Von der Fachpresse einmal abgesehen befinden sich alle Medien in einem permanenten Zustand der Übererregung. Die Reaktionsfristen der betroffenen Akteure gegenüber den Medien werden daher immer kürzer, bevor neue Themen auf die Tagesordnung kommen. Wer nicht sofort reagiert, wird in der Regel nicht mehr wahrgenommen. Wer nachklappt, hat schlechte Karten im Mediengewerbe.
Für die Öffentlichkeitsarbeit bedeutet dies: Nicht nur das Was, also die Kommunikationsbotschaft, sondern vor allem das Wann ist entscheidend für den Kommunikationserfolg. Die neuen Tempoanforderungen sind nicht zuletzt auf den intensiver gewordenen Wettbewerb in der Medienlandschaft zurück zu führen. Gegenwärtig konkurrieren in Deutschland alleine 38 Fernsehprogramme um die Aufmerksamkeit der Zuschauer.
Um diese Tempoanforderungen erfüllen zu können, wird eine vorausschauende Presse- und Medienpolitik immer bedeutsamer. Für die Geschäftsführung der Verbände bedeutet dies, systematisch Informationen zu sammeln und vorzubereiten, um sie bei aktuellen Fällen sofort zur Hand zu haben und in Presseerklärungen und Statements umsetzen zu können.
Kanzler-Marketing
„Machen Medien Kanzler?“ War der Titel einer Veranstaltung der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen unter Vorsitz des CDU-Abgeordneten Hörster kürzlich in Berlin. Die Kommunikationswissenschafter Donsbach und Weischenberg zeigten bei dieser Veranstaltung, welche Wechselwirkungen zwischen Medien und Politikerimage bestehen. Der SPD-Wahlkampfmanager Machnig legte bei der Veranstaltung dar, welche fünf Fragen geklärt sein müssten, bevor die Parteien an das eigentliche „Marketing“ für ihre Spitzenkandidaten gehen könnten:
Personifizierung, die erst Vertrauen und Identifizierung erlaube Thema-Person-Bindung, weil sonst das Kandidatenbild inhaltsleer bleibe Programmarbeit, die dem Kandidaten Problemlösungs-kompetenz zuschreibe Stilisierung, die die Wiedererkennung von Personen erhöhe Werteorientierung, die Leitbildfunktion für die Mehrheit der Wähler schaffe.
Antiprofil
Michael Spreng, früherer Chefredakteur der „Bild am Sonntag“ und jetziger Wahlkampfberater des Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber, verspricht sich mit einem „Antiprofil zum Bundeskanzler“ politischen Erfolg. Stoiber solle den Wählern als „ernster Mann in ernsten Zeiten gegen einen Showmaster“ präsentiert werden. Streng: „Wenn es uns gelingen sollte, Stoiber mit einem nicht-amerikanischen Wahlkampf durchzusetzen, wäre dies ein Gewinn für die politische Kultur.“
Ganz anders Matthias Machnig, der Gerhard Schröder in der laufenden Wahlkampfkampagne berät. Er setzt ganz auf so genanntes „Politainment“, das er mit den Worten „Kampagne, Kontroverse, Konzentration, Kommunikation“ zusammenfasst. „Person, Programm, Performance müssen übereinstimmen“, so Machnig. Bleibt abzuwarten, ob eher die Spaßgesellschaft oder der gesetzte Ernst triumphiert.