Verbändereport AUSGABE 6 / 2010

Professionalisierung statt Nebenerwerbs-PR

Erfolgreiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Verbände

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Wann sind wir erfolgreich mit unserer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit? Sind wir gut, wenn wir jeden Tag den Aufmacher in FAZ, Süddeutscher oder Bild bestimmen? Müssen wir einmal im Jahr alle Talkshows im Fernsehen und Rundfunk, öffentlich wie privat, bedienen? Schlagzeilen sind schnell produziert. Man muss sich nur der Instrumente der Berliner Aufgeregtheits-Maschinerie bedienen. Jeder PR-Profi kennt die Mechanismen, die auch – wenn auch auf anderem Niveau – in jeder beliebigen Stadt und Region Deutschlands funktionieren: Widersprechen, beschimpfen und drohen, fordern, behaupten und notfalls auch beleidigen sind die Instrumente, um jeden Hype ans Laufen zu bekommen. Auf die Phase des Atemholens folgt die Hyperventilation, dann das Koma und der Zusammenbruch des Themas mit der Hinwendung zum Neuen. Selten dauert der Vorgang länger als ein paar Tage, manchmal nur einige wenige Stunden und findet dann oftmals nur noch im Internet statt.

Mal abgesehen von einigen wenigen Irregeleiteten wird niemand, der sich um eine ernsthafte Kommunikation Gedanken macht, auf die Idee kommen, dass dies Ausweis für eine erfolgreiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Verbänden sei. Sie können zwar die Politik wild beschimpfen und bekommen die Aufmacher in den Medien, müssen andererseits aber akzeptieren, dass Sie als Gesprächspartner und Ratgeber ausfallen. Herzlichen Glückwunsch — Job verfehlt! Erfolgreiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist so immer auch eine Gratwanderung zwischen notwendiger und hinreichender Kritik politischer Prozesse. Was sind Verbände in ihrem Urtyp, in ihrem Nukleus, was eint sie über Branchen und Aufgabenbereiche hinweg? Solide, seriös und kompetent sind zentrale Werte, die sich sicherlich mit Verbänden verbinden lassen. Aus diesen Assoziationen leiten sich schon einige strategische Ansätze ab. So würde man ja nicht mit einem Nacktmodel (m/w) für die Reform der katholischen Kirche in Deutschland werben; jedenfalls müsste jeder PR-Profi davon abraten, wenn die Botschaft erfolgreich mit dem Träger der Botschaft verbunden werden soll. Wer jeden Tag den Untergang des Abendlandes beklagt, wird rasch nicht mehr gehört; salopper wird’s im Volksmund formuliert: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Solidität geht vor Spektakulärem. Seriöse und kompetente Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist Kärrnerarbeit. Strategisches Management Erfolg von Kommunikation hängt ganz wesentlich von der gesamtverbandlichen Strategie ab: Was will ich erreichen, wo will ich hin, was sind meine Botschaften? Erfolgreiche Kommunikation kann auch sein, mal nicht mit einem Thema in Verbindung gebracht zu werden. Manche Partei hätte wohl am Anfang des Jahres eine Menge Geld dafür ausgegeben, nicht mit dem Thema Umsatzsteuerreduktion für Hotels in Verbindung gebracht zu werden. Erst brauchen wir die Strategie, wo wir mit unserem Verband hinwollen, daraus leiten sich dann die Aktionen mit ihren vielfältigen Instrumenten und Maßnahmen ab. Die politische Führung eines Verbandes muss die Vorgaben formulieren. Das hört sich alles leichter und banaler an, als es oftmals in der Praxis ist. Allein eine zugegebenermaßen individual-empirische Erhebung im Freundes- und Bekanntenkreise wird jeden eines Besseren belehren. Oftmals ist den Kommunikationsabteilungen nicht klar, welches politische Ziel gerade verfolgt wird. Entweder wechseln die Ziele so schnell, dass die Mitarbeiter nur hinterherhecheln und dabei über die Fallen des Kommunikationswirrwarrs stolpern. Im schlimmsten Falle gibt es gar keine Strategie, sondern Ad-hoc-Meldungen, die von Tag zu Tag das Geschäft bestimmen. Demgegenüber bedeutet Strategie, sich Gedanken über lang-, mittel- und kurzfristige Ziele zu machen; sich darüber in der Organisation verbindlich zu verständigen und auszutauschen, die Ziele und vor allem Zieländerungen zu kommunizieren. Das heißt natürlich nicht, dass man nicht auch mal die Ziele ändern oder zumindest anpassen muss, nur muss dies auch kommuniziert werden. Binnenkommunikation Verbände sind Kommunikationszentren, sie spinnen die Fäden zwischen Mitgliedern, Öffentlichkeit, Politik und Wirtschaft. Eine wesentliche Aufgabe besteht in der Binnen- oder Mitgliederkommunikation. Verbände sortieren, sichten und schichten Informationen nach Relevanz und Notwendigem. Sie bewerten, sind Gatekeeper und Vereinfacher von Komplexitäten. Nicht nur die Wirtschaft, auch die Politik wird immer vielschichtiger und unüberschaubarer. Hier erfüllen Verbände eine zentrale Funktion für ihre Mitglieder — vielleicht die wichtigste überhaupt: Aufbereitung von Wissen, das Zurverfügungstellen von Information, die Vereinfachung von komplexen Sachverhalten zur Nutzanwendung. Vielfach gilt: Je praktikabler und nutzbarer Informationen für die Mitglieder sind, umso erfolgreicher ist die Binnenkommunikation. Als Mitglied muss ich den unmittelbaren Mehrwert meiner Mitgliedschaft erkennen. Auch das gehört zu einer erfolgreichen Kommunikationsstrategie zwingend dazu. Professionalisierung Wenig geholfen ist für die Durchsetzung einer erfolgreichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, wenn dies nebenbei erledigt werden soll. Der eindeutige Rat: Lassen Sie die Finger davon, nebenbei geht daneben. Sie würden es ja auch sehr merkwürdig finden, wenn plötzlich der ausgebildete Mathematik- und Physiklehrer Ihre Kinder im Sport unterrichten sollte, ohne jemals seine Herzfrequenz jenseits der 80 Schläge getestet zu haben. Allein bei der Kommunikation trauen sich viele alles zu, frei nach dem Motto: Reden und schreiben kann ich doch. Wenn man das Know-how nicht im Verband hat, dann kauft man es ein. Das ist oftmals weitaus preiswerter als interne Lösungen und besser als eine halbseidene, laue Lösung ist es allemal. Konzentration Lassen Sie bei Ihrer gesamten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nur einen sprechen und öffentlich auftreten, auch wenn dadurch nicht jede Eitelkeit bedient werden kann. Für den Erfolg der Verbandsarbeit ist es wichtig, dass sich die Öffentlichkeit an den einen gewöhnt, dass er oder sie wiedererkannt werden. Konzentration des Botschafters und Penetration der Botschaft sind in der Regel eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche PR-Arbeit, sei es im Verband, in der Wirtschaft oder in der Politik. Demgegenüber bedeuten viele Absender Zersplitterung, Unübersichtlichkeit und diffuses Rauschen. Haltlose Heilsversprechen Viele Kommunikationsagenturen versprechen das blaue Wunder, das Paradies auf Erden oder auch nur die rasche Zunahme an neuen Mitgliedern. Man müsse nur Maßnahmen eins, zwei, drei in Angriff nehmen und schon werde alles gut, die finanzielle Basis bessere sich und schlagartig habe man höhere Aufmerksamkeitswerte und gute Presse. Unsinn! Lassen Sie sich nicht hinter die Fichte führen. Der Aufbau einer Marke — und nichts anderes ist auch ein Verband — dauert Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, ihre Pflege ist aufwendig und anstrengend; den Erfolg kann Ihnen keiner garantieren. Permanent droht Gefahr: Eine falsche Formulierung, ein schlechter Auftritt und das Image ist ramponiert. Der Aufbau von Image und Marke dauert Jahre, ruiniert sind sie in wenigen Stunden, mit wenigen Sätzen und im schlimmsten Fall mit einem schlechten Foto. Im Zeitalter der Handy- und Leserreporter, im Zeitalter von YouTube und flickr können gerade die Sünden der Vergangenheit der Schaden der Zukunft sein. Das Netz vergisst nichts: Erstmals in der Geschichte der Menschheit können wir jederzeit an jedem Ort der Erde alle unsere Jugendsünden jedem Menschen zugänglich machen. Das ändert grundlegend die Kommunikation und hat massive Auswirkungen auf unser Kommunikationsverhalten. Gesamtauftritt Pressearbeit, Internet, Printprodukte, Veranstaltungen und noch einiges mehr gehören zum Instrumentenmix erfolgreicher Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sie sind das Gesicht und gehören zum Gesamtauftritt von Unternehmen und Verbänden. Jeder scheint zu wissen, wie wichtig ein professionelles Management dieser Instrumente ist. Umso überraschender, wie wenige sich darum zu kümmern scheinen. Mit halb besetzten Stuhlreihen, gähnend langweiligen Rednern, pappigen Brötchen, schalem Bier haben sie ihre Veranstaltung in den Sand gesetzt. Das mag lustig und übertrieben klingen, gibt es aber weitaus öfter, als man denkt. Presseerklärungen, die nicht gelesen, geschweige denn gedruckt werden, Printprodukte, die nach dem flüchtigen Durchblättern bestenfalls in der Ablage landen, und ein Internetauftritt, der nicht informiert, sondern irritiert. Am Geschäftspapier erkennt man schließlich, dass seine letzte Renovierung schon einige Jahrzehnte zurückliegt. Der Gesamtauftritt ist unprofessionell, nachlässig, ja lausig; das Corporate Design ist Kraut und Rüben. Alle machen es gerade so, wie es ihnen Spaß macht. Keine gute Visitenkarte für die Mitglieder und Kunden. Web 2.0 Mit dem Internet stehen wir in einem der größten Veränderungsprozesse, die die Menschheit jemals erlebt hat. Noch sehen wir lediglich den Zipfel der historischen Dimension, die sich daraus entwickeln kann. Vielleicht nur noch ähnlich dem Buchdruck oder der Erfindung der Schrift vollzieht sich hier eine Revolution, die grundstürzend sein kann. Die großen Fragen drehen sich um die Aufgabe oder zumindest Verringerung von Kontrolle und Macht, Veränderungen der Hierarchie, Egalisierung, Führungsverlust, Eigendynamik, Massenmobilisierung und vieles andere mehr. Wie wird in Zukunft ein derart komplexes System gesteuert oder ist es gar nicht mehr zu steuern? Die weltweite Vernetzung schreddert Informationsmonopole, immer wichtiger wird die Bewertung von Informationen. Gatekeeping, Sortierung und Bewertung sind die zentralen Schlüssel, die uns neue Türen öffnen werden. Dies hat auch unmittelbare Auswirkungen auf erfolgreiche Verbandsarbeit: Sollen wir twittern? Brauchen wir eine Seite auf facebook? Warum soll ich meine Bilder bei flickr zeigen? Das sind Fragen, auf die auch Verbände eine Antwort finden müssen. Dabei muss man gar nicht immer die neueste Mode mitmachen. Wer weiß heute noch, was bei second life passiert? Vor drei, vier Jahren hätte jeder Berater empfohlen, jetzt unbedingt seinen eigenen Avatar zu schaffen, um in der virtuellen Welt aktiv zu sein. Auch hier macht es die richtige Mischung. Nicht auf jeden Hype aufspringen, aber trotzdem à jour sein, ist die Kunst auch für Verbände. Was sollte ich gerade noch tun, was tunlichst meiden? Diese Fragen lassen sich professionell immer nur individuell und im Rahmen der eigenen Strategie beantworten. Eine erfolgreiche verbandliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit lässt sich auf einige wenige kontrapaarische Leitgedanken reduzieren: - Seriosität statt Hype - Strategie statt Tageshecheln - Professionalisierung statt Nebenerwerbs-PR - Personalisierung statt diffusem Rauschen - Corporate Design statt Wildwuchs - Konzentration statt Zerfaserung - Bewertung statt Überflutung

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