Verbändereport AUSGABE 5 / 2001

Verbände in Frankreich (2. Teil)

Fédération Nationale de Syndicats d’Exploitants Agricoles (FNSEA)

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Die FNSEA stellt die Interessenvertretung der französischen Landwirte dar und entspricht dem deutschen Bauernverband. Wie in Deutschland hat die Bedeutung des Agrarsektors in den vergangenen Jahren drastisch abgenommen: Innerhalb der letzten 15 Jahre mussten rund 40 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe aufgeben.

Für den Agrarsektor legen so genannte Orientierungsgesetze nach Konsultationen mit den landwirtschaftlichen Verbänden und Vereinigungen der Nahrungsmittelindustrie die Leitlinien der Landwirtschaftspolitik für einen Zeitraum von 20 Jahren fest. Weil hier strategische Weichenstellungen erfolgen, ist es für die Verbände auserordentlich wichtig, als repräsentative Gesprächspartner anerkannt zu werden. Durch Verordnung wird vom Landwirtschaftsministerium festgelegt, wer zu dem Kreis der konsultierten Verbände Zutritt hat. Dabei wird die Repräsentativität der landwirtschaftlichen Verbände anhand der Wahlergebnisse beurteilt. Nur Verbände, die in Wahlen zur Besetzung der Landwirtschaftskammern mehr als 15 Prozent der Stimmen auf einer eigenen Liste erhalten oder einer Wahlallianz angehören, die mehr als 30 Prozent der Stimmen erzielt hat, gelangen in den Kreis der Konsultationsverbände. Für regionale Verbände gelten spezielle Vorschriften. Um auf nationaler Ebene berücksichtigt zu werden, müssen die Verbände in mindestens 25 Départements „repräsentativ sein“.

Für die Beratungen der Orientierungsgesetze sind zurzeit drei nationale Organisationen als repräsentativ anerkannt. Neben der FNSEA noch die Confédération Nationale des Jeunes Agriculteurs (CNJA) als Dachverband der jungen Landwirte und die Confédération Paysanne, die sich seit 1987 insbesondere für eine ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft einsetzt.

Wie in Deutschland ist die FNSEA mit einem weiten Kreis von Hilfs- und Nebenorganisationen umgeben, die von ihr masgeblich gesteuert und beeinflusst werden.

Chambres Syndicales

Die Chambres Syndicales, also die Kammern, blicken auf eine jahrhundertealte Tradition zurück. Die erste Handelskammer wurde 1599 in Marseille gegründet, seit dieser Zeit besteht auch die enge Verflechtung zwischen den Kammern und den Handelsgerichten (tribunaux de Commerce), deren Richter von den Kammern gewählt werden. Gegenwärtig bestehen auf lokaler, departementaler und regionaler Ebene 183 Chambres de Commerce et d’Industrie (CCI). Hier vertreten 4.500 gewählte Vertreter aus Industrie, Handel und Dienstleistungen mehr als 1,5 Millionen Wähler. Die Chambres de Commerce et d’Industrie verstehen sich als Vorreiter der politischen Regionalisierung und Dezentralisierung in Frankreich. Auf nationaler Ebene sind die Präsidenten der CCI in der Assemblée des Chambres Française de Commerce d’Industrie (AFCI) vertreten, die die Aktivitäten der CCI koordiniert.

Die CCI betreiben rund 300 Einrichtungen der beruflichen Erstausbildung und 400 Zentren der beruflichen Weiterbildung. In diesen Einrichtungen sind rund 31.000 Lehrkräfte beschäftigt, die Kurse und Praktika für 500.000 Auszubildende durchführen. Dazu gehören auch 22.000 Studenten, die an 17 Ingenieurschulen und 30 Höheren Handelsschulen als Hörer eingetragen sind. Die Studiengebühr liegt zwischen 25.000 und 40.000 FF. Daneben durchlaufen bei den CCI jährlich rund 50.000 Auszubildende (apprentis) verschiedene Ausbildungsgänge. Die Bedeutung der Kammer für das Ausbildungswesen wird daher nur noch von dem nationalen Bildungssystem übertroffen.

Aus deutscher Sicht ist interessant, dass den Kammern auch 120 Flughäfen, 160 Handelshäfen, ferner Kongresszentren, Ausstellungsgelände und ähnliche Einrichtungen unterstehen. Aus wirtschaftlicher Sicht stellt die AFCI „einen Dachverband unabhängiger öffentlicher Unternehmen“ dar.

Union Française des Consommateurs (UFC)

Der zentrale Verbraucherverband Union Française des Consommateurs ist nach eigenen Angaben die älteste europäische Interessenvertretung der Verbraucher. Sie wurde bereits 1951 als „Büro zur Durchführung spezieller Untersuchungen“ gegründet und trat 1961 mit der Verbraucherzeitschrift „Que Choisir“ auf dem Markt in Erscheinung. Im Jahre 1965 schlossen sich verschiedene lokale Verbraucherverbände der UFC an (association locale). Heute sind dem Verband 190 lokale Verbraucherverbände angeschlossen, die insgesamt 80.000 Mitglieder präsentieren. Die Monatszeitschrift „Que Choisir“ erreicht regelmäßig 3 Millionen Leser. Derzeit geht die Aktivität der Mitglieder deutlich zurück, da die zentralen gesetzgeberischen Anliegen der Verbraucher in der Vergangenheit erfüllt worden sind. Hierzu tragen auch geringere staatliche Zuschüsse bei. Nicht zuletzt dürften auch die öffentlichen Schlichtungsausschüsse, die Verbraucherfragen aufgreifen, eine wesentliche Konkurrenz für die Verbraucherverbände darstellen.

Der Staat finanzierte die französischen Vereine und Verbände im Jahr 1995 mit ca. 59 Milliarden FF, dazu kamen 38 Milliarden FF aus der staatlichen Sozialversicherung und weitere 32 Milliarden FF aus den Kommunen, Departements und Regionen, so dass sich die gesamte staatliche Förderung auf 129 Milliarden FF belief. Im gleichen Zeitraum konnten private Spenden in Höhe von 15 Milliarden FF eingeworben werden und 75 Milliarden FF durch weitere Eigeneinnahmen erzielt werden. Durch die hohe staatliche Förderung sichert sich der französische Staat die Einflussnahme auf Verbände, indem er Abhängigkeitsverhältnisse schafft. Die staatliche Förderung wird von vielen als „Skandal“ empfunden, weil sich hier unter dem Deckmantel der Vereinigungsfreiheit subventionierte Arbeitgeber entwickeln, die gegenüber der Privatwirtschaft Konkurrenzvorteile genießen.

 

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