Verbändereport AUSGABE 3 / 2000

Public Affairs Lobbying bei der Europäischen Union

Logo Verbaendereport

Das Eurolobbying, die organisierte Interessenvertretung bei der Europäischen Union befindet sich im Wandel. Die fortschreitende europäische Integration und die damit einhergehende Fortentwicklung der Strukturen, Prozesse und politischen Bedeutung der Staatengemeinschaft bedingen eine parallele Veränderung des Systems der pan-europäischen Interessenrepräsentation – in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Klaus Plaschka hat hierzu bei dem Passauer Politikwissenschaftler Dr. Martin Sebaldt eine Diplomarbeit verfaßt, die folgenden Fragen nachging:

  1. Wie ist das Public Affairs Lobbying in das System der organisierten Interessenvertretung auf europäischer Ebene einzuordnen?
  2. Welchen Beitrag kann es in diesem System leisten?
  3. Wie funktioniert das Public Affairs Lobbying?
  4. Wie ist das Selbstverständnis seiner Akteure?
  5. Welche Veränderungen sind durch diese Art der Interessenvertretung zu erwarten?

Externe Lobbyisten, die eigenverantwortlich und in ihrem Namen, die Interessen von Auftraggebern in den politischen Entscheidungsprozeß der EU einbringen, sehen sich teilweise selbst als Alternative zu den herkömmlichen Lobbyingakteuren. Diesem Public Affairs Lobbying widmet sich der folgende Beitrag.

Zur Genese des Public Affairs Lobbying

„Few people know how the institutions of the European Union really work. Even fewer know how to influence the EU decision-making system. Almost no one knows about the forms and structure of lobbying in the emerging European Union.“ Zehn Jahre nach dem ‘Startschuß‘ für die europäische Integration durch die 1987 in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte hat der britische Politikwissenschaftler Alan Butt Philip mit dieser prägnanten Feststellung auf diese Kehrseite der rasanten Verwirklichung einer Europäischen Union verwiesen.

Bestimmungsfaktoren des Euro-Lobbyings

Die wachsende Bedeutung der gesamteuropäischen Politik im zurückliegenden Jahrzehnt hatte einen massiven Zuwachs organisierter Interessen und ihrer Vertreter zufolge, die den Willensbildungsprozeß zu beeinflussen suchen. Ein weitgehend unkontrolliertes und ungeregeltes Wachstum des Lobbyismus war und ist zu beobachten.

Zaghafte Versuche der europäischen Entscheidungsorgane, auf die Veränderungen in der Lobbyinglandschaft steuernd Einfluß zu nehmen, blieben bislang ohne spürbaren Erfolg. Der Markt der Interessenvertreter auf europäischer Ebene präsentiert sich heute als intransparentes und diffuses Element der gemeinschaftlichen Willensbildung. Ein wahrhaft bemerkenswerter Sachverhalt angesichts der unbestrittenen Tragweite des Lobbyings für die politische Entscheidungsfindung.

Eine wissenschaftliche Analyse auf diesem Gebiet hinkt hier zweifelsohne den qualitativen Veränderungen der letzten Jahre deutlich hinterher. So sind es fast ausschließlich einige populärwissenschaftliche Schriften, welche sich in handlungsanweisender Art an potentielle Interessenvertreter bei der EU richten und einige ‘Lobbyingführer‘, die als Adressverzeichnisse dienen, aus denen brauchbare Erkenntnisse über die quantitativen und qualitativen Entwicklungen des Lobbyings gezogen werden können.

Neue Lobbying-Strukturen: Anwälte & Consultants

Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich bei der EU neue Strukturen herausgebildet haben, von denen bedeutende Impulse für das System der politischen Willensbildung ausgehen, denen aber bislang weder in der breiten Öffentlichkeit noch in der Wissenschaft größere Aufmerksamkeit zuteil wurde.

Ein solches Phänomen stellt die Lobbying-Tätigkeit von Consultants und Rechtsanwälten dar, die sich seit einigen Jahren als unabhängige Public-Affairs-Dienstleister den verschiedensten Interessengruppen andienen, um deren Belange wahrzunehmen. Ein Markt nach US-amerikanischem Vorbild scheint das traditionelle Gefüge der europäischen Interessenvertretungen zu überlagern. Externe Lobbyisten, die als „hired guns“ die Interessen von wechselnden Auftraggebern in den politischen Entscheidungsprozess der EU einbringen, sehen sich immer mehr als die Alternative der herkömmlichen Lobbying-Akteure, also als Alternative zu den Verbänden.

Die Untersuchung des Public Affairs Lobbyings bei der Europäischen Union beschränkt sich auf die Situation in Brüssel, den Hauptsitz der Organe der Gemeinschaft. Straßbourg und Luxemburg, wo sich weitere Institutionen befinden, sollen hier außer Acht gelassen werden, da Brüssel den eigentlichen Markt der Interessenvertretung und seiner Akteure beheimatet und Untersuchungsergebnisse zu Brüssel repräsentativen Wert auch für die anderen EU-Institutionen erreichen.

Organisierte Interessenvertretung oder ‚politisches bargaining‘

Nicht jeder, der Interessen besitzt, kann diese auf der politischen Ebene selbst wahrnehmen. Hierzu müssen sie erst gebündelt werden und durch einen Repräsentanten vertreten werden (‚law of agency‘). Diese  Repräsentanten oder ‚Agenten‘ sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert, das richtige Maß zwischen Auftragsgebundenheit und Vertretungsautonomie zu finden. Die Agenten vollziehen ihre politische Arbeit auf einem Markt, in dem Angebot und Nachfrage zwischen ihnen und den Entscheidungsträgern in einer Art Tauschhandel zum Ausgleich kommen. Dieser politische Tauschhandel (‚bargaining‘) hat meist drei Ziele:

  • Koppelungsgeschäfte und Ausgleichszahlungen,
  • Kompromisse oder
  • integrative Konsense zwischen den Interaktionspartnern.

Sollen die Bemühungen auf Dauer erfolgreich sein, lohnt es sich für beide Seiten Kooperationen einzugehen, die sich in Form von Institutionalisierungen niederschlagen können. Die Formen gegenseitiger Beziehungen sind auf informellen oder formellen Wegen zu realisieren, wobei die informellen aufgrund ihrer Kosten- und Zeitüberlegenheit bevorzugt werden. Auch Interessenvertreter untereinander arbeiten aus diesen Gründen durch arbeitsteilige Vorgehensweisen zusammen.

Lobbying und Lobbyisten: Bestimmung des Begriffsfeldes

Das Begriffsfeld von Lobbying und Lobbyisten besitzt seinen Ursprung im englischen Wort lobby als Bezeichnung für die Parlamentsvorhalle und später für die dort tätigen Interessenvertreter. Während Lobby einen ganz unbestimmten Oberbegriff darstellt, beziehen sich Lobbying und Lobbyist mehr auf die Tätigkeit der Einlußnahme, nicht nur im Parlament, sondern bei allen Entscheidungsträgern.

Lobbyist: Negative Assoziationen sind die Regel

Die weitverbreiteten negativen Begriffskonnotationen waren und sind eine Folge unseriöser Praktiken sowie des generellen Mißtrauens gegenüber den Partikularinteressen einzelner und der Tätigkeit von ‘Strohmännern‘. Diese Agentenposition nimmt heute entweder die Form des Consultants oder des In-House-Lobbyisten an. Dabei ist zu beobachten, dass das Vorverständnis dieser Begriffe in den einzelnen Mitgliedsstaaten durchaus unterschiedlich ist. So haben die Briten ein wesentlich entspannteres Verhältnis zu den Interessenvertretern als dies auf dem Kontinent oft der Fall ist.

Euro-Lobbying

Brüssel mag als der weltweit größte Tauschmarkt zwischen Lobbyisten und politischen Entscheidungsträgern angesehen werden. Der Begriff (Euro-)Lobbying bietet sich als Bezeichnung durch seine Internationalität und seine weitgehende Unbestimmtheit an. Lobbying ist dort nicht nur auf den Rechtsenstehungsprozeß gerichtet, sondern auch auf eine große Zahl von Exekutiventscheidungen. Das reicht von Anti-Dumping-Verfahren über Eintarifierungen bis hin zu Fördermitteln. Getauscht werden hauptsächlich Informationen.

Evolution der organisierten Interessenvertretung auf europäischer Ebene

Die historischen Eckdaten, die die Entwicklung des Lobbyings auf europäischer Ebene determinierten, lassen sich tabellarisch in übersichtlicher Form darstellen:

9. Mai 1950 +

18. April 1951

Schuman-Plan und Unterzeichnung des Vertrages von Paris

Der Vorschlag zur Gründung einer europ. Gemeinschaft führt zur EGKS, die im Beratenden Ausschuß die verbandliche Interessenvertretung institutionalisiert, da erwünscht und benötigt.

25. März 1957

Unterzeichnung der Römischen Verträge

Gründung der EAG und EWG führt zu neuen europäischen Verbandsgründungen und zur Bestellung des WSA als weitere Institutionalisierung organisierter Interessen

28./29. Januar 1966

Luxemburger Kompromiß

Die europ. Interessenvertretung verlagert sich wieder in die Mitgliedstaaten – Stagnation des Eurolobbyings

7.-10. Juni 1979

Direktwahl zum Europäischen Parlament

Symbolischer Machtzuwachs und fortschreitenden europ. Integration mit Signalwirkung

14. Juni 1985 +

8.Februar 1986 +

7. Februar 1992

Veröffentlichung des Weißbuches zum Binnenmarkt / Verabschiedung der EEA / Maastrichter Vertrag

Boom der Lobbyingbranche:

verstärkte Ansiedlung von Interessenvertretern aus den Mitgliedstaaten und aus Nicht-EU-Staaten, besonders im Bereich neuer Technologien und EU-Regionalpolitk; europ. Verbandswesen wird ergänzt durch nationale Verbände und Unternehmen; starke Nachfrage nach Informationen durch EU-Organe

Die starke Zunahme des Lobbyings in Brüssel und seiner Bedeutung manifestierte sich letztlich auch in der Gründung zweier Lobbyingschulen, deren Sinn freilich nach wie vor umstritten bleibt.

Mehrebenenstrategie

Zu den quantitativen Veränderungen der Lobbyingbranche traten auch qualitative Veränderungen. Sie bewirkten eine Verschiebung der Einflußnahme in Richtung auf das Parlament. Kooperationen zwischen den unterschiedlichsten Interessenvertretern durch Koalitionen und arbeitsteilige Strategien wurden nötig, was unter anderem. zur Gründung von ‚Round Tables‘, wie etwa dem European Round Table of Industrialists führte.

Die traditionelle europäische Verbandsvertretung fand ihre Ergänzung in Einzelvertretungen nationaler Verbände und Unternehemen oder deren Direktmitgliedschaft. Die Beauftragung von Beratungsfirmen ist der letzte Sproß einer versuchten Mehrebenenstrategie.

Akteure des Euro-Lobbyings

Über die genaue Zahl der in Brüssel ansässigen und tätigen Lobbyisten lassen sich mangels brauchbarer Verzeichnisse keine exakten Angaben machen. Die offizielle Schätzung der Kommission beläuft sich auf 10.000. Geeignete Variablen zur Klassifikation der Interessenvertreter sind die Unterscheidungen öffentlich – nicht-öffentlich oder organisiert – unorganisiert.

Die Grenzen zwischen dem öffentlichen und nichtöffentlichen Sektor lassen sich nicht immer leicht ziehen. Die Ständigen Vertretungen der Mitgliedsstaaten bei der EU sind zweifelsfrei öffentliche Akteure, eine Sonderform aber bilden Vertretungen von Regionen, Gebietskörperschaften und internationalen Organisationen. Zu den privaten Akteuren sind internationale, europäische und nationale Verbände und sonstige non-profit-Interessengruppen sowie Unternehmensvertretungen und Beratungsfirmen zu zählen. Ganz eindeutig werden die europäischen Verbände von der Kommission als offizielle Gesprächspartner bevorzugt.

Zwischen Offenheit und Reglement: Verhaltenskodex und Registrierung

Interessenvertreter müssen gewisse Verhaltensregeln an den Tag legen, um erfolgreich mit ihren Adressaten interagieren zu können. Die Spielregeln sind aber nur solange effizient sind, wie der Markt übersichtlich ist. Das schnelle Wachstum der Lobbyingbranche in Brüssel hat dementsprechend zu einer weitgehenden Intransparenz mit Negativfolgen geführt. Die Entscheidungsträger erhoben bald ihre Forderungen nach einer Registrierung und fixierten Verhaltensregeln, um möglichen Gefahren zu entgegenen. Das Europäische Parlament beschloß als Ergebnis langer Diskussionen über den künftigen Umgang mit Lobbyisten schließlich deren obligatorische Registrierung und die Einhaltung eines Verhaltenskodizes, um Zutritt zum Hohen Haus zu erhalten.

Auch die Kommission forderte Regelungen, verharrte jedoch weitgehend indifferent beim Status quo. Dennoch erwirkten diese Signale erste Bemühungen einer Eigenorganisation als Reaktion der Lobbyisten – bisher ohne großen Erfolg. Eine freiwillige Lösung scheint nicht in Sicht und eine oktroyierte würde auf einige praktische Schwierigkeiten stoßen. Das Beispiel USA zeigt andererseits, dass eine Regelung des Lobbyingmarktes möglich wäre, ohne dabei die demokratischen Strukturen einzuengen. Eine einheitliche europäische Lösung ist bislang noch nicht abzusehen, doch sind Bemühungen um Offenheit und Transparenz von Seiten der EU-Organe festzustellen.

Adressaten des Euro-Lobbyings: Strukturen und Organe der EU

Unter den verschiedenen EU-Organen sind besonders der Rat, das Parlament und vor allem die Kommission die wichtigsten Ansprechpartner von Interessenvertretern. Der Rat steht dabei meist hintan, da eine Änderung von Regelungen in diesem Stadium kaum mehr möglich ist und der Rat durch seine Intransparenz und Verschlossenheit auch kaum Ansatzpunkte für ein effektives Lobbying bietet.

Das Parlament hat seit Einführung des Mitentscheidungsverfahrens und Vetorechts an Bedeutung für die Interessenvertretung gewonnen. Die Autorität des Parlaments und seiner reputierten Mitglieder wird von einigen Lobbyisten für ihre Einflussstrategien zu gewinnen versucht. Dabei kommt ihnen oft die schlanke Struktur des Apparates zugute. Hauptziel des Lobbyings bleibt weiterhin die Kommission in ihrer Funktion als Initiator der Rechtsentstehung und Verwalter des Haushaltes. Auch dort bieten schlanke Strukturen Vorteile, um eine direkte Einflußnahme auszuüben, was besonders auf den unteren Ebenen vollzogen wird. Die Kommission ist Informationen gegenüber äußerst aufgeschlossen und hat innerhalb der Komitologie auch zahlreiche Interessenvertreter in ihren Entscheidungsprozeß institutionalisiert. Sie tritt auch oft selbst als Initiator von Kontakten und Gesprächen mit Lobbyisten auf.

Public-Affairs-Lobbying als neuer Weg der privaten Interessenvertretung

Lobbyisten in Gestalt von Consultants und Rechtsanwälten, wie sie in den vergangenen Jahren immer häufiger in der Brüsseler Lobbyinglandschaft anzutreffen sind, werden landläufig als die klassische Variante der Lobbyingprofession betrachtet, nämlich als engagierte, unabhängige Interessenvertreter. Vorurteile und Zurückhaltung werden ihnen stärker als anderen Lobbyisten entgegengebracht, da sie für viele Betrachter erstens eine neue und weitgehend unbekannte Spezies darstellen, deren Praktiken und Einflußmöglichkeiten großteils nicht geläufig sind. Zweitens sind sie schwer zu kategorisieren und damit einzuschätzen, da sie als Mittelsmänner zwischen den eigentlichen Interesseninhabern und den Adressaten ihres Wirkens oftmals mehrere sowie vor allem wechselnde und unterschiedliche Interessen nach vertreten. ‘Untreue Agenten‘ könnte man sie bezeichnen, wollte man es zugespitzt formulieren. Zum Dritten steht in der Branche der Beratungsunternehmen der Aspekt der Gewinnorientierung stark im Mittelpunkt, was ihr einmal den Ruf des klassischen (negativ besetzten) Lobbyings einbringt und zum anderen ein gewisses Mißtrauen von Seiten Außenstehender. Die Profitorientierung impliziert schließlich gewisse Risiken bezüglich der tatsächlich ehrenhaften Berufsausübung.

Andererseits sehen Kenner der Brüsseler Lobbyszene auch mögliche positive Impulse, die von den neuen Akteuren ausgehen können. So etwa eine nötige Reduktion der vor Ort ansässigen Lobbyisten, die ihre Tätigkeit möglicherweise den Consultants oder Rechtsanwälten übertragen könnten. Desweiteren ist eine bessere pluralistische Willensbildung in den europäischen Organen denkbar, wenn auch die Interessen kleinerer Meinungsträger, denen eine eigene Präsenz in Brüssel finanziell nicht möglich ist, über Beratungsfirmen vertreten werden.

Welche Chancen und Risiken dem Lobbying der EU-Organe tatsächlich durch die Tätigkeit der neuen Lobbyisten erwachsen, soll in den folgenden Ausführungen geklärt werden.

Was bedeutet ‚Public-Affairs-Lobbying‘?

Lobbying wird in Brüssel zunehmend auch von Consultants und Rechtsanwälten betrieben oder unterstützt, die sich als unabhängige Lobbyisten verschiedenen Auftraggeberen anbieten. Der deutsche Begriff Wirtschafts- oder Rechts-Berater reicht hier als Bezeichnung nicht mehr aus. Die Branche kennt unterschiedliche Termini, wovon sich Public Affairs als Kennzeichnung des Aktionsfeldes dieser Lobbyisten anbietet. Public Affairs Practitioner als Berufsbezeichnung zu verwenden wäre möglich, doch wird die häufige Tätigkeit der Einflußnahme mit Public Affairs Lobbyist besser erfaßt. Die ursprünglich angelsächsische Verwendung des Public Affairs-Begriffs hat sich in Euro-Public-Affairs-nur im engeren Sinne für „guns for hire“ eingebürgert. Es stellt quasi die Vollkommenheit des law of Agency dar. Public Affairs muß von den Tätigkeiten der Public Relations abgegrenzt werden.

Evolution des Public-Affairs-Lobbyings in Brüssel: Anschub durch die EEW

Anfängliches Mißtrauen von der traditionellen Lobbyingkonkurrenz gegenüber Public Affairs Lobbyisten in Brüssel wurde mit deren anhaltender Etablierung entkräftet. Unter den Anbietern dominieren immer noch angelsächsische und nordeuropäische Public-Affairs-Lobbyisten den Markt. Den Ausschlag für die starke Zunahme des Public-Affairs-Lobbyings gab der Einheitliche Europäische Wirtschaftsraum (EEW) und der damit verbundene komplexe Integrationsprozeß der Gemeinschaft.

US-Unternehmen und Verbände sahen die Notwendigkeit, sich dem europäischen Markt zu widmen, woraus die verstärkte Niederlassung von US Public-Affairs-Anbietern – europäische Vertreter folgten, besonders aus dem Vereinten Königreich. Public-Affairs-Lobbyisten wurden und werden für politisches als auch für Projektlobbying von anderen Interessenvertretern im Rahmen einer Mehrebenenlobbyingstrategie oder aus Rationalisierungsgründen zum Einen komplementär engagiert. Zum Anderen ersetzen sie bestehende Vertretungen oder werden anstelle dieser beauftragt. Oft geben Kostengründe, besonders bei KMU, den Ausschlag.

Public-Affairs-Lobbying ist insgesamt als Outsourcing der Interessenvertretung zu betrachten, wodurch Spezialisierungs- und Kostenvorteile genutzt werden. Der Outsourcer spart Transaktionskosten und Organisationsausgaben, erhält gleichzeitig aber Spezialwissen und notwendige Informationen. Nachteilig können sich aber Abhängigkeiten, Kontrollprobleme und gegenseitige mangelnde Kenntnis der GeschäftsPublic-Affairs-rtner auswirken.

Funktionelle Betrachtung des Public Affairs Lobbyings

Eurolobbying kann in drei unterschiedlichen Ausprägungen erfolgen: Politisches Eurolobbying als Einflußnahme auf die Rechtsentstehung, Projektlobbying, auf die Vergabe von EU-Förderungen gerichtet, und kommerzielles Eurolobbying zur Beeinflussung von Auftragsvergaben.

Public Affairs Lobbyisten bieten Dienstleistungen sowohl für Lobbyingsupport als auch echtes Lobbying an. Eine Spezialisierung der Akteure innerhalb dieser Bereiche ist die Regel, wobei Public-Affairs-Consultants und Rechtsanwälte unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Insgesamt überwiegen die Supportdienste. Die vielfältigen Dienstleistungen lassen sich grob in

  • informationsbezogene,
  • kommunikations-/organisationsentwickelnde und
  • strategische Tätigkeiten sowie
  • reine Lobbyingdienste

unterteilen.

Bei ersteren wirken die Dienstleister als Anbieter und Nachfrager auf dem Informationsmarkt, besonders über das Monitoring, bei zweiteren im Bereich der Herstellung von Kontakten und der Vorbereitung von Lobbyingstrukturen. Strategische Dienste betreffen bereits die indirekte und direkte Einflußnahme, wobei Lobbying letztendlich schwer in einzelne Maßnahmen aufgeschlüsselt werden kann.

Nationale Dependancen und Kooperationen mit anderen Vertretern der Branche werden von den Public-Affairs-Lobbyisten oft in ihre Strategien eingebunden. Die Nachfragerstruktur ihrer Leistungen ist breit gefächert; Spezialisierungstendenzen auf bestimmte Auftraggebergruppen sind festzustellen, wobei in jedem Fall langfristige Kundenbindungen angestrebt werden.

Empfehlungen und ein guter Ruf sind die wichtigsten Quellen für neue Kunden, wobei Interessenkonflikte unter den Auftraggebern gemeinhin vermieden werden. Mißtrauen wird den Public-Affairs-Lobbyisten entgegengebracht, weil einige Akteure keinen ‚Wettberwerberschutz‘ bieten und ihre Auftraggebere nicht offenlegen. Kritik kann dementsprechend nur durch allgemeinverbindliche Verhaltensregeln entkräftet werden.

Vorteile des Public-Affairs-Lobbying

Der Vorteil der Public-Affairs-Lobbyisten gegenüber traditionell ansässigen Interessenvertretern liegt in ihrer effektiven Kostenüberlegenheit und im Transaktionskostenvorsprung zeitlicher Dimension. Wie zu erwarten, sind die wichtigsten Adressaten ihrer Arbeit die unteren Ebenen der Kommission. Interessanterweise rangiert nach ihrer Selbsteinschätzung nach Kommission der Rat noch vor dem Europäischen Parlament. Insgesamt stellt Public-Affairs-Lobbying eine äußerst effiziente Form der Interessenvertretung in Kosten- wie in zeitlicher Hinsicht dar, sowohl auf Seiten der Auftraggeber wie auch für die Adressaten.

Strukturelle Betrachtung der Public-Affairs-Lobbyisten

Unter den Brüsseler Public-Affairs-Lobbyingvertretungen finden sich Ein-Mann-Unternehmen ebenso wie Büros mit Dutzenden festen Mitarbeitern, wobei der Durchschnitt mit einem bis fünf Lobbyisten arbeitet. Auch freie Mitarbeiter werden engagiert, ein Teil davon aus den Reihen der EU-Bediensteten, vor allem Mitglider des Europäischen Parlaments und deren Assistenten.

Ehemaliges EU-Personal wird von den Public-Affairs-Dienstleistern in zunehmendem Maße für eine Festanstellung gesucht und gefunden. Damit ist eine Qualitätssteigerung ihrer Arbeit zu erwarten, die sich nach den Fähigkeiten der Mitarbeiter richtet. Das europäische Umfeld stellt ganz besondere Ansprüche an die Public-Affairs-Lobbyisten, besonders hinsichtlich ihrer Sprachkenntnisse und sozialen Kompetenzen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor für ihre Arbeit sind interpersonelle Kontakte, kann aber auch die räumliche Nähe der Public-Affairs-Büros zu den EU-Entscheidungszentren sein.

Public Affairs Lobbyisten und ihr Verhältnis zu Adressaten und anderen Interessenvertretern

Sowohl die politischen Entscheidungsträger als auch traditionelle Interessenvertreter in Brüssel stehen den Feststellungen zufolge dem Publi-Affairs-Lobbying gespalten gegenüber. Indifferenz, Mißtrauen, Konkurrenz und Akzeptanz prägen das Meinungsbild.

Unter den Adressaten hat die Kommission ihren Wunsch nach einer Selbstorganisation der anerkannten Public-Affairs-Branche geäußert, selbst aber keine Schritte unternommen. Das Parlament hat sich in jene gespalten, die das Lobbying generell reguliert sehen möchten, und diejenigen, die die Haltung des Hauses durch eigene Lobbyingtätigkeit selbst unglaubwürdig machen. Der Rat hat sich bisher zu dem Thema nicht explizit geäußert. In der breiten Öffentlichkeit produziert Unkenntnis über das Public-Affairs-Lobbying Skepsis.

Die klassischen Interessenvertreter nehmen einerseits die Public-Affairs-Dienste in Anspruch, schmähen sie andererseits aber als ungeliebte Konkurrenz. Veränderungen in der traditionellen Interessenvertretung sind zu erwarten.

Public-Affairs-Agenturen: Domäne individueller und latenter Interessen

Public Affairs Lobbying stellt im Rahmen der organisierten europäischen Interessenvertretung in der Tat eine gänzlich neuartige Form der Einflußnahme auf den politischen Willensbildungsprozeß dar. Dennoch haben sich bereits eindeutige funktionelle und strukturelle Charakteristika dieser Lobbyingform als Typologisierungsmerkmale herausgebildet.

Auf dem Markt der unterschiedlichen Lobbyisten in Brüssel haben die Public Affairs Spezialisten in den Reihen der privaten Lobbyingakteure eine Nische besetzt, die ein Erbe der postmaterialistischen Dienstleistungegesellschaft ist. Wie Sebaldt richtig konstatiert, sind es „postmaterialistische Orientierungen mit einem gesteigertem Drang nach individueller Daseinsgestaltung“[1], die zu einer erhöhten Interessenorganisation geführt haben. Eine Vielzahl ehemals latenter Interessen, sucht heute ihre Vertretung nicht nur national, sondern auch in Brüssel. Schließlich steht die Europäische Union innerhalb ihres politischen Kompetenzzuwachses davor, den nationalen Entscheidungszentren den Rang abzulaufen.

Schwachstellen der verbandlichen Interessenvertretungen

Das traditionelle Verbandswesen mit seinen herkömmlichen Vertretungsstrategien ist dem gesellschaftlichen Dienstleistungsbedürfnis nach einer adäquaten und angepassten Interessenvertretung als Folge dieser Entwicklung nicht mehr gewachsen – schon allein aus organisationstechnischen Gründen. Immer mehr Interessen suchen nach einer individuellen, ihren speziellen Anforderungen angepassten Vertretung. Auch die zunehmende Professionalisierung der bislang agierenden Lobbyisten reichte hier bisweilen nicht aus.

Stärken der Public-Affairs-Lobbyisten

Die Aufsplitterung der manifesten Interessen und ihr Wunsch nach individueller Vertretung könnte durch Public-Affairs-Lobbyisten aufgefangen werden. Als Agenten mehrerer Auftraggeber ist durch sie eine Reduzierung der zahlreichen selbständiger Vertretungen von Unternehmen, Verbänden und Regionen möglich. Public-Affairs-Lobbyisten haben sich als unabhängige Spezialisten organisiert, die unterschiedliche Interessen verschiedener Auftraggeber selbst vertreten oder deren Eigenvertretung unterstützen - eine Dienstleistung, die dem Bedürfnis nach individuellen Problemlösungen und Betreuung in effizienter Art und Weise nachkommt, indem sie durch kompetente Hilfestellung den Outsourcer auf der einen und den Lobbyingadressat auf der anderen Seite entlastet. Ein hoher Spezialisierungsgrad sorgt für die nötigen Kompetenzvorteile und individuelle Hilfe.

Kompromisslose Serviceorientierung und Professionalisierung

Public Affairs Lobbying Anbieter sind stärker noch als alle geschulten, angestellten ‘In-House‘-Lobbyisten Dienstleister höchsten Grades, wie sich auch in ihrem Selbstverständnis ausdrückt. Spätestens durch sie hat sich der Eurolobbyist als eigenständiger Beruf, zudem im Hauptgewerbe ohne festes Angestelltenverhältnis etabliert – ein Maximum an Professionalisierung der Interessenvertreter. Die Etablierung dieses selbständigen Berufes drückt sich auch in der Gründung der Lobbyingschulen aus, denen quasi eine Ausbildungsfunktion für jene Profession zukommt.

Vergleichsweise größere Autonomie und ihre Risiken

Public Affairs Dienstleister vertreten ihre Auftraggebere mit einem Höchstmaß an Autonomie, oftmals nur durch die Erfolgsvorgabe an die Auftraggeber gebunden. Für ihr Handeln sind sie gemeinhin selbst verantwortlich und haftbar, was diese Autonomie ausdie Autonomie abermals betont.

Die Risiken, die aus dieser weitgehenden Vertretungssouveränität resultieren, liegen auf der Hand. Sie mag die Agenten dazu verleiten, die Interessen, die sie für ihre Kunden vertreten sollen, selbst festzulegen und damit den Prozeß der Einflußnahme und dessen Richtung zu steuern. Ihre Auftraggeber sind zum Teil mit den Strukturen der EU-Entscheidungszentren und den Möglichkeiten, die sich dort für sie bieten, derart gering vertraut, dass die Public-Affairs-Lobbyisten hier einen breiten Raum für selbst initiierte Vorgaben finden. Eigene, materielle Interessen können also die Interessenvertretung dirigieren. Die gewinnorientierten Agenten sind schließlich auf eine möglichst dauerhafte und umfangreiche Auftragsakquisition aus – zu diesem Zweck müssen sie der Auftraggeberseite die Notwendigkeit ihrer Tätigkeit deutlich machen.[2]

Die rapide Entwicklung des Public-Affairs-Lobbyings bei der Europäischen Union beruht jedoch nicht etwa auf einer Negativentwicklung des ‘law of agency‘ in der traditionellen Interessenvertretungen. So hat nicht etwa eine fortschreitende Autonomisierung der traditionellen Lobbyisten, seien es Unternehmensangestellte oder Verbandsfunktionäre, zu der Etablierung jenes neuen Lobbyingdienstleistungsstils geführt. Ein solcher Zusammenhang besteht indes in den USA, wo der Begriff Public Affairs Lobbying auch die herkömmliche Interessenvertretung miteinbezieht und unabhängige Dienstleister sich erst später verselbständigt haben. Auf europäischer Ebene ist das Public-Affairs-Lobbying vielmehr das Resultat eines eigendynamischen Prozesses der Dienstleistungsgesellschaft, der aus den Bedürfnissen des Marktes geboren wurde. Der Prozeß scheint im Vergleich mit den USA tatsächlich umgekehrt zu verlaufen – erst nach dem Auftauchen der Public-Affairs-Anbieter, sind Tendenzen ersichtlich, den Terminus Public Affairs auch für die Agenten traditioneller Interessenorganisationen zu verwenden.[3]

Für die Agent-Auftraggeber-Beziehung bedingt die große Autonomie der Public-Affairs-Lobbyisten zwei möglicherweise erhebliche funktionelle Nachteile, wie wir sie zum Teil generell im Outsourcing generell erleben können: Eine enge Bindung ist wichtig, damit sich der Vertretungsagent ein umfassendes Bild über die wahren Bedürfnisse und Strukturen seines Auftraggebers machen kann. Nur so wird er dessen Wünsche und Interessen erfolgreich repräsentieren und die entsprechenden Informationen und Kontakte für ihn beschaffen. Ist das Bindungsverhältnis mangelhaft, wird sich dies auch auf das Ergebnis der Agententätigkeit auswirken. Gleichzeitig ist der Agent schließlich auf ein glaubwürdiges Auftreten gegenüber den Lobbyingadressaten angewiesen, das er nur an den Tag legen kann, wenn er ein enges Auftragsverhältnis mit seinem Auftraggeber nachvollziehbar macht. Dagegen spricht jedoch seine vergleichweise hohe Autonomie und Unabhängigkeit vom Auftraggeber. Diese nachteiligen Faktoren mögen ein Grund dafür sein, weshalb Public Affairs Lobbyisten bisher noch wenig von den Organen der Union als Interessenvertreter akzeptiert sind – ihre erst junge Tradition ist freilich ein weiteres Motiv.

Lobbyingsupport wichtiger als Lobbying

Das wird auch der eigentliche Grund sein, dass die eigentliche Lobbying-Tätigkeit für die Public-Affairs-Agenturen letztlich von untergeordneter Bedeutung ist, während der sogenannte Lobbying-Support das Tagesgeschäft dominiert. Die Tätigkeit der Einflußnahme steht also hinter informationsbeschaffenden und kommunikatios- sowie organisationsentwickelnden Diensten zurück. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Relation zwischen Lobbying und Lobbyingsupport verändern wird, um weitere Aussagen treffen zu können.

Public Affairs: Ergänzung zur organisierten Interessenvertretung

Die Untersuchungen zum Selbstverständnis der Public-Affairs-Lobbying Spezialisten belegen, dass sie in der Tat die konventionellen Interessenvertreter in Brüssel nicht zu ersetzen versuchen. Sie sind sich dessen bewußt, dass ihnen nur partiell eine substituierende Funktion zu Teil werden kann, sie setzen stattdessen bewußt auf komplementäre Dienste. Wie aus den Interviews geschlossen werden kann, sehen sich Public-Affairs-Lobbyisten demgemäß auch selten selbst als Interessenvertreter, sondern als Dienstleister mit dem möglichen Ziel der Interessenvertretung.

Public-Affairs-Agenturen erzeugen Wettbewerbsdruck für Verbände

Die Arbeit von Public Affairs Dienstleistern wird zwangsläufig eine Reform des traditionellen Systems der organisierten Interessen der EU nach sich ziehen. Eine weitere Professionalisierung der gesamten Akteure ist anzunehmen, um nicht den Public-Affairs-Spezialisten einen Vorsprung zu gewähren. Hinsichtlich der Verbandsarbeit war bereits seit längerem Kritik an unzureichender Effektivität und Effizienz geübt worden. Sie ist nun durch die potenzielle Konkurrenz des Public-Affairs-Lobbyings gezwungen, tatsächlich neue Strategien zu entwickeln. Dies läßt sich bereits hier und da feststellen.

Chance für kleine Verbände

Die Dominanz großer, etablierter Interessenvertretungen kann durch die Arbeit der unabhängigen Dienstleister abgeschwächt werden, da diese auch kleine, bisher nicht artikulierfähige, Interessenorganisationen in den politischen Entscheidungsprozeß einbringen. Voraussetzung für ihren Erfolg wird allerdings sein, dass die Public Affairs Lobbyisten selbst als ‘Mitspieler‘ von den Entscheidungsträgern akzeptiert werden. Der Großteil jener Akteure ist sich dessen bewußt, dass solche Akzeptanz nur über eine ehrliche und seriöse Arbeit zu erreichen ist. Diesem Ziel mag die Profitorientierung der Akteure und der Konkurrenzkampf innerhalb der Branche hinderlich sein. Denn schwarze Schafe mit unsauberen Praktiken wird es solange geben, bis nicht allgemeinverbindliche Regeln mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten derlei unterbinden. Eine Organisierung und gleichzeitige Registrierung aller Public-Affairs-Lobbyisten, freiwillig oder auf Druck der EU-Organe, kann derlei Gefahren eindämmen und einer transPublic-Affairs-renten, übersichtlichen Branche zur nötigen Anerkennung verhelfen. Das Problem der Interessensteuerung durch hohe Vertretungsautonomie des Agenten wird demgegenüber kaum zu vermindern sein, weshalb das Public Affairs Lobbying im System der pluralistischen Willensbildung durchaus kritisch betrachtet werden muß. Solange jedoch die Akteure großteils nur Lobbying unterstützende Aufgaben wahrnehmen, wird sich ihr Einfluß, angesichts der momentanen Größenverhältnisse in der Landschaft Brüsseler Interessenvertreter noch vergleichsweise bescheiden ausnehmen. Der Beitrag, den Public Affairs Lobbyisten durch diese Tätigkeiten des Lobbyingsupports leisten, kann als komplementärer Teil des Systems europäischer, organisierter Interessen auf alle Fälle sehr begrüßt werden.

Fragmentierung des Lobbying möglich

Ein Ausbau der europäischen Integration und die vorgesehene Erweiterung der Gemeinschaft in den kommenden Jahren wird das gesamte System organisierter Interessen vor große Herausforderungen stellen. Zusätzliche Interessenvertreter, vor allem aus den neuen Mitgliedstaaten, werden die Zahl der Lobbyisten, die den Entscheidungsträgern gegenüberstehen, weiter anwachsen lassen. Sollte die traditionelle Verbandsarbeit zu keinen zufriedenstellenden Reformergebnissen finden, sind aus diesem Bereich zusätzliche individuelle Interessenorganisationen zu erwarten. Dem Public Affairs Lobbying könnte damit eine entscheidende Rolle zukommen: Denn eine Reduktion der Lobbyingakteure wird schon aus Praktikabilitätsgründen stattfinden müssen. Insofern wäre es wünschenswert, dass sich die Public Affairs Dienstleistungsbranche zu einem integralen, organisierten Bestandteil einer geregelten und transaprenten Lobbyinglandschaft in Brüssel entwickeln würde.

Weitere Forschungen nötig

Die Erkenntnisse meiner Diplomarbeit bei Professor Sebaldt sollen ein erster Anstoß zum Beitrag des Public Affairs Lobbyings auf die europäische organisierte Interessenvertretung sein. Weitere Forschungen in größerem Rahmen werden nötig sein, um beispielsweise die Wechselwirkungen der Public-Affairs-Lobbyisten mit anderen Interessenvertretern genauer auszuloten oder ihre Interaktionen mit den Entscheidungsträgern zu systematisieren.

[1] Sebaldt, Martin, Organisierter Pluralismus, S. 526. Sebaldt hat eine Entwicklung der deutschen Gesellschaft hin zur Dienstleistungs- und auch Risikogesellschaft ausgemacht, in der einerseits Dienstleistungen dominieren, was Dienstleistungsinteressen produziert. In der andererseits auch viele Bedrohungen (Risiken) hervortreten, die wiederum neue Interessen implizieren. Eine Individualisierung von Interessen, gerade angesichts der postmaterialistischen Werteorientierung ist die Folge (vgl. dazu auch S. 62 – 71). Diese Erkenntnisse dürfen gewißlich als gesamteuropäische Entwicklung gesehen werden, auch wenn entsprechende Studien noch nicht vorliegen.

 

[2] Ganz ähnliche Tendenzen hat Sebaldt innerhalb des deutschen Verbandswesens ausgemacht, wo Verbansorganisationen und Funktionäre jenen Versuchungen des Eigeninteresses ausgesetzt sind (vgl. Sebaldt, Martin, Organisierter Pluralismus, S. 527 f.).

 

[3] Als Beispiel mag hier der Aufsatz Euro Public Affairs voor branchenorganisaties: Brussels Monotoring en belangenbehartiging von U. Schröder dienen. Schröder behandelt unter diesem Titel das moderne Eurolobbying von Interessenorganisationen, mit quasi leitfadenartigem Charakter.

Artikel teilen:

Das könnte Sie auch interessieren: