Verbändereport AUSGABE 7 / 2006

Mitgliederzufriedenheit mit Tücken

Warum unzufriedene Mitglieder manchmal bleiben und zufriedene Mitglieder davonlaufen können

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Emotionale Mitgliederbindung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Verbände. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der Benchmarkstudie Excellence Barometer „ExBa Verbände“, in der systematisch untersucht wurde, was Verbände erfolgreich macht (www.exba.de).

Alarmierend ist der Befund aus dem 5. Mitgliederfocus Deutschland 2005, einer weiteren jährlichen Benchmarkstudie der forum! Marktforschung GmbH (Mainz), in der 34 Verbände aus Sicht ihrer Mitglieder hinsichtlich Image, Mitgliederzufriedenheit und Mitgliederbindung abgebildet wurden:1 Demnach sind etwa ein Drittel dieser Mitglieder zwar mit den Leistungen ihres Verbandes überdurchschnittlich zufrieden, jedoch nur durchschnittlich an diesen gebunden (Abbildung 1). Mitgliederzufriedenheit ist also offensichtlich nicht mehr die alleinige Zielgröße, um Mitglieder an einen Verband zu binden, das heißt sie mittel- bis langfristig als Mitglieder zu halten.

Stellt sich die entscheidende Frage, wie Verbände es dennoch erreichen können, insbesondere bei dieser nicht unbedeutenden Größenordnung von etwa einem Drittel ihrer Mitglieder auch diese emotional an sich zu binden. Denn das klassische Zufriedenheitsmanagement greift hier offensichtlich zu kurz, da diese Mitgliedsgruppe ja bereits überdurchschnittlich zufrieden ist. Die bestehenden Leistungen weiter zu optimieren oder gar die wertvollen, da immer knappen Ressourcen in die Entwicklung neuer Leistungen zu investieren, wäre hier also auf keinen Fall zielführend.

Die forum! Marktforschung GmbH (Mainz) — langjähriger Partner für Verbände — hat sich deshalb in ihren diesjährigen Forschungsaktivitäten rund um das Thema „Erfolgreiches Mitgliederbeziehungsmanagement“ darauf konzentriert, genau dieser Frage aus empirischer Sicht nachzugehen.

Basierend auf den verbandsübergreifenden Messungen von Image, Mitgliederzufriedenheit und Mitgliederbindung des 5. Mitgliederfocus Deutschland 2005 — ein Projekt, an dem jeder Verband jährlich teilnehmen kann — hat die forum! GmbH in einem neuen Kausalmodell zur Entstehung von emotionaler Mitgliederbindung eine weitere wichtige Stellschraube zur Erzeugung emotionaler Mitgliederbindung ermittelt: Das Verbandsimage. Das heißt die Markenführung hat ebenso einen bedeutsamen Einfluss auf die Mitgliederbindung wie die Mitgliederzufriedenheit (Abbildung 2). Wie sich dies auf der Basis der Ergebnisse des 5. Mitgliederfocus Deutschland 2005 insgesamt und im Vergleich der zwei Verbandstypen Wirtschafts- vs. Personenverbände darstellt, zeigen die folgenden Abbildungen 3, 4 und 5.2

Demnach trägt — über alle Verbände hinweg betrachtet — die Mitgliederzufriedenheit zu 43 Prozent und das Image zu 57 Prozent zur emotionalen Mitgliederbindung bei. In Personenverbänden steigt sogar der Einfluss des Images auf 64 Prozent ( Abbildung 4).

Konzentriert sich ein Personenverband bei seinen Maßnahmen zur Steigerung der Mitgliederbindung alleine auf die Verbesserung der Leistungs- und Zufriedenheitsebene, so „erwischt“ er damit lediglich nur etwa ein Drittel der für den Verbandserfolg so entscheidenden Zielgröße der emotionalen Mitgliederbindung. Maßnahmen zur Optimierung des Images sind dagegen deutlich effizienter, da hier ein erheblich größerer Effekt auf die relevante Zielgröße Mitgliederbindung zu erreichen ist.

Auch der Frage, über welche einzelnen Imagedimensionen sich das Gesamtimage eines Verbandes am besten optimieren lässt, ist die forum! Marktforschung GmbH im Rahmen des 5. Mitgliederfocus Deutschland 2005 nachgegangen. Abbildung 3 zeigt zunächst über alle Verbände hinweg, dass hier die Imageaspekte Mitgliederorientierung, Qualität der Repräsentanten, Individualität in der Mitgliederbetreuung, Zuverlässigkeit, und Innovation und Zukunftsorientierung von zentraler Bedeutung für das Gesamtimage sind. Diese fünf Imagedimensionen alleine erklären etwa zwei Drittel des Globalimages der Verbände insgesamt.

Bei den Wirtschafts- und Unternehmensverbänden spielt der Imageaspekt Zuverlässigkeit hingegen eine weniger wichtigere Rolle, wobei hier die fachliche Kompetenz zu den fünf wichtigsten Imageaspekten gehört (Abbildung 5). Personenverbände sollten dagegen stärker auf das Ansehen in der Fach-Öffentlichkeit und die Flexibilität achten, da die fachliche Kompetenz und die Qualität der Repräsentanten weniger relevant sind für ihr Gesamtimage bei den Mitgliedern (Abbildung 4).

In beiden Verbandstypen fast irrelevant für das Globalimage ist die Transparenz der jeweiligen Arbeit anzusehen. Das heißt, die Verbände können sich hier zwar um Verbesserungen bemühen, diese Verbesserungen werden jedoch fast keinerlei Auswirkungen auf allgemeine Imagesteigerungen und damit auch nicht auf die relevante Zielgröße der emotionalen Mitgliederbindung haben.

Zeigen sich also im Bereich der Einflussgrößen auf das Image eines Verbandes doch recht große Unterschiede in der Bedeutung einzelner Imagedimensionen zwischen Wirtschafts- und Personenverbänden, so stellt sich das Bild bezogen auf die Zufriedenheit mit der Leistungsebene recht homogen dar.

Sowohl für die Verbände insgesamt (Abbildung 3) als auch für die beiden Verbandstypen getrennt (Abbildungen 4 und 5) spielt für die globale Mitgliederzufriedenheit die zentrale Kernleistung der Interessenvertretung die maßgebliche Rolle, gefolgt von Information und Beratung. Der Mitgliedsbeitrag hat — über alle Verbände insgesamt betrachtet — noch recht hohe Auswirkungen auf die Mitgliederzufriedenheit. Im Vergleich zu den Personenverbänden spielt er jedoch in Wirtschaftsverbänden eine im Vergleich zum Beschwerdemanagement geringere Rolle.

Vereint sind beide Verbandstypen wieder in der Frage, welchen Einfluss die sog. Sonderkonditionen auf die globale Mitgliederzufriedenheit haben. Gemeint sind hierbei die in der Verbandswelt typischerweise vorzufindenden geldwerten Vorteile, die Mitglieder im Vergleich zu Nicht-Mitgliedern durch beispielsweise abgeschlossene Rahmenverträge mit Hotelketten, Mobilfunkanbietern, Versicherungen oder Autovermietungen über ihre Verbandsmitgliedschaft erhalten können.

Hintergrund hierfür sind die in der ökonomischen Literatur beschriebenen sog. „selektiven Anreize“ für einen Verbandsbeitritt, mit denen Verbände das bekannte „Trittbrettfahrerproblem“ zu lösen versuchen. Dieses entsteht durch die Produktion von sog. „Kollektivgütern“, die in der Regel keinen großen Anreiz für den Beitritt zu einem Verband leisten können. Die Kernleistung der Interessenvertretung ist ein typisches Beispiel für ein solches „Kollektivgut“, welches von Verbänden „produziert“ wird: Setzt sich beispielsweise ein Verband mit seinen Forderungen hinsichtlich einer bestimmten Gesetzesnovelle durch, gilt dieses neue Gesetz für alle — also auch für die Nicht-Mitglieder, die keinen ideellen und/oder finanziellen Beitrag zur „Erstellung dieses Gutes“ geleistet haben. Zum anderen kann niemand vom „Konsum dieses Gutes“ ausgeschlossen werden (Nichtausschließbarkeit von Nicht-Mitgliedern und Nichtrivalität beim Konsum3).

Genau hier setzen die Sonderkonditionen durch Rahmenvereinbarungen für Mitglieder an, die selektive Anreize für einen Beitritt leisten sollen. Die Zufriedenheit mit solchen Sonderkonditionen ist jedoch — und dies ist ein durchgängiges Ergebnis des Mitgliederfocus Deutschland seit 2001 — weder in Wirtschaftsverbänden noch in Personenverbänden geeignet, um die globale Mitgliederzufriedenheit effizient zu steigern. Das heißt die globale Zufriedenheit der Mitglieder würde sich selbst bei einem Anstieg ihrer Zufriedenheit mit den Sonderkonditionen kaum bis gar nicht erhöhen. Dennoch bilden diese Sonderkonditionen häufig natürlich einen wichtigen Anreiz für den Beitritt zu einer Organisation. Sie sind also in erster Linie dazu geeignet, neue Mitglieder zu gewinnen, jedoch nicht geeignet, um bereits bestehende Mitglieder zu binden.

Fazit

• Emotionale Mitgliederbindung ist laut der Benchmarkstudie Excellence Barometer „ExBa Verbände“ ein bedeutender Erfolgsfaktor für Verbände.

• Mitgliederzufriedenheit ist gemäß den Ergebnissen des 5. Mitgliederfocus Deutschland 2005 zwar ein wichtiger, jedoch offensichtlich nicht mehr der einzige Hebel, um Mitglieder mittel- bis langfristig an einen Verband emotional zu binden.

• Ein Drittel der Mitglieder aus 34 Verbänden sind zwar überdurchschnittlich zufrieden mit den Leistungen ihres Verbandes, jedoch nur durchschnittlich an diesen gebunden.

• Ein zweiter und ebenso bedeutsamer Ansatzpunkt zur Erzeugung emotionaler Mitgliederbindung ist die strategische Positionierung eines Verbandes, das heißt die Markenführung, das Verbandsimage. In Personenverbänden erklärt das Image sogar zwei Drittel des entscheidenden Erfolgsfaktors der emotionalen Mitgliederbindung.

• Sonderkonditionen durch Rahmenvereinbarungen, das heißt geldwerte Vorteile, die Verbände ihren Mitgliedern durch Kooperationsverträge mit Unternehmen anbieten, sind ein geeignetes Instrument, um neue Mitglieder zu generieren. Sie sind jedoch vollkommen ungeeignet, um die Mitgliederzufriedenheit der Bestandsmitglieder effizient zu erhöhen.

1 Die Datenanalysen basieren in der Regel auf insg. 7.070 telefonischen Interviews mit repräsentativ ausgewählten Mitgliedern aus 34 Verbänden, davon 4.646 Interviews mit Mitgliedern aus 22 Wirtschafts-/Unternehmensverbänden und 2.424 Interviews mit Mitgliedern aus 12 Personenverbänden. Aufgrund von sog. fehlenden Werten wie zum Beispiel „Weiß nicht“ oder „Keine Angabe“ oder auch durch Modifikationen des Fragebogens für einzelne Verbände variiert die Datenbasis für einzelne Analysen geringfügig.

2 Die Einflussstärken werden im Rahmen des Mitgliederfocus Deutschland implizit über lineare multiple Regressions-analysen ermittelt. Die emotionale Mitgliederbindung wird mittels sechs klassischer Indikatoren (zum Beispiel Weiterempfehlungsbereitschaft, Alleinstellungsanspruch) gemessen, die zu einem empirisch gewichteten Mitgliederbindungsindex zusammengeführt werden.

3 Vgl. hierzu Olson, Mancur: Die Logik kollektiven Handelns, Tübingen 1968, S. 49ff.

Teilnahmeinformationen

Mitgliederfocus Deutschland 2007

- Wie zufrieden und gebunden sind Ihre Mitglieder?

- Welchen Einfluss haben Image und Zufriedenheit auf die emotionale

Mitgliederbindung in Ihrem Verband?

Um Ihnen Antworten auf diese Fragen zu geben, rufen die Deutsche -Gesellschaft für Verbandsmanagement e.V. (DGVM) und forum! Marktforschung GmbH gemeinsam zur Teilnahme an der Benchmarkstudie Mitgliederfocus Deutschland auf. Wir messen die Zufriedenheit und Bindung Ihrer Mitglieder und zeigen Ihnen auf, wo Sie im Vergleich zu Best-Practise und zum Durchschnitt aller Verbände positioniert sind. Sichern Sie sich Ihre Teilnahme bis zum 31.1.2007!

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Autor/in

Stefan Eser

ist Initiator und Wissenschaftlicher Leiter der Studie „Fanfocus Deutschland Verbände“.
Zudem ist er Leiter Emotionale Mitgliederbindung und Prokurist bei der 2HMforum. Für beste Beziehungen.

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