Die Papier und Zellstoff erzeugenden Betriebe Deutschlands wissen ihre Interessen in Politik und Wirtschaft vertreten durch den Verband Deutscher Papierfabriken e.V. (VDP). Er ist einer der ältesten Wirtschaftsverbände in Deutschland und bietet seinen Mitgliedern ein breit gefächertes Dienstleistungsangebot, intensive Gremienarbeit und effektives politisches Lobbying.
Was wäre das Frühstück ohne die morgendliche Zeitung? Was die Bürokommunikation ohne Druckpapier? Und wer möchte seine Pizza schon unverpackt geliefert bekommen? Nur drei der vielen Beispiele, in denen wir ganz selbstverständlich Papier einsetzen. Produziert wird es in Deutschlands Papierindustrie, die in Europa führend ist. Weltweit liegt sie an vierter Stelle, hinter den USA, China und Japan. Rund 13 Milliarden Euro Umsatz werden von ihr jährlich erzielt. Dabei sind 46.000 Mitarbeiter an etwa 200 Produktionsstandorten in ganz Deutschland beschäftigt. Sie produzieren jährlich 21,6 Millionen Tonnen Papier in 3.000 verschiedenen Sorten. Sprecher und Interessenvertretung der Papier und Zellstoff erzeugenden Industrie ist der Verband Deutscher Papierfabriken e.V. (VDP). Er wurde bereits 1872 gegründet und gehört damit zu den ältesten Verbänden im Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI). Im VDP haben sich 102 Unternehmen zusammengeschlossen. Damit repräsentiert er 90 Prozent von Produktion und Umsatz der Branche.
Trotz seines schon beachtlichen Alters ist der Verband nicht überholt, sondern ein wichtiges Instrument für seine Mitglieder. Verbandspräsident Bernd Rettig sieht sogar eine wachsende Bedeutung des VDP: „Wer in einer pluralistischen Welt seine Interessen verteidigen will, ist auf Strukturen wie Verbände angewiesen. Sie helfen, Interessen zu bündeln und sind damit auch unverzichtbare Bausteine unseres politischen Systems.“
Der VDP vereint sieben Landesverbände und die Unternehmen als direkte Mitglieder. Da die Unternehmen ihre Beiträge einerseits an die Landesverbände, in denen sie Mitglied sind, und andererseits direkt an den VDP zahlen, ist dieser von den Landesverbänden unabhängig. International ist der Verband Deutscher Papierfabriken e.V. in der gesamteuropäischen Spitzenorganisation der Zellstoff- und Papierverbände CEPI mit Sitz in Brüssel organisiert. Außerdem ist er an der Kooperation der Zellstoff- und Papiererzeugerverbände innerhalb der Landwirtschaftsorganisationen der Vereinten Nationen (FAO) beteiligt. Der VDP ist darüber hinaus Mitglied im International Council of Forest and Paper Associations (ICFPA), einem im Jahr 2002 in Rom gegründeten weltweiten Zusammenschluss von Papier-, Zellstoff- und Forstverbänden.
Betätigungsfelder
Als seine zentrale Aufgabe sieht der VDP, in den für die Mitglieder politisch relevanten Fragen Position zu beziehen und Expertise für die Politik bereitzustellen. Aber daneben gibt es noch viele weitere Aufgaben in den Bereichen Markt und Statistik, Betriebswirtschaft und Logistik, Rohstofffragen, Umwelt, Technik und Forschung, Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchswerbung.
Dabei greifen die kleineren und mittelständischen Mitgliedsunternehmen eher auf die angebotenen Servicedienstleistungen zurück. Denn oft haben sie selbst nicht die benötigten Ressourcen. Großen Unternehmen ist die politische Arbeit hingegen wichtiger. Bernd Rettig: „Der Verband ist von seiner Struktur her darauf ausgerichtet, beiden Interessengruppen gerecht zu werden. Dafür verfügen wir nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ über den richtigen Mitarbeiterstab.“
Im Bereich Service widmet sich der Verband den Schwerpunktthemen Gemeinschaftsforschung, Markt und Statistik, PR und Pressearbeit. Zur Gemeinschaftsforschung zählen Überlegungen, wie man beispielsweise den Kleber von Briefumschlägen im Recyclingprozess aus dem Altpapier lösen kann. Andere Projekte befassen sich zum Beispiel mit einer erhöhten Faserstoffausbeute. Der Aufgabenbereich Markt und Statistik vereint die Entwicklung von Prognoseinstrumenten mit detaillierter Datenerhebung, aber auch mit Themen wie der Ladungssicherung. Hier werden unter anderem in Zusammenarbeit mit dem TÜV Fahrversuche unternommen, um die Ladungssicherung von Papier- und Holztransportern zu verbessern. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des VDP konzentriert sich neben den Medien auf den Schulsektor. So wird Schülern und Lehrern durch geeignetes Material breites Wissen über Papierherstellung und -recycling vermittelt. In der Pressearbeit lädt der Verband seit Jahren erfolgreich Zeitungsvolontäre zu einem Tag des Papiers in die Mitgliedsunternehmen ein. VDP-Hauptgeschäftsführer Klaus Windhagen: „Seit 2001 haben in diesem Rahmen bereits über 1.000 Volontäre Papierfabriken besucht. Die angehenden Journalisten können sich so selbst ein Bild von unserer Branche machen.“
Energie muss preiswerter werden
Aktuell ist die Energieversorgung ein sehr wichtiges Thema für den VDP. Präsident Rettig beklagt Preiserhöhungen für Industriestrom um 66 Prozent und mehr seit dem Jahr 2000. Der Grund für die Erhöhungen liegt für ihn auf der Hand: „Dafür sind fehlender Wettbewerb und oligopole Strukturen auf der Anbieterseite verantwortlich.“ Die hohen Strompreise zwingen energieintensive Betriebe, sich damit zu beschäftigen, ob sie in Deutschland noch wirtschaftlich produzieren können. Die Energiepreise werden somit zur Standortfrage. Daher fordert der Verband die Schaffung eines europaweiten Marktes für Gas und Strom, um mehr Wettbewerb zu schaffen. Auch solle der Netzbetrieb von den übrigen Aktivitäten der Energieversorger getrennt werden. Ökologisch begründete Zusatzkosten, also die Ökosteuer, sollen zudem abgebaut werden, um das Preisgefälle in Europa auszugleichen. Um politisch an Stärke zu gewinnen, arbeitet der VDP in diesem Bereich mit anderen energieintensiven Branchen wie der Beton- und Stahlindustrie zusammen. Bernd Rettig: „Energie muss in Deutschland zu international wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehen.“
Hohe Altpapierquote
Neben aktuell drängenden Problemen wie den hohen Energiepreisen hat das Thema Recycling hohen Stellenwert für die Branche. Gemeinsam mit den Verlagen hat sich die Papierindustrie über die Arbeitsgemeinschaft Graphische Papiere in einer 2001 erneuerten freiwilligen Selbstverpflichtung zu einer dauerhaften Wiederverwertungsquote von 80 Prozent bei grafischen Papieren verpflichtet. Im Verpackungsbereich liegen die Werte noch darüber. Damit ist Deutschland Weltmeister beim Papierrecycling. Um die Altpapiernutzung auch künftig zu sichern, hat der VDP für den Industriestandort Deutschland die folgenden Forderungen aufgestellt: Die stoffliche Nutzung von Altpapier muss Vorrang vor der energetischen Verwertung haben. Der Werkstoff Altpapier muss als Rohstoff akzeptiert werden. Daher soll er nicht mehr als Abfall klassifiziert werden. Die Papierindustrie muss bei der Festlegung der Sammelsysteme einbezogen werden. Dazu sollen sich auf regionaler Ebene Kommunen, Entsorger und das jeweilige vor Ort ansässige Altpapier einsetzende Unternehmen der Papierindustrie darüber abstimmen, wie Altpapier sinnvoll erfasst werden kann. Außerdem soll Altpapier getrennt erfasst werden. Denn die gemeinsame Erfassung von Altpapier mit anderen Materialfraktionen hat einen negativen Einfluss auf den Recyclingkreislauf.
Nachhaltigkeit hoch drei
Der VDP und seine Mitgliedsunternehmen setzen auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit: Ökologische, ökonomische und soziale.
Im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit geht es vor allem um eine nachhaltige Forstwirtschaft, die laut Zielsetzung des Verbandes am besten durch eine glaubhafte Zertifizierung erreicht werden kann. Dies gilt nicht nur für den heimischen Wald, aus dem 20 Prozent der benötigten Holzmenge stammen, sondern auch für die Forstwirtschaft in Ländern wie Finnland, Schweden, Kanada und Brasilien, die das Gros der vier Millionen Tonnen Importzellstoff im Jahr liefern. Auch Wasser sparen ist in der Papierproduktion ein großes Thema. Wurden in den 70er-Jahren noch 50 Liter Wasser pro Kilogramm Papier verbraucht, sind es heute nur noch 10 Liter, was an der Grenze des technisch Machbaren liegt. Dazu wurden Verfahren zur Abwassersäuberung, Wasserrückgewinnung und Mehrfachnutzung ständig fortentwickelt. Daneben wird der Energieverbrauch stetig minimiert. Im Jahr 1950 wurden 8.200 Kilowatt Strom zur Erzeugung einer Tonne Papier eingesetzt. 2004 waren es nur noch 2.500 Kilowatt. Reststoffe und Abfälle werden energetisch genutzt und decken damit etwa 16 Prozent des Brennstoffeinsatzes.
Die ökonomische Nachhaltigkeit widmet sich dem Wachstum der deutschen Papierindustrie. Deutschland ist der größte Papiermarkt und auch der größte Papierlieferant Europas. Damit das so bleibt, muss die Wettbewerbskraft durch nachhaltige Investitionen gesichert werden. VDP-Geschäftsführer Klaus Windhagen: „Die Branche steht in vielen Bereichen unter Druck. Unser Anliegen ist daher, den Unternehmen langfristig politische Spielräume zur Entwicklung zu sichern.“
Die dritte Säule des Programms ist die soziale Nachhaltigkeit. Hier geht es um die Arbeitgeberrolle der Branche, um die sich die im Haus des VDP angesiedelte Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Papierindustrie VAP kümmert. Die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche ist weitgehend konstant. Allerdings kämpft die Branche mit einem Nachwuchsproblem. Windhagen: „Besonders Papieringenieure werden dringend gesucht. Auch können wir nicht alle Ausbildungsplätze besetzen, was vor allem an der schlechten Qualifikation der Schulabgänger liegt. VAP und VDP arbeiten gemeinsam an diesem Problem.“ Die VDP-Öffentlichkeitsarbeit besucht deshalb zum Beispiel Jobmessen, um Schulabsolventen für den Studiengang des Papieringenieurs an den Universitäten Darmstadt, Bremen und Dresden oder an der Fachhochschule München zu gewinnen. Aber auch im gewerblichen Bereich wird von beiden Verbänden gezielt Nachwuchsgewinnung und -förderung betrieben. So setzt der Verband Deutscher Papierindustrie e.V. alles daran, dass Deutschland seinen Spitzenplatz unter den Papier produzierenden Ländern behält. Damit sind auch die morgendliche Zeitung, das Papier im PC-Drucker und die gutverpackte Postsendung gesichert.
Der Service des VDP
Bündelung und Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder in den Bereichen:
• Wirtschaft und Außenhandel
• Energie und Umwelt
• Rohstoffe und Hilfsstoffe
• Güterverkehr
• Forschung
• Beratung und Unterstützung bei energiepolitischen und verkehrstariflichen Fragen
• Veröffentlichung von Statistiken und Marktberichten
• Informationsveranstaltungen und Seminare
• Forschungsförderung an Hochschulen und Instituten
• Nachwuchswerbung in Kooperation mit der Vereinigung der Arbeitnehmerverbände der Deutschen Papierindustrie e.V.
• Normungsservice
• Zusammenarbeit mit dem BDI sowie den deutschen Partnerverbänden in den vor- und nachgelagerten Stufen
• Koordination und Netzwerk mit dem europäischen Branchenverband CEPI, dem ICFPA und der FAO
• Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Der Verband als Kommunikationsplattform, Think-Tank und Dienstleistungsagentur
Wer in einer pluralistischen Welt seine Interessen verteidigen will, ist auf Strukturen, wie Verbände sie bieten, angewiesen!
Interview mit dem Präsidenten des VDP Bernd Rettig
Verbändereport: Wen vertritt der VDP?
Bernd Retting: Der Verband Deutscher Papierfabriken ist der industrielle Spitzenverband der Zellstoff und Papier erzeugenden Industrie in Deutschland. In ihm haben sich 102 Unternehmen zusammengeschlossen. Der VDP repräsentiert 90 Prozent von Produktion und Umsatz der Branche und ist damit Sprecher und Interessenvertreter der größten nationalen Papierindustrie Europas. Unter den Papier produzierenden Nationen stehen wir weltweit auf dem vierten Platz.
Verbändereport: Wie ist die Mitgliederstruktur Ihres Verbandes?
Bernd Retting: Die Papierindustrie in Deutschland ist – von der Anzahl der Betriebe her betrachtet – überwiegend mittelständisch strukturiert. Manche von Ihnen sind in ihrem Marktsegment sogar weltweit führend. Von der Produktionsmenge her dominieren allerdings die großen Konzerne. Die fünf größten Unternehmen in Deutschland stellen rund 45 Prozent der Produktion in Deutschland.
Verbändereport: Wie kommt das?
Bernd Retting: Unsere Branche ist sehr kapitalintensiv. Wer heute auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig Massenpapiere herstellen will, muss in sehr große Anlagen investieren. Hinzu kommt ja die Tatsache, dass viele große deutsche Unternehmen seit den 80er Jahren von großen Konzernen aus dem Ausland übernommen wurden. Das sind ja in der Regel die Skandinavier gewesen.
Verbändereport: Ist der VDP denn heute überhaupt noch ein Verband „deutscher Papierfabriken“?
Bernd Retting: In Deutschland werden über 60 Prozent des Umsatzes der Papierindustrie von den Tochterkonzernen ausländischer Unternehmen der Papierindustrie erzielt. Diese sind verbandstreu.
Verbändereport: Bedeutet das nicht für den Verband einen ständigen Spagat – hier große Multis, dort KMUs?
Bernd Retting: Die Anforderungen an den Verband sind natürlich sehr unterschiedlich. Die kleinen und mittleren Unternehmen greifen viel stärker auf die Servicedienstleistungen des Verbandes zu, da sie zum Teil nicht über entsprechende Ressourcen verfügen. Für die großen Unternehmen ist es wichtig, mehr politische Masse zu haben und gemeinsam an den für alle gleichen Problemlösungen zu arbeiten. Der Verband ist von seiner Struktur her darauf ausgerichtet, beiden Interessengruppen gerecht zu werden. Dazu gehören ein breit gefächertes Dienstleistungsangebot, eine intensive Gremienarbeit und ein effektives politisches Lobbying.
Verbändereport: Wo liegen die Aufgaben des Verbandes?
Bernd Retting: Es gibt ein ganzes Bündel an Aufgaben. Es beginnt bei den Bereichen Markt und Statistik, dann folgen Betriebswirtschaft und Logistik, Rohstofffragen, Umwelt, Technik, Forschung bis hin zu Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchswerbung. Wie bei jedem Verband ist es natürlich unsere zentrale Aufgabe, in den für uns politisch relevanten Fragen Position zu beziehen und Expertise für die Politik bereitzustellen. Der VDP verfügt dafür nicht nur quantitativ sonder auch qualitativ über den richtigen Mitarbeiterstab.
Verbändereport: Welches Thema steht momentan ganz oben auf der Agenda?
Bernd Retting: Es gibt derzeit ein Thema, das nicht nur für die Papierindustrie, sondern auch für andere energieintensive Branchen ganz weit im Vordergrund steht: Das Thema Energie. Die Zahlen sind eindeutig: Die Strompreise sind nach der Liberalisierung der Energiemärkte – beginnend Ende des Jahres 1998 – zunächst um mehr als 30 Prozent gesunken. Von 2000 bis heute sind insbesondere die industriellen Strompreise jedoch wieder um über 66 Prozent (seit 2002 um über 40 Prozent) angestiegen. Für 2006 sind weitere Strompreiserhöhungen angekündigt. Grund dafür sind fehlender Wettbewerb und oligopole Strukturen auf der Anbieterseite. Für energieintensive Betriebe wird das in Deutschland zunehmend zur Standortfrage. Wir fordern die Schaffung eines europaweiten Marktes für Gas und Strom, die Trennung des Netzbetriebes von den sonstigen Aktivitäten der Energieversorger und den Abbau ökologisch begründeter Zusatzkosten. Energie muss in Deutschland zu international wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehen.
Verbändereport: Der VDP wurde 1872 gegründet. Sind Verbände überhaupt noch zeitgemäß?
Bernd Retting: Verbände sind meiner Meinung nach heute wichtiger denn je. Und das weniger als Standesorganisationen sondern als Kommunikationsplattform, Think-Tank und Dienstleistungsagentur für ganz unterschiedliche Bedürfnisse der Mitglieder. Wer in einer pluralistischen Welt seine Interessen verteidigen will, ist auf Strukturen wie Verbände sie bieten angewiesen. Sie helfen, Interessen zu bündeln und sind damit auch unverzichtbare Bausteine unseres politischen Systems.
Vielen Dank für das Gespräch!