Verbändereport AUSGABE 5 / 2011

Mitgliederbindung durch das Internet erreichen

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Das Ziel der Mitgliederbindung hat sowohl in der Praxis der Verbände als auch in der Wissenschaft in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dies ist auf die Überzeugung zurückzuführen, dass Mitgliederbindung sowohl auf der Erlös- als auch auf der Kostenseite ökonomischen Erfolg für Verbände verspricht.

Auf der Erlösseite werden der Mitgliederbindung sowohl Absatz- als auch Preiswirkungen zugesprochen. Ein gebundenes Mitglied trägt grundsätzlich dazu bei, dass die bestehenden Leistungen eines Verbandes, wie z. B. Informations-, Beratungs- und Weiterbildungsleistungen, in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus können bei gebundenen Mitgliedern Absatzsteigerungen erzielt werden, z. B. durch Cross-Buying weiterer Leistungen des Verbandes. Es konnte außerdem eine Steigerung der Beitragsbereitschaft gebundener Mitglieder beobachtet werden, indem sie zu Erhöhungen von Mitgliedsbeiträgen bereit waren.

Auf der Kostenseite ermöglichen gebundene Mitglieder die Realisierung von Kostensenkungspotenzialen, die auf Erfahrungseffekte zurückzuführen sind, indem die Ansprache und das Handling mit den „Stammmitgliedern“ kostengünstiger werden. Neben den genannten direkten bestehen auch indirekte Erfolgswirkungen der Mitgliederbindung. Gebundene Kunden empfehlen den z. B. Berufsverband unter Kollegen weiter. Dieser Mund-zu-Mund-Kommunikation können indirekte Erlöswirkungen zugesprochen werden, weil ohne Aktivitäten des Verbandes Mitgliederabwanderungen vermieden und neue Mitglieder akquiriert werden können. Diese Ergebnisse sind inzwischen durch empirische Studien bestätigt worden.

Die Erreichung von Mitgliederbindung erfordert, dass bei den Mitgliedern auf einer ersten Stufe Mitgliederzufriedenheit und auf einer zweiten Stufe Mitgliederloyalität erzielt wird, die auf einer dritten Stufe zu dem entsprechenden Verhalten eines Mitgliedes und zu ökonomischem Erfolg führen. Dies erfordert ein systematisches Management von Mitgliederbeziehungen. In Wissenschaft und Praxis hat sich hierfür der Begriff Member Relationship Management (MRM) durchgesetzt. Darunter versteht man sämtliche Maßnahmen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, die der Initiierung, Stabilisierung, Intensivierung und Wiederaufnahme von Beziehungen zu den Mitgliedern dienen. Folgende Bindungsursachen können unterschieden werden: vertragliche (z. B. Mitgliedsvertrag), ökonomische (z. B. Vergünstigungen für ADAC-Mitglieder), verbandsspezifisch-fachliche (z. B. Berufsverbände, Sportverbände) und psychologische Bindungsursachen (z. B. Mitgliederzufriedenheit, Vertrauen, Gewohnheit). In Sportverbänden und -vereinen spricht man in letzterem Fall auch von „Fans“, wenn ein entsprechendes Mitgliederverhalten vorliegt.

Vorrangiges Ziel eines effektiven Mitgliederbindungsmanagements sollte es sein, die freiwillige Bindung zu erhöhen. Dies kann über Mitgliederzufriedenheit erreicht werden. Bei der Umsetzung eines professionellen Mitgliederbindungsmanagements wird die Zufriedenheit durch spezielle, zielgerichtete Bindungsinstrumente so gesteuert, dass eine emotionale Bindung entsteht, bei der ein Wechsel des Mitglieds jederzeit möglich ist, jedoch aufgrund persönlicher Präferenzen ausbleibt. Um Mitgliederbindung zu erreichen, stehen dem Verband allgemein eine Vielzahl unterschiedlicher Mitgliederbindungsinstrumente zur Verfügung, z. B. Hotlines, Direct Mails, Mitgliedskarten, mit denen Informations-, Preis- oder Leistungsvorteile für das Mitglied verbunden sind.

Die zunehmende Bedeutung des Internets hat inzwischen dazu geführt, dass erstens Produkte und Dienstleistungen über das Internet vertrieben werden (E-Commerce), zweitens Dienstleistungen selbst elektronisch erstellt werden (E-Services) und drittens dies auch zunehmend dazu genutzt wird, elektronische Mitgliederbindungsinstrumente einzusetzen. In diesem Zusammenhang wird auch von electronic Member Relationship Management (eMRM) gesprochen. Im Internet finden sich beispielsweise folgende Mitgliederbindungsinstrumente: Gestaltung einer Verbands-Website, E-Mail-Newsletter, E-Mail (z. B. mit auf das Mitglied zugeschnittene Angebote), Chats und Mitgliederforen oder Online-Beschwerdemöglichkeit. Diese weisen Vor- und Nachteile auf, die auf die speziellen Besonderheiten des Internets zurückzuführen sind.

Vorteile ergeben sich dadurch, dass Verbände durch elektronische Mitgliederbindungsmaßnahmen ihre Mitglieder schnell, orts- und zeitunabhängig, interaktiv, zielgenau und kostengünstig ansprechen können. Darüber hinaus können auch weitere Nutzerkreise erschlossen werden. Der Einsatz internetbasierter Mitgliederbindungsinstrumente, wie z. B. das Beschwerdemanagement, hat außerdem dazu geführt, dass viele unzufriedene Mitglieder ihre Beschwerden erst aktiver artikulieren, seitdem die „anonyme“ Möglichkeit des Internets besteht.

Dem stehen jedoch folgende Nachteile gegenüber: Zum einen kann sich das Mitglied durch zu viele E-Mails gestört fühlen, was zu einer Ablehnungshaltung gegenüber einem Verband führen kann. Zum anderen ersetzt die virtuelle Interaktion über das Internet nicht den persönlichen Kontakt zwischen Mitglied und Mitarbeiter/-in des Verbandes. Es bestehen darüber hinaus vielfältige Unsicherheiten, etwa hinsichtlich des Datenschutzes oder der Sicherheit des Zahlungsverkehrs. Emotionale Verbundenheit kann mittels Internet nur sehr eingeschränkt aufgebaut werden. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Verbände Anfragen ihrer Mitglieder via E-Mail gar nicht oder nicht zufriedenstellend beantworten. Die Mitglieder bevorzugen die Beratung am Telefon. Dies hat eine repräsentative Umfrage des Salzburger Marketing-Institutes (SMI) ergeben.

Das Internet für Mitgliederbindungsmaßnahmen zu nutzen, stellt eine kostengünstige Erweiterung für das Instrumentarium des MRM dar und wird aus Mitgliedersicht bei Verbänden sogar erwartet. Dies sollte aber nur ergänzend und nicht substitutiv zu den klassischen Mitgliederbindungsinstrumenten geschehen – auch wenn dies Kostensenkungspotenziale verspricht. Für ein wirksames Mitgliederbeziehungsmanagement sind beide Möglichkeiten ergänzend einzusetzen. Vor einer Substitution des „high touch“ durch „high tech“ hingegen ist zu warnen.

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Autor/in

Marcus Stumpf

ist Professor für Betriebswirtschaft an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management sowie Vorstandsmitglied des Deutschen Institutes für Vereine und Verbände e. V. (DIVV). Der Verbandsexperte verantwortete u. a. jahrelang als Geschäftsführer die Markenführung und Vermarktung des zweitgrößten deutschen Sportverbandes. Heute ist er zudem als geschäftsführender Gesellschafter der Verbandsberatung relatio GmbH tätig.

https://www.divv.de

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