Verbändereport AUSGABE 5 / 2012

Software für Verbände 2012: Verbandssoftware goes online

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Integration ist das Stichwort. Auch könnten wir sagen: Es wächst zusammengehört, was zusammengehört. Dass wir diesen – vormals politischen – Ausspruch in Bezug auf Verbandssoftware anwenden können, zeigt viel Gutes. Die speziellen Anforderungen von Verbänden an die eingesetzte Software haben eine weitere Spezialisierung in den Markt der Verbandssoftware gebracht. Gleichzeitig wächst der Markt und mehr Produkte stehen dem verbandlichen Entscheider zur Verfügung. Drittens verschwimmen die Grenzen zwischen klassischer Software zur Mitglieder- und Verbandsverwaltung und der Zusammenarbeit der Mitglieder untereinander: Über Organisations- und Gremiengrenzen hinweg, integrieren die Lösungen viele Prozesse und vereinfachen die Arbeit in den Geschäftsstellen weiter.

Anforderungen an Verbandssoftware

Mit knapp 60 verschiedenen Produkten ist die diesjährige Produktübersicht „Software für Verbände“ weitaus umfassender und größer als noch in den Jahren zuvor. Diese Breite erwächst auch daraus, dass die vielfältigen Anforderungen in den jeweiligen Organisationen unterschiedliche Softwareprodukte hervorbringen. Diese große Variation macht es wahrscheinlich, dass die „richtige“ Software für jeden dabei ist. Die Kunst für einen Verband liegt darin, genau diese richtige Software für seine Belange zu identifizieren.

Was die Software leisten soll, scheint erst mal klar zu sein. Die Arbeit in der Geschäftsstelle vereinfachen. Von der Mitgliederverwaltung und dem Beitragsinkasso über die Abonnentenverwaltung der Verbandszeitschrift bis zur Seminar- und Veranstaltungsverwaltung sollen die wesentlichen Prozesse abgebildet werden. Auch helfen die Produkte, die Kommunikation mit den Mitgliedern zu vereinfachen, indem sie beispielsweise Ausschüssen und Gremien nach vordefinierten Kriterien Dokumente zur Verfügung stellen, diese in einem internen Mitgliederbereich ablegen oder auch Teile des Internetauftritts des Verbandes pflegen.

Die Integration der verschiedenen Bereiche

Was in den vergangenen Jahren begann, die Integration verschiedener Bereiche, hat sich weiter fortgesetzt. Nehmen wir ein Beispiel: Die Anmeldung zu einer Verbandsveranstaltung geschieht im internen Bereich des Internetauftritts eines Verbandes online durch das Mitglied, welches bei dieser Gelegenheit seine Stammdaten korrigiert. Stimmt die Telefonnummer noch oder hat sich der Ansprechpartner geändert? Diese Information ist zeitgleich für die Mitarbeiter der Geschäftsstelle einsehbar, die von der Software auf die Änderungen hingewiesen werden und ein Begrüßungsschreiben verschicken, welches – rein automatisch – auf die folgende Mitgliederversammlung hinweist und ein für den Verband aktuelles Diskussionspapier benennt. Dies kann direkt im Mitgliederbereich bearbeitet und diskutiert werden, sodass noch vor der Beginn der Mitgliederversammlung ein breit akzeptiertes Konzeptpapier zur Verfügung steht. Diese „Eskalationskette“, dass die Änderung von Mitgliedsdaten recht klar abgegrenzte Arbeitsschritte nach sich zieht, kann Verbandssoftware abbilden und damit den Mitarbeiter in der Geschäftsstelle entlasten.

Die Auswahl der modernen Verbandssoftware

Mit dieser – und das vorherige Beispiel ist einfach – Vorstellung von Möglichkeiten moderner Verbandssoftware rückt die richtige Auswahl noch mehr als in der Vergangenheit in den Mittelpunkt. Fehlentscheidungen bedingen einen hohen Korrekturaufwand und sind kostenintensiv. Gleichzeitig stellt die Einführung einer neuen Verbandssoftware auch einen Motivationsschub dar: Althergebrachte Prozesse können auf den Prüfstand gestellt und verschlankt werden.

Bei jeder Software-Implementierung stehen ganz im Grundsatz zwei Wege offen. Der hausinterne Programmierer erstellt eine hochspezielle „Insellösung“ oder der Verband greift auf Software eines Anbieters zurück. Mit zunehmendem Projektfortschritt entfernen sich beide Wege zunehmend voneinander: Bei einer „Insellösung“ für die sehr konkrete Lage in einer Organisation stellt der notwendige Einarbeitungsaufwand externer Berater und Techniker eine Hürde dar. Diese ist umso höher, je länger das System läuft, Anpassungen am laufenden System vorgenommen wurden und Prozesse innerhalb der Geschäftsstelle sich die Erfordernisse angepasst haben. Auf der anderen Seite: Insellösung bedeutet im Idealfall auch effektive Lösung. Darauf reagieren die verschiedenen Produkte in unserer diesjährigen Übersicht. Neben der Bereitstellung eines Basis-Tools werden unterschiedlichste Module, Erweiterungen, Spezialisierungen angeboten, um so eine Brücke von der passgenauen Insellösung zur klassischen Verbandssoftware zu schlagen.

Spätestens hier wird deutlich, dass die Krux in der Software-Auswahl sowohl in der Auswahl der technischen Lösung als auch der Identifikation des präferierten Anbieters mit dem Angebot an Erweiterungen und Modulen besteht, ebenso wie darüber der menschliche Faktor nicht vergessen werden darf. Es sind die Mitarbeiter, die mit der Software umgehen müssen, es sind dieselben Mitarbeiter, die hilfreich mit Tipps und Erfahrungswerten zur Seite stehen können, es sind auch genau diese Mitarbeiter, die aus einer perfekten Lösung eine Investitionsruine machen können, wenn sie die Nutzung verweigern.

Einführung einer neuen Software

Der Weg, eine neue Software in der Geschäftsstelle einzuführen, beginnt mit einer sogenannten Umfeld-Analyse. Ein paar Eckdaten aus unserer Erfahrung mögen dabei hilfreich sein: Es gibt einen relevanten Unterschied zwischen Mitarbeiter-Zeit und Kalender-Zeit. Fünf Mitarbeiter-Tage, eine Arbeitswoche, sind kalendarisch mit fünf Arbeitstagen zu jeweils etwa acht Stunden bemessen. Wenn Zeitpläne auf dieser Basis entwickelt werden, vernachlässigt dies die Sicht der Mitarbeiter. Für sie gelten subjektiv andere Zeiten. Eine Woche besteht aus vier Tagen, dieser jeweils aus sechs Stunden. Im besten Fall. Eine von der Projektleitung mit fünf vollen Arbeitstagen projektierte Aufgabe endet nicht am Freitag, wenn sie montags begonnen wurde. Sondern am Donnerstag der Folgewoche! Zumal bei diesen Zeitkalkulationen immer auch bedacht werden sollte, dass in der Regel kein Mitarbeiter einhundertprozentig sich mit der Einführung einer Software beschäftigen kann. Das Tagesgeschäft kann nicht liegen bleiben und Anfragen von Mitgliedern wollen ebenso beantwortet werden. Insofern sind längere Zeithorizonte immer realistischer und letztlich zielführender als eine Hauruckaktion.

Wichtig: Klare Verantwortlichkeiten

Um den komplexen Auswahlprozess auf dieser Entscheidungsebene möglichst schlank zu halten, sind klare Verantwortlichkeiten zu bestimmen und die Beteiligten bereits in dieser Phase einzubinden. Sinnvollerweise sollte sich die Beteiligung nicht nur an der Budgethoheit festmachen, sondern auch den alltäglichen Einsatz berücksichtigen. Zumal regelmäßige Konsultationen der betroffenen Mitarbeiter schon zu Beginn der Einführung das Akzeptanzniveau erhöhen.

Leitfragen, die das Umfeld der Organisation erkunden, fragen daher nach der internen Organisationsstruktur. Ist sie sehr hierarchisch oder eher flach, wer ist wann und wie an grundsätzlichen Aufgaben beteiligt? In welchem technischen  Umfeld bewegt sich der Verband? Wie groß, das heißt, wie personalintensiv ist das Projekt? Wovon schließlich nicht nur abhängt, welche Mitarbeiter vielleicht sogar extra für die Software-Einführung freigestellt werden sollten, sondern schlicht auch die Dauer der Software-Einführung.

Bereits diese kurzen Einsichten machen deutlich, wie wichtig ein ganzheitliches Herangehen an die Einführung einer neuen Software-Umgebung ist, das früher greift als mit der technischen Bewertung. Ob die neue Software sich kompatibel in die bestehende Infrastruktur einpasst, ist eine technisch notwendige Frage. Ob die Software zu den Prozessen in der Geschäftsstelle und zu den Mitarbeitern passt, ist strategisch relevant.

Sieben Schritte und eine Software

Der Auswahlprozess einer geeigneten Verbandssoftware gliedert sich in sieben Phasen: von der Orientierung über die Erfassung des Istzustandes bis hin zum Sollzustand.

1. Orientieren

Je transparenter dieser Vorgang, desto besser: Oftmals sind Anforderungen an eine Softwarelösung gewissermaßen „versteckt“ – wer regelmäßig von unterwegs auf die Mitgliederdaten und Terminkalender zugreifen möchte oder beispielsweise eine möglichst nahtlose Anbindung mobiler Arbeitsplätze (Laptop, Handheld, Smartphone) nutzen möchte, ist nicht immer auch Hauptansprechpartner für die Pflege der Mitgliederdaten in der Geschäftsstelle. Sich im Umfeld zu orientieren hilft, spätere Fallstricke zu vermeiden und unpraktische Lösungsansätze bereits von Beginn an zu verhindern.

Um den komplexen Auswahlprozess auf der Entscheidungsebene möglichst schlank zu halten, sind klare Verantwortlichkeiten zu bestimmen und alle Beteiligten ab diesem Schritt regelmäßig einzubinden. Sinnvollerweise sollte sich die Beteiligung nicht nur an der Budgethoheit festmachen, sondern auch den konkreten Einsatz berücksichtigen. Zumal regelmäßige Konsultationen der betroffenen Mitarbeiter schon zu Beginn der Einführung das Akzeptanzniveau erhöhen.

2. Untersuchen

Spätestens in diesem Schritt werden notwendige Schwerpunkte der Verbandssoftware (Mitgliederverwaltung, Kontaktmanagement (CRM), FiBu, Anbindung Webseite, Warenwirtschaft, Dokumentenmanagement etc.) identifiziert und Ausschlusskriterien formuliert.

3. Funktionen beschreiben

In welche bestehenden Systeme und Arbeitsabläufe soll die Verbandssoftware eingebunden werden? Welche Strukturen des Verbandes sollen überhaupt abgebildet werden? Es wäre mit Kanonen auf Spatzen geschossen, eine Software zu implementieren, deren wesentliche Aufgabe in der detaillierten Ausdifferenzierung von Landes- und Bundesebenen, vielfältigen Gremien und Ausschüssen besteht, wenn eine derartige Tiefe nicht erforderlich ist. Schließlich werden Geschäftsprozesse analysiert, um sicherzustellen, dass das vorhandene Personal den Einsatz als Mittel zur Vereinfachung der bestehenden Arbeitsabläufe erkennt und die Einsatzhürde gering ist.

An dieser Stelle kristallisiert sich eine Funktionsübersicht heraus – geordnet nach Prioritäten werden Anforderungen niedergelegt, die erarbeiteten Lösungen beschrieben und mit den Beteiligten abgestimmt. Diese technische und organisatorische Fundierung bildet die Basis des Pflichtenheftes.

4. Designen

Inwieweit ist die Softwarelösung durch Mitarbeiter in der Geschäftsstelle bedienbar? Nicht zu unterschätzen ist dieser Punkt. Die beste Lösung verfehlt ihr Ziel, wenn die Bedienmasken unübersichtlich sind, wichtige Handgriffe durch unzählige Mausklicks voneinander entfernt liegen oder gar eine unlogische Bedienerführung den Spaß an der Lösung nimmt. Das Hauptaugenmerk sollte dabei immer auf dem Grundsatz liegen: Das Werkzeug passt sich der Aufgabe und dem Nutzer an. Niemals der Nutzer dem Werkzeug.

5. Entwickeln

Die mittlerweile gewonnenen Informationen fließen in ein sogenannten Pflichtenheft, welches transparent die Anforderungen an die Verbandssoftware dar- sowie die technischen Möglichkeiten und Gegebenheiten der Geschäftsstelle vorstellt. Vom Aufbau eines Pflichtenheftes hängt nicht unwesentlich die genaue Beschreibung der Pflichten für den Softwareanbieter ab.

Ähnlich einem klassischen Bewerbungsverfahren zur Besetzung offener Stellen treffen die Verantwortlichen anhand formaler Kriterien aus den Rückmeldungen eine Auswahl von etwa fünf Anbietern. Deren Angebote erfüllen sowohl formale Anforderungen (Erfüllung Grundanforderungen, Abdeckung weiterer Anforderungen, Anpassungsaufwand, erste Kostenschätzung) wie auch inhaltlich die Eckdaten des Pflichtenheftes. Dieser engere Anbieterkreis wird schließlich um die Abgabe eines detaillierten (kaufmännischen) Angebotes gebeten. Unter Umständen liegt ein aktualisiertes Pflichtenheft vor, welches Basis des Angebotes ist. Gerade in dieser Phase ist ein konformes Pflichtenheft unerlässlich — gegliedert nach klaren Kriterien erfasst es beides: den Ist- und den Sollzustand. Die Brücke zwischen Weg und Ziel schlägt im Idealfall genau ein Angebot der Software-Anbieter.

6. Einführen

Ob es sich um eine Software-Lösung à la carte handelt oder umfangreiche und spezifische Anpassungen eine maßgeschneiderte Lösung hervorbringen, die Einführungsphase ist geprägt von ständigem Auf und Ab. Keine Software ist bei Lieferung oder Installation einsatzbereit. Der Einführungsschritt stellt sicher, dass aus technischer Sicht alle Anforderungen abgearbeitet und umgesetzt sind. Vorläufiger Schlusspunkt der Einführung bildet die Endabnahme, die sinnvollerweise nach einer Schulung und Eingewöhnungsphase vorgenommen wird.

7. Erfahrungen aufarbeiten

Nicht klar von der tatsächlichen Einführung zu differenzieren, stellt der letzte Schritt, die reflektive Phase, einen wichtigen Grundsatz dar: Wenn alle Beteiligten mit der neuen Software-Lösung arbeiten, die Mitarbeiter in der Nutzung versiert sind, ergeben sich häufig Änderungswünsche, die in der Planung nicht antizipiert wurden. Häufig auch gar nicht hätten bedacht werden können, da umfangreiche Konzepte ein Stück weit „Chaospotenzial“ in sich bergen. Nie läuft immer alles so wie erwartet, technische Hürden oder Inkompatibilitäten versalzen die Suppe. Hier – vor der Endabnahme – gegensteuern zu können, aus der Praxis zu lernen, wieder auf die Beteiligten zurückzugreifen und Fehlentwicklungen zu korrigieren, macht den letzten Schritt einer erfolgreichen Software-Einführung aus.

Diese sieben Projektschritte finden jederzeit Anwendung – sei es, dass technische Kompetenz im Verband vorhanden ist und eine Eigenlösung programmiert oder auf die professionelle Unterstützung eines Anbieters zurückgegriffen wird. Letztlich unterscheiden sich beide Wege nur in der Ausgestaltung.

Fazit

Professionelle Verbandssoftware, die auf die speziellen Bedürfnisse von Verbänden zugeschnitten ist, gibt es am Markt sehr zahlreich. Zudem wächst wahrlich zusammen, was zusammengehört: Die klassische „Mitglieder- & Verbandsverwaltung“ und deren Ausweitung ins Internet zur „(Online-)Zusammenarbeit, Groupware und Intranet“ stellen einen nur konsequenten Schritt der Entwicklung dar. Die Auswahl der passenden, den Anforderungen des jeweiligen Verbandes entsprechenden Lösung bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung und Planung. Die Größe des Marktes und die Komplexität der Lösungen machen dies dringender denn je: Drum überlege, wer sich (ewig) binde. Der beschriebene systematische Entscheidungsprozess kann die „Brautschau“ nach der richtigen Lösung vereinfachen und helfen, schwer korrigierbare Fehlentscheidungen
zu vermeiden.

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Autor/in

Tim Richter

ist Redaktionsleiter des Deutschen Verbände Forums – verbaende.com und ständiges Mitglied der Redaktion des Verbändereport. In verschiedenen Positionen setzt er die Möglichkeiten des Internets und von Social Media zur Schaffung von Öffentlichkeit ein. Er ist Mit-Herausgeber des Fachbuches „Social Media in Verbänden“ und berät Organisationen im erfolgreichen Einsatz und Umgang mit den neuen Medien.

http://www.verbaendereport.de

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