Nicht jeder Fusionsprozess ist von Erfolg gekrönt. Unrealistische Erwartungen, fehlerhaftes Fusionsmanagement oder die schlichtweg falsche Wahl des Fusionspartners sind häufige Gründe für ein Scheitern. Genau dies sind gleichzeitig Gründe, auf die Kommunikation einen maßgeblichen Einfluss hat. Oder anders ausgedrückt: Ohne eine entsprechende begleitende Kommunikation wird der Erfolg einer Fusion leichtfertig aufs Spiel gesetzt.
Dass Fusionen nicht nur an äußeren Kennziffern, sondern auch an der Unvereinbarkeit von Organisationskulturen oder mangelnder Kommunikation zwischen den fusionierten Partnern scheitern können, ist bekannt. Doch reicht es nicht aus, Mitarbeiter, Mitglieder und schließlich auch Externe in Politik, Medien und Wirtschaft zu informieren? Eine Fusion geschieht doch zum Nutzen aller, wozu also eine aufwendige und kostspielige begleitende Kommunikation – so wird vielfach noch argumentiert, wenn im Vorfeld einer Fusion das Thema „Kommunikation“ angesprochen wird. Kommunikation in Fusionsprozessen muss aber mehr leisten als reine Information. Schließlich geht es um nichts weniger als darum, das Umfeld zu schaffen, in dem die Fusion erst zum Erfolg wird. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Fusionen in der Regel aufgrund von kommunikativem Missmanagement scheitern, nicht aufgrund organisatorischer Fehlleistungen. Deshalb müssen vor allem die Mitglieder und Mitarbeiter aktiv in den Veränderungsprozess eingebunden werden, denn schließlich sind sie es, die die neue Organisation mit Leben füllen sollen. Gelingt dies hingegen nicht, werden die Ziele der Fusion unweigerlich verfehlt.
Im Vorfeld einer möglichen Fusion gilt es in der ersten Phase, der Anbahnungsphase, eine belastbare Standortbestimmung durchzuführen. Diese vermeintliche Selbstverständlichkeit birgt in der Praxis hingegen oftmals bereits den Keim für einen später nicht befriedigenden Fusionsprozess. Für die Standortbestimmung sind sowohl die Binnensicht, das heißt die Haltung der Mitglieder und Mitarbeiter, als auch die Außensicht von entscheidender Bedeutung. In der Kommunikationsarbeit kommen als Instrumente detaillierte Mitgliederumfragen sowie die Befragung ausgewählter weiterer Zielgruppen des Verbandes wie Nichtmitglieder, Multiplikatoren, aber auch Ansprechpartner in der Politik zum Einsatz. Erst wenn die Standortbestimmung inklusive einer aufrichtigen Stärken-/Schwächenanalyse abgeschlossen ist, können in einem weiteren Schritt die Ziele definiert werden.
Die Erfahrung zeigt, dass der Außenblick externer Berater in der Anbahnungsphase von großem Vorteil sein kann. Neben der Expertise, die an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden soll (siehe hierzu auch: „Unternehmensberatung und Verbändeberatung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Prüf- und Entscheidungskriterien für die Auswahl eines Beraters“, in: Verbändereport 02/2007, S. 18–23), liegt der Vorteil der Hinzuziehung von Externen darin, dass diese nicht in die vorhandenen internen Handlungs- und Beziehungsstrukturen eingebunden sind. Die Stärken- und Schwächenanalyse ist immer auch ein Prozess, der die Unzulänglichkeiten und Versäumnisse des Status quo offenlegt. Wird dieser Analyseprozess hingegen ohne externe Unterstützung angegangen, so ist festzustellen, dass die wichtige Analyse der Schwächen zumeist oberflächlich oder -unvollständig durchgeführt wird. Die Chance zur Optimierung bleibt so ungenutzt. Eine weitere Erfahrung aus der Praxis: Die meist in Form von Workshops durchgeführte Standortanalyse sollte möglichst immer mit dem gleichen Personenkreis durchgeführt werden. Wechselnde Besetzungen der Workshops insbesondere vonseiten des Ehrenamtes erschweren die Arbeit und sind nicht zielführend.
Fusionsmanagement als Leitungsaufgabe
Eine Fusion ist immer ein Top-down-Prozess. Daraus folgt, dass das Fusionsmanagement eine Leitungsaufgabe ist und nicht delegiert werden kann. Hauptgeschäftsführung und Präsidenten kommt daher im gesamten Prozess eine besondere Rolle zu. Sie müssen den gesamten Prozess führen und Orientierung bieten, da die gesamte Zeit bis zur erfolgten Fusion immer auch eine Zeit der Unsicherheit für Mitarbeiter und Mitglieder ist. Aufgabe der Kommunikation ist es wiederum, Anlässe zu schaffen, um diese Leadership demonstrieren zu können. Dies können Workshops sein, Mitarbeiterveranstaltungen oder Beiträge in der Mitgliederzeitschrift. Viel kommt auch auf die richtige Symbolik an: So werden auch kleine Gesten in Fusionsprozessen genauer beobachtet und stärker bewertet als zu „normalen“ Zeiten.
Um ihren Aufgaben gerecht werden zu können, sollten die für die Kommunikation Verantwortlichen dem für die Fusion zuständigen Leitungsteam angehören. Dass sich die zukünftigen Partner im Bereich der Kommunikation eng abstimmen und mit einer Stimme sprechen sollten, klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist es jedoch nicht. Diese Abstimmung kann in institutionalisierter Form, beispielsweise als Arbeitskreis „Fusionskommunikation“, oder auch in Abhängigkeit von der Größe der Partner und der räumlichen sowie persönlichen Nähe der handelnden Akteure auf dem „kleinen Dienstweg“ erfolgen.
Auch wenn in der Anbahnungsphase noch viele Fragen offenbleiben, sind die Mitarbeiter und Mitglieder über die geplante Fusion zu informieren. Die Information der Mitglieder erfolgt dabei über die Mitgliederzeitschrift, das Intra- oder Extranet, per Rundschreiben oder – noch besser, weil in Form einer persönlichen Ansprache – auf einer Veranstaltung. Wichtig dabei: Kommunikation darf keine Einbahnstraße sein! Die Schaffung von Response-Möglichkeiten ist einfach: Dies kann ein entsprechender Bereich im Extra-/Intranet sein, aber auch der Hinweis in der Mitgliederzeitschrift, dass für Rückfragen der feste Ansprechpartner XY zur Verfügung steht. Die tatsächliche Nutzung solcher Angebote ist in der Praxis höchst unterschiedlich – generell gilt aber, dass es wichtig ist, Offenheit zu signalisieren.
Dem „Flurfunk“ zuvorkommen
Die im Sommer 2007 erschienene Studie der TU München „Veränderungen erfolgreich gestalten“ zeigt, dass fehlende Erfahrung der Führungskräfte im Umgang mit der Verunsicherung der Mitarbeiter, lückenhafte oder verspätete Information der Mitarbeiter sowie die unzureichenden Möglichkeiten zur Bewältigung von Ängsten und Widerständen der Mitarbeiter allesamt zu den zehn Hauptgründen zählen, die für das Scheitern von Veränderungsprozessen verantwortlich sind. Fast die Hälfte aller Mitarbeiter wird gar als Bremser entsprechender Prozesse geoutet und nur ein Fünftel treibt die Veränderungen aktiv voran. Dies sind alarmierende Zahlen. Für die Praxis heißt das: Auch wenn der „Flurfunk“ meist schneller ist, so müssen die Mitarbeiter möglichst frühzeitig über die geplanten Veränderungen informiert werden. Eine Fusion bedeutet immer eine Status-quo-Änderung, die als Bedrohung empfunden werden kann: Was geschieht mit meinem Arbeitsplatz? Wie sieht es mit meinen Karrierechancen im neuen Verband aus? Wo wird der neue Standort sein? Auf die Fragen der Mitarbeiter müssen – soweit es in dieser frühen Phase bereits möglich ist – plausible Antworten gegeben werden. Gute Kommunikationsarbeit zeichnet sich also dadurch aus, dass die Befindlichkeiten der Mitarbeiter beachtet werden.
Die Praxis zeigt, dass es sich – je nach Größe und Bedeutung der beteiligten Verbände – kaum vermeiden lässt, dass die Fusionsabsicht in der (Fach-)Öffentlichkeit bekannt wird. Auch hier gilt es, die Ansprechpartner in den (Fach-)Medien zeitnah zu informieren. So kann bereits zu diesem frühen Zeitpunkt an der Positionierung des neuen Verbandes gearbeitet werden. Negativ-PR kann hingegen beispielsweise dadurch entstehen, dass Pläne einer möglichen Fusion in der Öffentlichkeit diskutiert werden, bevor überhaupt verbandsintern Einigkeit über eine mögliche Fusion besteht. Dies führt unweigerlich zur Verunsicherung der Mitarbeiter und Mitglieder, die vermeintliche Informationen zuerst aus der Presse erfahren. Durch eine solche Entwicklung werden die Kommunikationsverantwortlichen in die Defensive gedrängt und können mangels Fakten meist nur noch reaktiv handeln. Ein Positivbeispiel für gelungene Kommunikationsarbeit hingegen gelang den an der Neuordnung der Verbändelandschaft im Bereich der Energie- und Wasserwirtschaft beteiligten Verbänden BGW und VDEW, die sich jüngst zum BDEW zusammengeschlossen haben.
Den Fusionsprozess mit Leben füllen
Die zweite Phase, die Vorbereitungsphase, dient der Strategieentwicklung. Jetzt stehen zudem Struktur- und Personalfragen auf der Tagesordnung. In der Kommunikationsarbeit rückt die Analyse der Organisationskulturen in den Vordergrund. Handelt es sich bei dem einen Partner um einen straff hierarchisch organisierten Verband, während der andere eher an einem modernen, an Partizipation ausgerichteten Managementbegriff ausgerichtet ist, so wird der Erfolg der Fusion ganz wesentlich davon abhängen, diese beiden divergierenden Kulturen im Sinne der Fusionsziele miteinander in Einklang zu bringen und so eine Corporate Identity zu schaffen. Während bei ähnlichen Prozessen in Unternehmen zumeist mit Fragebogen gearbeitet wird, empfiehlt es sich aufgrund des sehr viel kleineren Personalbestandes bei Verbänden, in Einzelgesprächen mit Mitarbeitern die jeweilige Organisationskultur auszuloten.
Was bislang in Workshops diskutiert und in Form von Arbeitspapieren, Thesen oder Konzepten im kleinen Kreis erarbeitet wurde, muss jetzt für Mitarbeiter, Mitglieder und die externen Zielgruppen mit Leben gefüllt werden. Das bedeutet: Die Kernanliegen der anstehenden Veränderungen müssen nachvollziehbar werden. In der Kommunikationsarbeit hat sich für diesen Prozess der Begriff der „Fusionsstory“ etabliert. Diese beantwortet die Fragen nach dem Warum, dem Wie und dem Wann der Fusion. Aber auch Fragen nach den konkreten Auswirkungen müssen ihre Berücksichtigung finden. Dabei unterscheiden sich die Fusionsstorys für die drei genannten Zielgruppen vor allem darin, dass sie jeweils aus Sicht der jeweiligen Zielgruppe „geschrieben“ werden, haben doch Mitarbeiter ganz andere konkrete Fragen in Bezug auf die Fusion als Verbandsmitglieder oder beispielsweise die Ansprechpartner in der Politik.
In die Vorbereitungsphase fällt zudem die Erstellung und Festlegung des neuen Corporate Designs, das Ausdruck der Identität des neuen Verbandes ist. Zum Start des fusionierten Verbandes sollte beispielsweise auch die neue Website online gehen und eine Imagebroschüre vorhanden sein. Um diese Arbeiten ad-äquat planen und umsetzen zu können, hat sich in der Praxis ein Minimum von drei Monaten als realistischem Zeitfenster bewährt. Und: Diese in der Regel von PR-Agenturen oder Grafikbüros zu übernehmenden Aufgaben sollten beschränkt ausgeschrieben werden! Auch wenn sich langjährige Partner ihre Meriten erworben haben, ist eine Fusion der passende Moment, um auch diese Beziehungen einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Spätestens jetzt sollten sich die Mitarbeiter untereinander kennenlernen. Bestens geeignet dazu sind eine gemeinsame Feier oder Ausflüge. Hier sollte nichts dem Zufall überlassen werden. Diese Aktivitäten sind so zu planen, dass ein möglichst guter Kontakt zwischen den Mitarbeitergruppen entstehen kann. Auch hierfür hat sich die Inanspruchnahme professioneller Kommunikationsagenturen bewährt. Eine Selbstverständlichkeit in dieser Phase, und zwar gegen Ende hin, ist zudem die Schulung der Mitarbeiter entsprechend der neuen Corporate Identity.
Mit Schwung in den neuen Alltag
In der Umsetzungsphase tritt der neue Verband an die Öffentlichkeit. Aufgrund der erforderlichen Satzungsänderungen und weiterer Formalien werden zum Start des neuen Verbandes immer außerordentliche Mitgliederversammlungen der beteiligten Verbände notwendig sein. Auch hier heißt es für die Kommunikation, den Blick auf die Zukunft und die Vorteile der Fusion zu lenken, um erst gar keine Abschiedsstimmung unter den Mitgliedern aufkommen zu lassen.
Selbstverständlich werden sich in der Anfangsphase noch Reibungsverluste ergeben, die in der Planung so nicht vorgesehen waren. Deshalb ist es eine der wichtigsten Aufgaben für die Kommunikation, während der Umsetzungsphase den Schwung aus dem Fusionsprozess mit hinüber in den neuen Verbandsalltag zu nehmen. Nichts motiviert mehr als Erfolge: Deshalb sollten gerade in der sensiblen Phase des Neubeginns positive Meldungen zu ersten Erfolgen der vollzogenen Fusion produziert werden.
Zudem wollen jetzt die externen Zielgruppen des fusionierten Verbandes in Politik, Medien und der erweiterten Branche informiert werden. In der Kommunikationsarbeit gilt es also, den neuen Verband erfahrbar zu machen und mit Leben zu füllen, um so die Neupositionierung aktiv gestalten zu können. Der Versand einer entsprechenden Pressemitteilung oder einer neuen Broschüre ist daher viel zu wenig. Das persönliche Gespräch ist das Gebot der Stunde! Die Kommunikationsverantwortlichen haben dafür die entsprechenden Anlässe zu schaffen: Eine Auftaktveranstaltung eignet sich hervorragend, um die zentralen Botschaften den Zielgruppen und Multi-plikatoren zu vermitteln. Das Führungspersonal kann persönlich vorgestellt werden, u. U. können die neuen Räumlichkeiten besichtigt werden und, und, und. Vertiefende Informationen werden hingegen in Hintergrundgesprächen kommuniziert.
Zielabgleich und Kurs-korrekturen
Doch wurden die vorher anvisierten Ziele der Fusion auch erreicht? Hat sich die Neuaufstellung bewährt? Die bereits zitierte Studie der TU München zeigt, dass bei der Hälfte aller untersuchten Unternehmen die wesentlichen Ziele nicht erreicht wurden. Unbedingt notwendig ist es deshalb, nach 12 bis 24 Monaten eine Überprüfungsphase und einen Zielabgleich durchzuführen. Für die Kommunikationsarbeit heißt dies – ähnlich wie in der Anbahnungsphase –, durch Umfragen verlässliches Datenmaterial zu sammeln, um den Entscheidern belastbares Material an die Hand zu geben, um ggf. Kurskorrekturen vornehmen zu können.
Fazit
Kommunikation hat wesentlichen Einfluss auf das Gelingen von Fusionen. Der Schwerpunkt der Kommunikationsarbeit liegt während des Veränderungsprozesses auf dem internen Bereich. Ziel ist es, Mitarbeiter und Verbandsmitglieder aktiv in den Veränderungsprozess einzubeziehen. Dabei sollten aber auch ihre Bedürfnisse und Vorbehalte ernst genommen werden. Ein weiteres wichtiges Aufgabenfeld ist die Erfassung und ggf. Neuausrichtung der divergierenden Organisationskulturen im Sinne der Fusionsziele. Inhalte und Ziele der Fusion müssen adressaten-, anlass- und mediengerecht differenziert, aufbereitet und entsprechend kommuniziert werden. Um all diese Aufgaben erfolgreich erledigen zu können, sollte die Kommunikation direkt dem Fusionsleitungsteam zugeordnet sein. Dem Führungspersonal kommt während des Fusionsprozesses eine besondere Rolle zu, muss es doch Orientierung bieten und Führungsstärke zeigen. Die Kommunikation schafft dafür wiederum die entsprechenden Anlässe. Mit dem Start des neuen Verbandes verschieben sich die Aufgaben der Kommunikation wieder hin zum externen Bereich. Jetzt gilt es, den neuen Verband entsprechend zu positionieren und das Gespräch mit den Zielgruppen zu suchen.
Weitere Infos:
www.verbaende.com/fachartikel
www.nolte-kommunikation.de
Vertiefende Literatur:
Deekeling, Egbert/Barghop, Dirk (Hg.) Kommunikation im Corporate Change Wiesbaden 2003 (derzeit vergriffen – Neuauflage für 11/2007 geplant)
Pfannenberg, Jörg
Veränderungskommunikation
Frankfurt/M. 2003
Bachert, Robert/Vahs, Dietmar
Change Management in
Nonprofit-Organisationen
Stuttgart 2007