereaussichten, Einstiegsgehalt und Weiterbildungsmöglichkeiten relevant. Die Mitgliedsunternehmen wollen einen greifbaren Mehrwert vom Verband zurückbekommen. Und auch der Verband selbst muss einen Nutzen für sich selbst stiften/definieren, um als aktive Interessenvertretung – beispielsweise im politischen Umfeld oder gegenüber wirtschaftlichen Interessen anderer – selbstbewusst auftreten und agieren zu können.

Damit wird Verbandkommunikation zur strategischen Führungsaufgabe. Wie in jedem Unternehmen geht es also darum, Ziele zu definieren, den Weg dorthin auszuarbeiten und schließlich zu messen, prüfen und nachbessern, um diese auch zu erreichen. Das unternehmerische Verkaufen wird im Verbandskontext im ersten Schritt zur Steigerung von Image und Reputation und damit zum Garant für Loyalisierung bei den Mitgliedsunternehmen, Bekanntheitssteigerung bei den Zielgruppen und Teilöffentlichkeiten und schließlich als Motivation für eine Mitgliedschaft zusätzlicher Unternehmen.

Im zweiten, weitergehenden Schritt „verkauft“ gelungene Verbandskommunikation die Branche und damit die Mitgliedsunternehmen als guten Arbeitgeber bzw. unterstreicht die Kompetenz des einzelnen Unternehmens vor Ort. Der Verband wird damit zum aktiven Kommunikator, der als zentrale Instanz der Branche über gebündeltes Wissen verfügt. Kommunikationswissenschaftlich gesprochen kann er als Gate Keeper diese Informationen gezielt nutzen und einsetzen und Themen aktiv in die Diskussion einbringen bzw. mit branchenspezifischen Argumenten und Inhalten füllen - Stichwort: Agenda Setting. Konkret unterstützt und initiiert die gelungene Verbandskommunikation somit individuelle Aktionen der Mitglieder, indem zentrale Argumente, Eckdaten und Brancheninformationen sowie Hilfsmittel (Checklisten, Beratungsleistungen, standardisierte Kommunikationsmittel) bereitgestellt werden.

Die Kampagne des BDG

Die Verbandskommunikation setzt zwangsläufig andere Schwerpunkte als es in den Mitgliedsunternehmen der Fall ist. Die institutionelle Kommunikation ist häufig reaktiv, verwaltend. Selbst Publikationen sind eher dokumentierend. Was häufig fehlt, sind die Perspektiven, Möglichkeiten und auch Visionen der Branche als Ganzes stärker zum Ausdruck zu bringen. Es gehört ja gerade zu den wesentlichen Kommunikationsaufgaben eines Branchenverbandes als zentrale Instanz, als Vertretung für die Mitglieder das Wort zu ergreifen. Besser gesagt, der Verband muss es sogar tun, um die zukünftige Richtung der Branche und seine eigene zu artikulieren.

Mit dem Kampagnenclaim „Guss – ein starkes Stück Zukunft“ hat der BDG gleich zu Beginn eine bindende optische und auch inhaltliche Klammer geschaffen, die genau dies aufgreift. Das gilt sowohl für das einzelne Produkt, die Branche, das Mitgliedsunternehmen sowie den einzelnen Beschäftigten bis hin zum künftigen Auszubildenden und der angehenden Ingenieurin. Alle Kampagnenelemente leiten sich davon ab bzw. bilden das „Futter“ dazu.

Angeschoben von den Mitgliedern, wurde als erstes Schwerpunktthema die Nachwuchskommunikation installiert. Eine neue Webseite inklusive Ausbildungsplatz-, Praktikums und Studienarbeitsbörse (www.powerguss.de) machte den Anfang, gefolgt von einem eigenen knapp 50-seitigen Jugendmagazin (YOUCAST), das künftig zweimal pro Jahr erscheint. Parallel beteiligte man sich an Berufsorientierungsmessen. In den kommenden zwei Jahren werden soziale Medien sowie die Bereiche Film, Video und weitere Kooperation z. B. mit dem VDI Projekt SACHEN MACHEN ergänzt.

Die Aufgaben „Ansprache der Fachöffentlichkeit“ und „Mitgliederkommunikation“ gehen verstärkt Hand in Hand: Durch überarbeitete Webseiten, einem komplett überarbeiteten und stark erweiterten Intranet, eine kontinuierliche Pressearbeit sowie die aktive Unterstützung der Mitgliedsunternehmen durch Broschüren, Informationsmaterial, Beratungsleistungen und Vor-Ort-Services.

Besonders zu nennen sind die regionalen BDG-Diskussionsrunden mit Bundes- und Landespolitikern zu den Themen Nachwuchs und natürlich auch den Themen Energiekosten und EEG, bei Gießerei-Unternehmen vor Ort. Damit werden Öffentlichkeitsarbeit, Mitgliederservice sowie Themenarbeit für die Branche mit einer Maßnahme gebündelt.

Ein interessanter Effekt bei solchen Verbandsprojekten ist, dass es in der Regel recht schnell zu einer internen Eigendynamik kommt. Sobald die Ziele erkannt und erste Kommunikationsmaßnahmen sichtbar sind, ändert sich auch das grundsätzliche Verständnis von und für Verbandskommunikation hin zu mehr aktiver Darstellung von Nutzen, Mehrwert und interaktivem Service. Das ist eigentlich der wichtigste Erfolg für eine erfolgreiche, nachhaltige Verbandskommunikation. 

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