Verbändereport AUSGABE 3 / 2004

Mit Phantasie, Vorbereitung und Übung

Verbandsrhetorik - fundiertes Wissen interessant verpackt

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„Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren ...“ - wie vertraut ist dieser Satz. Phantasievolle Einleitungen sind eher selten. Und doch: Nicht nur fundiertes Wissen um den Verband und das Fachthema zeichnen einen Verbandsmitarbeiter oder einen Verbandspolitiker aus. Es kommt darauf an, wie er seine Botschaften verpackt. Nicht Mogelpackungen und rhetorische Tricks sind gefragt, sondern aufrichtige, informative und überzeugende Statements. Phantasie, Vorbereitung und Übung sind die wichtigsten Eckpfeiler der Verbandsrhetorik.

Die Rhetorik hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Heute wird sie von vielen als eine Methode gesehen, um den anderen „über den Tisch zu ziehen“. Die Verkaufsrhetorik im negativen Sinne hat unsere Sichtweise geprägt.

Gewählt, weil die Verbandsgremien uns etwas zutrauen, ist es unser Auftrag, die Interessen der Verbandsgremien und der Verbandsmitglieder zu vertreten, nicht stumm, sondern beherzt. Manchmal aber auch nur als guter Zuhörer. Wir wollen die positive Rhetorik für unsere Verbandsarbeit entdecken: Sie hilft, neben fachlichem Wissen, die an uns gestellten Aufgaben leichter zu bewältigen. Die Vorbereitung auf eine Rede ist dabei die Basis mit der wir alle rhetorischen Situationen, sei es ein Redebeitrag in einer Diskussion, eine Verhandlung oder jegliche Redesituation, meistern können.

„Wer spricht, spricht immer auch über sich selbst.“ Wir geben mit jedem Redebeitrag auch etwas über uns Preis: Aufregung, Souveränität, Lustlosigkeit oder Engagement. Daher kann kein Rhetorikkurs der Welt ein für alle gültiges Rezept geben. „Gib dich wie Du bist, dann bist Du am überzeugendsten“, dies ist die Erkenntnis aus vielen Seminaren in meiner 18-jährigen Mandats- und Verbandstätigkeit.

Wir wissen, wie wir am überzeugendsten sind, und doch fällt es uns ungemein schwer, vor einem größeren Kreis, in einer Sitzung zu sprechen. Warum ? Nun, die Redesituation erleben wir anders als ein Gespräch. Und doch sind beide Situationen vergleichbar, einziger Unterschied ist, dass wir uns bei einer Rede nicht einem Kommunikationspartner zuwendet, sondern mehreren.

Bei jeder Rede findet ein Kommunikationsprozess statt. Unsere Zuhörer hören nicht nur zu. Ihr Wissen, ihre Ansichten, ihre Stimmungen, ihr Wohlbefinden und unser Erscheinungsbild, selbst der Geruch (“jemanden riechen können“) sowie äußere Störungen, beeinflussen die Wahrnehmung unserer Zuhörer und –seher. Sie entscheiden damit über den Erfolg unseres Redebeitrags, vielleicht sogar, bevor wir überhaupt etwas gesagt haben.

Nach der Titanic-Theorie liegt - wie bei einem Eisberg - unsere Wahrnehmung zu mehr als 2/3 im unbewussten Bereich. Nur ein Drittel der Kommunikation nehmen wir mit dem Verstand auf. Kommunikation ist keine „Einbahnstraße“. Wir tun gut daran, möglichst viele Signale aufzunehmen und beim Fortgang unseres Redebeitrages zu verarbeiten - wie ein guter Gesprächspartner im Privatgespräch.

Um die Signale zu erlernen beobachten wir überall Zuhörer, Redner und uns selbst. Wir entwickeln eine Antenne für die Signale einer Gruppe. Unsere Zuhörer teilen uns während unserer Rede durch ihre Gestik und Mimik mit, was sie von der Rede und uns halten. Erleben Sie Redesituationen mit allen Sinnen. Beginnen Sie, diese Wahrnehmung zu schulen. Die Analyse des Publikums im Vorfeld der Rede ist für die Deutung der Signale wichtig, denn wir müssen die Motivation der Zuhörer kennen, damit wir auch die Signale richtig deuten. Wir müssen die Motivation aber auch kennen, damit wir bei unserer Rede-vorbereitung nicht falsch liegen.

Nach einer klaren Themenvorgabe, lassen wir unsere Phantasie kreisen. Das Internet, ein Redenberater und die Fachliteratur ergänzen die Ideensammlung. Hüten Sie sich davor, aus Handbüchern Reden zu übernehmen. Es sind nur Anregungen! Mir ist es bei einer Veranstaltung so ergangen: Eine Landtagsabgeordnete hatte den gleichen Redenberater, als zweiter hatte ich das Nachsehen.

Vor dem Formulieren unserer Rede steht die Festlegung unseres Redeziels. Nicht „der Weg das Ziel“, sondern das Ergebnis. Mein Tipp: Formulieren Sie zu Beginn der Ausarbeitung den Schlusssatz, der eine Aufforderung beinhalten sollte, so dass er zu Ihrer Leitlinie wird. Dies gilt auch für die Vorbereitung einer Sitzung, formulieren Sie Ihr Ziel, das Ziel Ihres Verbandes, für die Sitzung nur so können Sie zielorientiert arbeiten.

Das Thema muss zu uns passen. Wir müssen unsere Thesen auch ehrlich vertreten. Authentisch zu sein, ist für die Überzeugungskraft die Grundvoraussetzung: Nur wer selber brennt, kann andere entzünden. Denken Sie daran: Wir nutzen nie unser gesamtes Material! Erstens können zu lange Reden, Redebeiträge oder Einführungen langweilig werden. Zweitens lohnt es sich, mit den Argumenten hauszuhalten, damit wir in der folgenden Diskussion brillieren.

Ein Manuskript ist sehr individuell. Mancher benötigt keins. Wer jedoch eins braucht, sollte jedes Blatt, jede Karte nummerieren und nur einseitig beschreiben. Gibt es kein Rednerpult und nagt das Lampenfieber an uns, dann entscheiden wir uns für kleine Karteikarten. Diese übertragen das Zittern kaum. Aber Achtung beim Text, wenn er zu klein geschrieben ist, haben wir ein selbst gemachtes Problem.

Eine bildhafte Sprache hilft beim Überbringen unserer Botschaft. Wir setzen Bilder ein - wo immer es geht. Ein Haushaltsvolumen von 41 Millionen Euro ist eine imposante Zahl. Niemand kann sich diese wirklich vorstellen. Der Haushalt wird plastischer, wenn das Volumen in 164 Einfamilienhäuser umgewandelt wird. Zuhörer können sich Häuser besser vorstellen als Zahlen. Mit einer Wiederholung als rhetorischer Stilfigur bleibt das Bild noch länger haften.

Bei Zitaten ist Vorsicht geboten. Allgemeingut kann langweilen. In jedem Fall sollten wir den Zusammenhang, in welchem das Zitat gebraucht worden ist kennen. Bei Fremdworten und der Fachsprache sollten wir im Allgemeinen Vorsicht walten lassen. Dies gilt natürlich nicht für unsere Fachvorträge, die sich an Fachleute wenden. Hier ist aber die Zuhöreranalyse im Vorfeld einer Veranstaltung wichtig.

Selbst erlebte Geschichten sind eine Bereicherung für unseren Redebeitrag. Was wir erlebt haben, können wir am Besten wiedergeben. Wir stehen im Thema. Wir sind Sie authentisch, erzählen bildreich und spannend – wie in einem Gespräch. Mein Tipp: Durchwühlen Sie Ihr Archiv auf den Schultern - Ihren Kopf - nach passenden Anekdoten, die Zuhörer werden es Ihnen danken.

Steht unsere Konzeption für die Rede, dann ist Üben, Üben, Üben (Dichter werden geboren; Redner werden gemacht) angesagt. Mit der Übung vertiefen wir die Rede und proben die Betonung, Mit der Sicherheit meistern wir das Lampenfieber. Keine Hilfe ist das „winziges Schlöckcken“ zur Beruhigung, denn das geht auf die Zunge, wie schon lallelende Bundestagsabgeordnete bewiesen haben.

Um weitere Sicherheit zu gewinnen, sollten sie immer die Tagungstechnik prüfen und sich auf die Suche nach positiv gestimmten Zuhörern begeben. Sie helfen uns durch signalisierte Zustimmung. Mit einem Blick stellen wir den Kontakt her. Durch den Blick auf den Haaransatz minimieren wir das „Flirtrisiko“ und schaffen eine positive Atmosphäre, der Zuhörer glaubt, man schaue ihm in die Augen.

„Der erste Eindruck ist der Entscheidende und der letzte Eindruck der Bleibende.“ Wir alle haben die Erfahrungen gemacht, dass noch kein Wort fiel und schon eine Meinung gebildet war – auch bei uns. Doch wie können wir unsere Zuhörer positiv beeinflussen? Schon unser Erscheinungsbild und unsere Gesten sorgen für eine Vorurteil bei den Zuhörern. Die Kleidung und unser Verhalten müssen angemessen sein - bei einer Trauerrede, bei einer Jubiläumsrede. Wenn wir unsere Rednerposition im Raum erreicht haben, gestatten wir uns freundliche Blicke in das Publikum und beginnen erst danach. Dies strahlt Sicherheit aus!

Während der Verbandsrede, gerade wenn Journalisten im Saal vertreten sind, bleiben Zwischenrufe oft nicht aus. Es gibt keine Faustregel für die Reaktion auf Zwischenrufe. Überhören gibt die größte Sicherheit. Wer geübt ist, kann auf die Zwischenrufe eingehen, doch Vorsicht ist geboten: Wir dürfen uns nicht in ein Zwiegespräch verwickeln lassen.

Der Blackout ist häufig befürchtet, doch weil unsere Zuhörer nicht wissen, wie es uns geht, dies gibt uns die Chance, angemessen zu reagieren. Geht der Faden verloren, kann das auch ein beabsichtigter Bruch in unserer Rede sein. Es bietet sich nach einem Blackout an, zur Verdeutlichung einen Teil der Rede zu wiederholen oder Sie stehen zu dem Bruch und sind sympathisch ehrlich. Ein Redner hatte sich vorsorglich zwei Fäden in die Hosentasche gesteckt, als ihn der Blackout ereilte, holte er die Fäden aus der Tasche, knotete sie zusammen und sagte – nachdem er genügend Zeit zum Überlegen hatte: Fahren wir fort, ich habe den Faden wieder gefunden.

Der Schluss unserer Verbandsrede sollte immer eine Aufforderung enthalten. Wir motivieren die Verbandsgremien, unserem Vorschlag zuzustimmen. Wir fordern die Verbandsmitglieder zur Eigeninitiative auf. Dies ist wichtig, um die Fortbeschäftigung mit unserer Rede sicherzustellen.

Zum Schluss bleiben die kritische Selbstanalyse Ihrer Rede und das Einholen des Feedbacks, damit Sie für die nächste Rede lernen können.

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