Die Auswahl passender Software will geplant sein. Sonst ist der Schaden schnell größer als der Nutzen. Am Beispiel des verbandlich organisierten Deutschen Evangelischen Kirchentags wird gezeigt, wie ein Pflichtenheft für die Auswahl einer Datenbank erstellt werden kann und was dabei zu berücksichtigen ist.
Ausgangssituation
Der Deutsche Evangelische Kirchentag findet alle zwei Jahre statt. Er wird jeweils von einer Geschäftsstelle vorbereitet, die ihren Sitz am Ort des Kirchentages hat. Mehr als 100.000 Teilnehmer besuchen dabei rund 3.000 Veranstaltungen unterschiedlicher Größe. Neben den zahlreichen Veranstaltungen sind der Einsatz von rund 14.000 ehrenamtlichen Helfern sowie rund 36.000 Übernachtungen in Gemeinschaftsunterkünften und 10.000 Übernachtungen in Privatunterkünften zu planen.
Als Arbeitsinstrument steht für die Organisation eine historisch gewachsene Datenbanklösung zur Verfügung, die zwischen und während der einzelnen Kirchentagen mit erheblichem Arbeitsaufwand durch interne und externe Mitarbeiter an die sich ändernden Anforderungen angepasst werden muss. Eine Finanzbuchhaltung ist nicht integriert. Es hat sich eine eigene „Kirchentagssprache“ in der Datenbank entwickelt, die es Neueinsteigern erschwert, sich in die Materie einzuarbeiten. Die Meinung der Mitarbeiter zur vorhandenen Datenbanklösung variiert zwischen Zustimmung und leichter Skepsis.
Projektstart
Der hohe Anpassungsaufwand für die bestehende Datenbank rückte die Frage nach einer verbesserten Lösung in den Vordergrund. Hierzu wurde eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern verschiedener Abteilungen gebildet. Die externen Programmierer, die für die kontinuierliche Weiterentwicklung der vorhandenen Datenbank zuständig sind, wurden eingebunden. Die Erstellung eines Grobpflichtenhefts auf Basis der bestehenden Prozesse sollte durch externe Berater erfolgen. Dabei sollte das Grobpflichtenheft die Basis für eine Ausschreibung der Datenbanklösung bilden. Unter verschiedenen Anbietern wurde die Firma 2K-verbandsberatung für die Erstellung des Grobpflichtenhefts ausgewählt. Volker Knöll, Projektleiter beim Kirchentag: „Wir haben uns aus mehreren Gründen für externe Unterstützung bei der Erstellung des Grobpflichtenhefts entschieden. Zum einen wollten wir die Neutralität bei der Bewertung auch der vorhandenen Lösung mit ihren Stärken und Schwächen sicherstellen. Dies schien uns nur durch externe Unterstützung möglich. Zum anderen fehlte uns der fachliche Hintergrund, wie wir ein solches Grobpflichtenheft sinnvoll aufbauen. Schließlich spielten auch die zeitlichen und personellen Ressourcen eine Rolle.“
Herangehensweise
In einer gemeinsamen Sitzung der Arbeitsgruppe und dem Berater wurde ein Projektplan entwickelt, der aus drei sich ergänzenden Phasen bestand:
Phase 1
Überblickverschaffung über Situation
Phase 2
Analyse der vorhandenen Dokumentation und Masken
Phase 3
Einzelinterviews mit Mitarbeitern
Die Arbeitsschritte und die geplante Struktur des Pflichtenhefts wurden bereits frühzeitig auf einer Abteilungsleiterkonferenz bekannt gegeben, um den Prozess transparent zu gestalten und möglicherweise bestehende Vorbehalte und Sorgen abzubauen. In mehreren ausführlichen Gesprächen mit einem langjährigen Mitarbeiter des Kirchentags, der sowohl die datenbankbezogenen als auch die sonstigen Prozesse beim Kirchentag kannte und Mitarbeitern der IT-Abteilung wurde zunächst ein Überblick über die Zusammenhänge der verschiedenen Prozesse und der Situation erstellt. Erst die genaue Kenntnis der Zusammenhänge erlaubt es dem externen Berater, eine maßgeschneiderte Lösung zu entwickeln.
Weitere Erkenntnisse wurden aus der Analyse der bestehenden Dokumentationen und Masken gewonnen. Ergänzt wurde dies durch ausführliche Interviews mit sachkundigen Mitarbeitern. Dabei wurden anhand vorbereiteter Fragebögen die Prozesse erfasst, Stärken, Schwächen der vorhandenen Lösung sowie die Wünsche der Mitarbeiter gesammelt.
Die Fragebögen wurden auf Basis der zuvor geführten Gespräche erstellt und den Mitarbeitern einige Tage vor dem Interview zur Verfügung gestellt. Durch diese transparente Vorgehensweise konnten Vorbehalte der Befürworter der bestehenden Lösung abgebaut werden und gleichzeitig eine sachgerechte Vorbereitung ermöglicht werden. Bei den Interviews ist es wichtig, sowohl die Erfahrungen „alter Hasen“ abzufragen als auch neue Mitarbeiter, die eventuell weniger ‚betriebsblind’ sind, einzubinden. Natürlich müssen auch alle relevanten Fachabteilungen einbezogen werden. Die Mitarbeiter sollten aus verschiedenen Hierarchieebenen stammen. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, die Gespräche in Form von Einzelinterviews zu führen. Ein „Verstecken in der Gruppe“ ist so nicht möglich und der Berater kann sehr viel intensiver nachfragen. Das Ergebnis dieser drei Maßnahmen bildete dann die Basis für das Grobpflichtenheft.
Der erste Entwurf des Pflichtenhefts wurde an die Arbeitsgruppe versandt und einige Tage später gemeinsam diskutiert. Zu diesem Zeitpunkt konnten noch Änderungen eingearbeitet werden. So haben die Mitglieder der Arbeitsgruppe entschieden, die vom Berater vorgeschlagene K.O.- Kriterien zunächst nicht aufzunehmen, um eine breitere Basis von Angeboten zu bekommen.
Inhalt eines Grobpflichtenhefts
Das Pflichtenheft soll dem Kunden eine Entscheidungsgrundlage für die Auswahl der gesuchten Software in finanzieller, organisatorischer und technischer Hinsicht bieten. Das Inhaltsverzeichnis des Grobpflichtenhefts für den Kirchentag hat folgende Gliederungspunkte:
- Vorbemerkungen zum gewünschten
- Angebot und Grobpflichtenheft
- Organisationsgliederung
- Vorhandene Situation
- Teilnehmerbereich
- Materialwirtschaft
- Finanzbereich
- Sonstiges
- Aufgaben und Zielsetzung der Datenbanklösung
- Mengengerüst
- Fachliche und systemtechnische Anforderungen an die Datenbanklösung
- Schnittstellen zum Altsystem
- Infos zum anbietenden Unternehmen
- Konditionen / Sonstige Inhalte
- Hinweise zur Angebotsabwicklung
Es ist auf jeden Fall notwendig, bereits während der Erstellung des Pflichtenhefts an die spätere Auswertung der Angebote zu denken. Die Fragen sollten so gestellt sein, dass sich die Antworten der verschiedenen Anbieter leicht vergleichen lassen. Hierzu können Tabellen und geschlossene Antworten hilfreich sein. Auch die Abfrage von Prozentwerten hilft bei der Auswertung weiter.
Nebeneffekte
Als Nebenprodukt können Wünsche der Mitarbeiter gesammelt werden. Volker Knöll: „Außerdem hat die Erstellung des Pflichtenhefts durch externe Berater dazu geführt, dass uns Verbesserungspotezial bei einigen Prozesse deutlich gemacht wurde. Uns hilft dies bei der Festlegung der Prioritäten unserer weiteren Arbeit“.
Fazit
Die Erstellung eines Pflichtenhefts bildet die Grundlage für einen sachgerechten Auswahlprozess für eine neue Software. Ein Pflichtenheft hilft sowohl dem Auftraggeber als auch dem Anbieter, die verbindliche Grundlage für den Softwarebeschaffungsvertrag zu definieren. Wegen der grundlegenden Bedeutung des Pflichtenhefts für den weiteren Beschaffungsprozess und der langfristigen Wirkung einer Softwareauswahl sind die zeitlichen und finanziellen Investitionen für die Erstellung des Pflichtenhefts gerechtfertigt.