Verbändereport AUSGABE 7 / 2009

Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederbindung

Zur Notwendigkeit der Verknüpfung zwischen der Öffentlichkeitsarbeit nach außen und nach innen

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In manchen Branchen und gesellschaftlichen Bereichen haben Verbände in den letzten Jahren Mitgliederverluste in Kauf nehmen müssen. Die Frage nach den geeigneten Wegen zur Stärkung der Mitgliederbindung wird dadurch zur zentralen Herausforderung, für viele Verbände steht sogar die Existenz auf dem Spiel. Auch jüngere Verbände stehen vor dem Problem, wie sie neue Mitglieder mit einer möglichst dauerhaften Bindung gewinnen können.

Die Verbände sind natürlich nicht untätig geblieben, so wurde ein umfangreicher Instrumentenkasten entwickelt. Allerdings haben viele dieser Instrumente nur eine begrenzte Wirkung oder werfen neue Probleme auf. Auch müssen die Rezepte auf die Ziele und Voraussetzungen eines Verbandes abgestellt werden. Es gibt also kein Patentrezept.

In diesem Zusammenhang wird das traditionelle Instrument der Öffentlichkeitsarbeit für die Bindung in der Praxis häufig unterschätzt. Dabei ist es unter den heutigen Anforderungen, denen sich Verbände stellen müssen, besonders wichtig, einen klaren Link zwischen der Öffentlichkeitsarbeit nach außen und der Öffentlichkeitsarbeit nach innen, also in die Verbandsöffentlichkeit, herzustellen.

Im Folgenden werden die gängigen Instrumente der Mitgliederbindung zunächst allgemein kritisch beleuchtet. Anschließend werden dann die Entwicklungspotenziale der Öffentlichkeitsarbeit zunächst allgemein und anschließend anhand des konkreten Beispiels der Vorgehensweise eines Regionalverbandes der Wohnungswirtschaft aufgezeigt.

Vor- und Nachteile von gängigen Instrumenten zur Mitgliederbindung

Die Mitgliederbindung und Attraktivität von Verbänden folgt immer weniger traditionellen Mustern. Noch vor wenigen Jahrzehnten war es vor allem eine natürliche emotionale, zum Teil durch Tradition geprägte Bindungskraft, die viele Verbände zusammengehalten hat. Man gehörte als Mitglied einfach dazu. Nun — für die einen früher und die anderen später — müssen sich Verbände auf veränderte Anforderungen der Mitglieder einstellen. Immer mehr wird gefragt: Was bringt mir die Mitgliedschaft?

Welche Antwortmöglichkeiten gibt es hierauf für Verbände?

Dienstleistungen

Die am meisten verbreitete Reaktion setzt an den Dienstleistungen für die Mitglieder an. Die Antwort zielt hier auf den Vorteil von attraktiven und möglichst auch besonders preisgünstigen Dienstleistungen. Die Bedeutung von Dienstleistungen ist für viele Verbände sicher hoch anzusiedeln, so lässt sich beispielsweise der Druck durch die Erschließung von Beitragssenkungspotenzialen bei gleichzeitigem Aufbau der Abrechnungsmöglichkeiten honorarpflichtiger Dienstleistungen senken.

Allerdings werden die Möglichkeiten der Intensivierung der Mitgliederbindung durch Dienstleistungen häufig überschätzt. Dies hat mehrere Gründe.

So sind viele Verbände aufgrund ihrer Entscheidungsstrukturen nicht dazu geeignet, die erforderliche Flexibilität von Dienstleistungsunternehmen zu entwickeln. Auch stehen Verbände mit ihren Dienstleistungen häufig in unmittelbarer Konkurrenz zu „freien“ Dienstleistungsanbietern. Problematisch wird es vor allem dann für die Verbände, wenn sie vor diesem Hintergrund eine interne Quersubventionierung der Dienstleistungsbereiche vornehmen. Dies wirkt einerseits der Intention der Entlastung der beitragsfinanzierten Leistungsanteile entgegen, andererseits kann es auch zu erheblichen verbandsinternen Spannungen kommen, insbesondere dann, wenn aufgrund einer nicht homogenen Mitgliederstruktur die Interessen an der Bereitstellung von Dienstleistungen des Verbandes unterschiedlich ausgeprägt sind. Zudem haben bei der Dienstleistungskonkurrenz auf dem freien Markt die Verbände kein Alleinstellungsmerkmal. Damit können Dienstleistungen von Verbänden häufig keine dauerhafte Bindungswirkung entfalten.

Bündelung der Nachfrage

Ein anderer Ansatz, den neuen Anforderungen durch Mitglieder zu begegnen, ist die Bündelung der Nachfrage, wodurch bei externen Anbietern von Produkten und Dienstleistungen attraktive Konditionen erzielt werden können. Das erscheint sinnvoll, zumal hierdurch ein Alleinstellungsmerkmal unterstrichen werden kann und sich der Vorteil der Mitgliedschaft in dem Verband auf den Euro genau bemessen lässt.

Allerdings gibt es für die Organisation der Nachfragebündelung auch alternative Gestaltungsformen, so etwa durch Einkaufsgenossenschaften. Zudem hängt die Attraktivität solcher Angebote wiederum sehr stark von der Homogenität der Mitgliederstruktur und deren Interessenlage ab. Schließlich gewinnen Verbände bei der Lenkung der Nachfrage auf bestimmte Anbieter von Produkten und Dienstleistungen eine Nähe zu diesen Anbietern, dabei insbesondere auch aus Sicht der Mitglieder. Wenn die Mitglieder die so beworbenen Produkte und Dienstleistungen nachfragen und dabei schlechte Erfahrungen sammeln, werden sie als Vermittler für die Qualität mit haftbar gemacht. Dieses Problem potenziert sich dadurch, das der vermittelnde Verband keine unmittelbare Einflussmöglichkeit auf die jeweilige Qualität hat.

Der Ausbau von Dienstleistungen und die Bündelung der Nachfrage von Mitgliedern, also Ansätze, die eine „Ökonomisierung“ zum Inhalt haben, sind damit durchaus auch mit Nachteilen behaftet. Das heißt nicht, dass diese unverzichtbar sind. Insbesondere können diese eine Rolle bei der Akquise neuer Mitglieder einnehmen, allerdings sind sie insbesondere im Hinblick auf die Realisierung des Ziels einer dauerhaften Mitgliederbindung nur beschränkt wirksam.

Projektarbeit

Ein dritter Handlungsansatz ist die Entwicklung und Beteiligung von Verbänden an Projekten, die auch Mitglieder mit einbeziehen. Dies können dabei vor allem Projekte sein, die für die Mitglieder Entwicklungspotenziale aufzeigen.

Hier gibt es umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten für Verbände, da in nahezu allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen ständig neue Herausforderungen entstehen. Häufig sind diese mit dem demografischen Wandel verbunden. Ein anderer Anlass oder Gegenstand von Projekten können technologische Entwicklungen sein, besonders geeignet hierfür sind die Informations- und Kommunikationstechnologien.

Ein zentraler Vorteil von Projektarbeit von Verbänden, die auch Mitglieder mit einbeziehen, ist der Abbau einer häufig empfundenen Distanz zwischen Verbänden und Mitgliedern. Diese findet ihren Ausdruck in der häufigen Sicht von Mitgliedern, dass Verbände die Herausforderungen ihrer Mitglieder nicht kennen. Diese Entfremdung zwischen Mitgliedern und Verband ist eine der gravierendsten Herausforderungen für Verbände, zumal wenn sie sich bei Mitgliedern in einem schleichenden Prozess entwickelt.

Allerdings gilt es auch bei der Projektarbeit, potenzielle Probleme zu vermeiden. So sollten Verbände darauf achten, dass — sofern nicht alle Mitglieder in ein Projekt einbezogen werden können — nicht alle Projekte mit den gleichen Mitgliedern durchgeführt werden. Insbesondere bei Personenverbänden besteht die Gefahr, dass bei Projekten sich ausschließlich ehrenamtliche Mitglieder beteiligen. Auch sollte ein Verband genau den Eigenanteil an der Projektarbeit in seiner potenziellen Wirkung und natürlich auch im Hinblick auf die Risiken abwägen. Allerdings sind die Gestaltungsmöglichkeiten auch vielfältig. Sie reichen vom Anstoß von Projekten, der Erstellung oder Finanzierung von Studien, der Moderation von Projekten bis hin zur direkten Beteiligung.

Öffentlichkeitsarbeit als Instrument der Mitglieder­bindung

Schließlich ist auch noch die Öffentlichkeitsarbeit als Instrument der Mitgliederbindung anzuführen. Bei der Beobachtung der Öffentlichkeitsarbeit von vielen Verbänden entsteht der Eindruck, dass diese in einem Verband behandelte Themen nach draußen transportieren soll. Das heißt, eigene Problemsichten werden zumeist in mehr oder weniger gut formulierten Pressemitteilungen wiedergegeben. Als Erfolg gilt dann, wenn in den Medien eine möglichst umfangreiche Berichterstattung erfolgt. Die damit intendierte Botschaft an die Mitglieder und auch potenzielle Mitglieder lautet: Der Verband ist wichtig, da er in der Öffentlichkeit präsent ist.

Diese Vorgehensweise scheitert häufig schon alleine daran, dass viele — selbst handwerklich gut formulierte — Pressemeldungen nicht den erhofften Erfolg haben. Dies ist wiederum darauf zurückzuführen, dass inhaltlich nicht ausreichend reflektiert wird, was denn die Öffentlichkeit — also bei den Zeitungen etwa die Leser — interessieren könnte.
Dies muss explizit oder zumindest implizit in den Pressemeldungen zum Ausdruck kommen, erst dann besteht auch eine Chance, dass die Meldungen von Medien aufgegriffen werden.

Zudem fehlt es häufig an einem inhaltlichen Profil der Öffentlichkeitsarbeit. Das heißt, für die Öffentlichkeitsarbeit ist es erforderlich, den Absender von Meldungen zur Adresse zu machen, die auch aufgrund ihres Profils wahrgenommen wird. Sonst besteht die Gefahr, dass die Meldungen in der Nachrichtenflut, mit der die Medien zu kämpfen haben, schlichtweg untergehen.

Das inhaltliche Profil ist schließlich auch notwendig, um eine Klammer zwischen der Öffentlichkeitsarbeit nach außen und der Öffentlichkeitsarbeit nach innen herzustellen. Für die Überzeugung der Mitglieder, in ihrem Verband richtig aufgehoben zu sein, ist eben der Umfang des Medienechos nicht alleine ausreichend. Sie wünschen sich dabei auch ein Profil, mit dem sie sich identifizieren können.

Vorgehensweise des Verbandes der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft

Der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW südwest) ist ein Unternehmensverband mit Sitz in Frankfurt am Main. Seine Mitglieder umfassen rund 200 gewerbliche Wohnungsunternehmen mit einem Wohnungsbestand von 400.000 Wohnungen. Die Mitglieder sind dabei sehr unterschiedlich groß, gemessen am Wohnungsbestand: von rund 65.000 Wohnungen bis unter zehn Wohnungen. Die Mitgliedsunternehmen sind im Schwerpunkt in der Wohnungsvermietung tätig.

Zu Beginn dieses Jahrzehnts war der Verband von Entwicklungen gekennzeichnet, die auch bei anderen Verbänden zu beobachten waren. Der Verband hatte den Austritt mehrerer Mitglieder zu verzeichnen. Es existierte kein klares inhaltliches Profil, in der Öffentlichkeit war der Verband nahezu nicht existent. Die Wohnungswirtschaft war durch eine zunehmende Differenzierung der Unternehmensphilosophien geprägt. Eine inhaltliche Klammer war damit immer weniger gegeben. Die angebotenen Dienstleistungen wurden zwar intensiv nachgefragt, aber der Anteil der Mitglieder, die die Dienstleistungen in Anspruch nahmen, hatte sich schon seit Jahren deutlich reduziert. Die ökonomische Basis des Verbandes hatte sich ebenfalls kontinuierlich verschlechtert. Dies zwang zur Durchführung von Strukturanpassungsmaßnahmen.

Der Verband stand damit auch vor der Frage, wie sich denn der Turning Point in der Verbandsentwicklung erreichen lässt. Zentrales Indiz, dass dieser erreicht wurde, ist, dass der Mitgliederschwund nicht nur gestoppt werden konnte, sondern einige neue Mitglieder gewonnen und zusätzliche ehemalige Mitglieder wieder zum Eintritt bewogen werden konnten.

Ein zentraler Schlüssel für die Umkehr der Entwicklung ging von der Beobachtung aus, dass sich die Mitglieder immer mehr mit neuen Themen auseinandersetzen mussten. Dies wurde vom Verband als Chance für die Entwicklung neuer eigener Inhalte und zur Entwicklung eines Profils mit der Möglichkeit einer dauerhaften Mitgliederbindung erkannt.

Zugang zu modernen Kommunikationsmedien

So wurde etwa der Anschluss und Zugang zu modernen Kommunikationsmedien ein zunehmend wichtiges Thema. Da sich gleichzeitig der Anbietermarkt und die angebotenen Dienstleistungen in diesem Bereich rasant entwickelten, mussten sich viele Mitglieder mit einem völlig neuen, ihnen bislang fremden Thema auseinandersetzen. Dies warf gravierende Fragen im Hinblick auf die Orientierung der Wohnungsunternehmen auf diesem Feld auf. Der Verband hat dieses Thema deshalb aufgegriffen und den Mitgliedern Orientierungshilfen auch bei der Gestaltung von Pilotprojekten gegeben. Er trat als Vermittler zwischen Anbietern der Dienstleistungen und den Wohnungsunternehmen auf. Gleichzeitig fungierte der Verband als Sprachrohr gegenüber den Anbietern bei der Entwicklung von für die Wohnungsunternehmen geeigneten Angeboten.

Ein zunehmendes Problem wurde auch die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Wohnquartieren. Der Verband hat hierzu unter Einbeziehung von Mitgliedern mehrere Projekte durchgeführt. Ein Projekt war dabei die Durchführung einer Fußball-Wohnungsmeisterschaft, abgekürzt: WM (das Projekt wurde 2006 vor dem Hintergrund der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland durchgeführt). Hierbei sind im Rahmen eines vom Verband organisierten Fußballturniers Quartiersmannschaften angetreten. Vorgabe hierbei war, dass der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in den Mannschaften den entsprechenden Anteilen in den Quartieren entsprechen sollte. Analoge Projekte wurden anschließend von mehreren Mitgliedsunternehmen durchgeführt.

Ein weiteres Projekt war die Durchführung einer Schreibwerkstatt mit jungen Menschen mit Sozialisationserfahrungen in mehreren Kulturen. Diese sollten anhand ihrer Erfahrungen typische nachbarschaftliche Kommunikationsprobleme beim Wohnen schildern.

Die Problematik von Nachbarschaftsstreitigkeiten nimmt unabhängig von den Integrationsherausforderungen zudem kontinuierlich zu. Vor diesem Hintergrund haben mehrere Wohnungsunternehmen innovative Ansätze für ein modernes Sozialmanagement in den Wohnquartieren entwickelt. Der Verband hat dieses Thema aufgegriffen und als Moderator den Austausch der Erfahrungen mit solchen Projekten gefördert. Hierzu hat der Verband auch eine externe Studie in Auftrag gegeben und veröffentlicht, die nach draußen auf die Herausforderungen und Leistungen von Wohnungsunternehmen hinweist und nach innen den Wohnungsunternehmen Hinweise zu Entwicklungspotenzialen liefert.

Alle angeführten Projekte — die hier nur beispielhaft aufgeführt sind und ausgewählt wurden, um die entwickelte Aktionsvielfalt anzudeuten — wurden mit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit begleitet und haben auch ein breites Medienecho gefunden. Der Verband selbst hat dadurch — nach innen wie nach außen — das Profil gewonnen, dass er besonders neue und innovative Themen aufgreift. Dies macht sich in der Verbandspraxis dadurch bemerkbar, dass die Mitglieder immer wieder neue Probleme schildern und nach einer Austauschmöglichkeit nachfragen sowie selbst neue Projekte anregen. Verband und Mitglieder sind dadurch eng zusammengerückt.

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