Verbändereport AUSGABE 8 / 2009

Verband 2.0 – Chancen zur Mitglieder(ein)bindung im Web 2.0

Personalisierte Kommunikation, Einbindung und Bindung von Mitgliedern über das Internet

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Verbände stehen heute vor der Herausforderung, den heterogenen Bedürfnissen der Mitglieder in einem wachsenden Wettbewerbsumfeld durch eine gezieltere Beziehungspflege und ein Nutzen stiftendes Service-Angebot zu begegnen. Das Web 2.0 stellt hierfür Technologien bereit, die der Verband gezielt in diversen Bereichen einsetzen kann, um die Einbindung, den Austausch und die Vernetzung von Mitgliedern und Interessenten zu steigern. Dadurch kann die Mitgliederbindung intensiviert werden und der Nutzen einer Verbandsmitgliedschaft nimmt zu. Die durchdachte Entwicklung zum „Verband 2.0“ bietet somit Chancen, sich als Verband im Web 2.0 zu positionieren, und für alle Beteiligten die Möglichkeit, hiervon zu profitieren.

Entwicklungen und Trends in der Verbandslandschaft

Verbände existieren und agieren heutzutage in allen Gesellschaftsbereichen und nehmen dabei eine zentrale Rolle im gesamtgesellschaftlichen Leben und auch im Leben einzelner Mitglieder ein. So bündeln sie die Interessen der einzelnen Mitglieder zum Erreichen gemeinsamer Ziel- oder Wertvorstellungen und stellen eine soziale Interessengruppe dar.

Zugleich ist seit einigen Jahren aber auch feststellbar, dass Verbände durch kommerzielle Anbieter und das Internet unter zunehmendem Wettbewerbsdruck stehen. Auch werden die Erwartungen der Mitglieder heterogener, was u. a. aufgrund der beachtlichen Größe zu erklären ist, die einzelne Verbände mittlerweile erreicht haben. Mitglieder nehmen eine kritischere Kosten-Nutzen-Kalkulation bei der Bewertung einer Verbandsmitgliedschaft vor und neigen so eher dazu, eine Mitgliedschaft zu überdenken. Zugleich verspüren Verbände insbesondere Probleme bei der „Rekrutierung" von jüngeren Mitgliedern, die den Nutzen einer Mitgliedschaft häufig gar nicht erst bewerten oder negativ beurteilen.

All diese Faktoren sind Ursachen für rückläufige Mitgliederzahlen in zahlreichen Verbänden und äußern sich zugleich in einer zunehmenden Zersplitterung der Verbandslandschaft und einem ansteigenden Altersdurchschnitt der Mitglieder.

Viele Verbände haben bereits erkannt, dass diesen schwierigen Herausforderungen nachhaltig nur durch den Ausbau des Serviceangebots (Fokus auf Angebote, die Mitgliedern einen besonders hohen Nutzen bieten) und durch eine stärkere Beziehungspflege mit den Mitgliedern (Member Relationship Management) erfolgreich begegnet werden kann. Die Mitglieder rücken demnach wieder mehr in den Mittelpunkt der Verbandsstrategie: Die Mitgliederkommunikation wird personalisierter und das Mitgliederangebot (Serviceangebot) stärker an den Bedürfnissen der Mitglieder ausgerichtet. Nachfolgend soll nun darauf eingegangen werden, wie das Internet und dabei insbesondere das sogenannte Web 2.0, die Ziele des Verbandes wirksam und effizient unterstützen kann.

Internet, Web 2.0, XING und Facebook

Jahr für Jahr belegt die ARD/ZDF-Online-Studie, dass in Deutschland die Verbreitung des Internets und die Nutzungsintensität über alle Altersklassen kontinuierlich anwachsen. Allein in den letzten zwei Jahren (von 2007 bis 2009) ist der Anteil der Internetnutzer in Deutschland über alle Altersklassen absolut um 4,4 Prozent gestiegen – 2009 nutzen im Schnitt 67,1 Prozent der Deutschen das Internet (Abbildung 1). Die Verweildauer wuchs im Schnitt über alle Altersgruppen sogar zweistellig um 13,3 Prozent. Dabei ergibt sich das Wachstum insbesondere auch durch eine verstärkte Internetnutzung der Altersgruppen über 40 Jahre.

Die Nutzung des Internets hat in den letzten Jahren insbesondere noch einmal einen zusätzlichen Schub durch das sogenannte Web 2.0 erhalten. Der Begriff Web 2.0 fasst eine zweite Entwicklungsstufe des Internets zusammen, bei der vom Nutzer eingestellte Inhalte – auch als „User Generated Content“ bekannt – eine zentrale Rolle spielen. Das Internet ist interaktiv geworden und hat sich von der 1:n-Kommunikation zur n:n-Kommunikation entwickelt. Daher wird das Web 2.0 auch als „Mitmachweb“ bezeichnet. Dazu kommt, dass sich Internetnutzer in diesem Zusammenhang auch selbst im Netz darstellen und zugleich auch die Verbindung zu anderen Internetnutzern suchen und offenbaren (soziale Netzwerke, Communities). Soziale Netzwerke wie XING oder Facebook sind Angebote, die sich das Prinzip des Web 2.0 zu eigen gemacht haben und im Wesentlichen die Vernetzung und den Austausch unter Internetnutzern ermöglichen. Sie werden heutzutage regelmäßig genutzt und sind fester Bestandteil des Internets.

Diese Entwicklung ist von vielen Verbänden in Deutschland natürlich nicht unbemerkt geblieben. Einzelne Verbände bieten auf ihren Websites interaktive Diskussionsforen und andere Möglichkeiten zur Interaktion und Kommunikation. Innerhalb der offenen Netzwerke wie XING wurden von manchen Verbänden auch Gruppen ins Leben gerufen. Eine Gruppe ist ein zugangsbeschränkter Bereich innerhalb der Plattform für Verbandsmitglieder, die von den Verbänden selbst moderiert werden kann. So soll das Bedürfnis der Verbandsmitglieder, sich online zu vernetzen und auszutauschen, adressiert werden.

Chancen und Risiken für Verbände

Die Präsenz von Verbänden in diesen offenen sozialen Netzwerken und die Nutzung einer solchen Gruppe bieten aus Sicht des Verbandes sowohl Chancen als auch Risiken. Die Chancen ergeben sich hauptsächlich durch eine weitere Steigerung des Bekanntheitsgrads und die Ansprache möglicher neuer Verbandsmitglieder. Diese Netzwerke können also für das Verbandsmarketing und hier insbesondere für virales Marketing (Verbreitung der Verbandsnachrichten und -services über die Profile der Mitglieder) interessant sein.

Im Gegensatz dazu stehen die Risiken: Richtet man als Verband eine eigene Gruppe in einem offenen sozialen Netzwerk ein, dann liegen Daten, Informationen und auch das Vermarktungsrecht dieser Verbandsgruppe inkl. der Mitgliederdaten beim Betreiber der Plattform – nicht beim Verband. Der Verband kann also weder die persönlichen Daten der Gruppenmitglieder für seine Mitgliederverwaltung weiterverarbeiten noch die innerhalb der Gruppe bereitgestellten Inhalte für seine eigenen Zwecke leicht weiterverwenden. Eine solche Gruppe bietet sogar aus verbandspolitischer und verbandsstrategischer Sicht das Risiko, dass sich zukünftig ein wesentlicher Teil des Verbandslebens damit auf einer eigenständigen Plattform abspielt, die der Verband nicht selbst kontrollieren kann. Außerdem kann das Design einer solchen Gruppe in einem offenen Netzwerk nur wenig bis gar nicht an die Identität des einzelnen Verbandes angepasst werden – die Gruppe wirkt so wie ein Angebot des Verbandes unter dem Dach des unabhängigen sozialen Netzwerks und nicht umgekehrt.

Wie kann ein Verband nun also nur die Chancen, die das Web 2.0 und neue Technologien bieten, für die eigenen zentralen Herausforderungen nutzen?

Mitglieder(ein)bindung durch das Web 2.0

Die Technologien, die das Web 2.0 charakterisieren, können die Verbandsarbeit in zahlreichen zentralen Verbandsaufgaben bereichern, effektiver machen und zugleich auch erleichtern (Abbildung 2). Nachfolgend sollen diese Möglichkeiten anhand von einzelnen Aspekten aufgezeigt werden:

Höhere Vernetzung

Schafft der Verband für Mitglieder und Mitarbeiter die Möglichkeit, unter dem Dach des Verbandes in einer eigenen exklusiven Community-Plattform für Verbandsangehörige eigene (Experten-)Profile selbst zu pflegen und zu durchsuchen, so führt dies zu einer höheren Vernetzung innerhalb des Verbandes. Die Kompetenzen und Spezialisierungen der Mitglieder und Mitarbeiter und damit der Wert des Verbandsnetzwerks werden transparenter. Anhand der Möglichkeit, andere Verbandsangehörige als Kontakte hinzuzufügen und über „Aktuelles aus dem Netzwerk“ informiert zu werden, wird dieses Netzwerk auch lebendig. Virale Effekte und zusätzliche Verknüpfungen können gezielt über spezielle Funktionen, z. B. die „Besucher meines Profils“, „Mitglieder einladen“, „Neue Mitglieder“ und „Kontakte der Kontakte“ – wie aus XING bekannt –, die Vernetzung weiter steigern.

Leichterer Wissensaustausch

Gibt man den Mitgliedern in diesem geschlossenen Bereich zudem die Möglichkeit, sich über Blogs und Foren sowie durch das Einstellen von Dokumenten untereinander auszutauschen, so kommt der Verband auch im Internet dem Anspruch der Mitglieder nach, als zentrale Wissensplattform für die Mitglieder zu dienen. Wesentlicher Unterschied zu den bereits zahlreich existierenden „internen Bereichen“ der Verbände ist hier eine „kontrollierte Einbindung“ der Mitglieder, die selbst auch – wenn von Verbandsseite aus zugelassen – Inhalte besteuern, kommentieren und bewerten können.

Stärkere Personalisierung

Beim Wissensaustausch steht dabei das Prinzip der Personalisierung im Vordergrund. Anhand von verbandsinternen „Communities“ oder „Gruppen“ (z. B. Gremien, Regionalgruppen, Interessengruppen, Arbeitsgruppen etc.), zu denen sich Mitglieder – wenn von Verbandsseite aus zugelassen – selbst anmelden können, werden alle Inhalte für das einzelne Mitglied personalisiert bereitgestellt. Das Mitglied sieht nur Termine, Artikel, Dokumente und Umfragen, die in „seinen“ Gruppen eingefügt sind und somit für das einzelne Mitglied relevant sind.

Effizientere Verwaltung

Die Web-2.0-Technologie kommt auch der Verbandsverwaltung zugute. Dabei übernehmen Mitglieder an zahlreichen Stellen selbst Verwaltungsaufgaben und entlasten somit die Geschäftsstelle. So können sich Mitglieder über die Community-Plattform selbst online zu Terminen und Seminaren an- und abmelden, die Verwaltung nutzt lediglich eine Exportdatei zur Erstellung von Teilnehmerlisten und Namensschildern. Die Administration der Adress- und Kontodaten erfolgt ebenfalls durch das Mitglied selbst – die Technologie bittet sogar im regelmäßigen Abstand das einzelne Mitglied automatisch um eine Kontrolle der Datenaktualität. Und sogar ein periodisch automatisierter Newsletter wird personalisiert für jedes einzelne Mitglied erstellt und ohne Zutun der Verwaltung versandt.
Die Einbindung der Mitglieder bringt dabei wichtige Effekte mit sich, die für die strategische Entwicklung des Verbandes von zentraler Bedeutung sind. Die Vernetzung der Mitglieder untereinander und die stärkere Personalisierung schaffen nicht nur einen zusätzlichen Nutzen für jedes einzelne Mitglied, sondern erhöhen insbesondere auch die Mitgliederbindung. Einem Mitglied, das sich innerhalb des Verbandes auch virtuell ein Netzwerk aufgebaut hat, fällt der Austritt umso schwieriger. Welche Anwendungsbereiche des Web 2.0 sich für einzelne Arten von Verbänden besonders gut eignen, soll im nächsten Kapitel erläutert werden.

Verband 2.0-Anwendungsbereiche des Web 2.0 für Verbände

Je nach Verbandstyp gibt es unterschiedliche Anwendungsbereiche, in denen sich der Einsatz von Web-2.0-Technologien als sinnvoll erweist.

Berufsverbände sind prädestiniert für den Aufbau eigener exklusiver Community-Plattformen unter der Marke des Verbandes, da sich diese Personenverbände durch ein festgelegtes Berufsbild der Mitglieder und damit über gemeinsame Arbeits- und Themeninteressen der Mitglieder definieren. Berufsverbände sind auch offline schon eine „Community“ (siehe auch Claim des Deutschen Marketingverbandes „Wir sind die Marketing-Community!“) – eine exklusive Online-Community für Mitglieder ist eine logische und zwingende Ergänzung. Dabei hat der Verband – auch je nach Größe – die Wahl, ob eine Online-Community inhaltlich schwerpunktmäßig um ein spezifisches Service-Angebot herum aufgebaut werden soll (z. B. Vor- und Nachbereitung von Seminaren, Diskussion von redaktionellen und inhaltlichen Verbandsbeiträgen) oder ob sie als verbandsweites Online-Netzwerk (evtl. auch unter Einbindung der Landesverbände) der Vernetzung und dem Austausch unter Mitgliedern dienen soll.

Bei Dach- oder Branchenverbänden, die sich im Gegensatz zu den Berufsverbänden durch institutionelle Mitglieder auszeichnen, bietet sich ebenfalls der Aufbau von eigenen Web-2.0-Plattformen zur Vor- und Nachbereitung von Veranstaltungen an. Aber auch hier können Verbände eigene exklusive Communities aufbauen, die sich inhaltlich sowohl um Themen (Umwelt, Nachhaltigkeit, Karriere) in der Branche oder um bestimmte Funktionsbereiche (Personal, Marketing, R&D) bei den Mitgliedsunternehmen drehen können. Wesentliche Chance für diese Art von Verbänden ist es, sich durch den Aufbau solcher Communities tiefer in der Organisationsstruktur der Mitgliedsunternehmen zu verankern und somit näher an die Mitarbeiter der Unternehmen heranzurücken.

Beispiele aus der Verbandslandschaft

Für die gerade vorgestellten Anwendungsbereiche lassen sich jeweils auch erste Beispiele in der Verbandsbranche finden – zahlreiche weitere Verbände evaluieren derzeit den Aufbau eigener Angebote.

Beispielsweise hat der Berufsverband „Die Familienunternehmer – ASU“ eine exklusive zugangsbeschränkte Community für seine Mitglieder im Internet geschaffen. Gleiches gilt für den „Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland“, der in Kürze mit „meinBDY“ den Mitgliedern eine exklusive Plattform zur Vernetzung und zum Austausch zur Verfügung stellen wird. In anderen Berufen wird die beschriebene Entwicklung zugleich auch durch Fachverlage vorangetrieben, die ebenfalls themenspezifische exklusive Community-Plattformen für Interessenten und Kunden aufbauen: Der „Verlag Neue Wirtschaftsbriefe“ (NWB Verlag) hat mit der „NWB Community“ eine eigene Plattform für Steuerexperten hervorgebracht. Der „STARK Verlag“ gab im Frühjahr 2009 den Launch von „Lehrerdialog.de“ bekannt, eine exklusive Fach-Community für Lehrer. Auch im Sport lassen sich mit fussball.de vom DFB und ähnlichen Plattformen in anderen Bereichen Beispiele finden.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Verbände das Web 2.0 in vielen Bereichen für sich selbst gewinnbringend einsetzen können, um die eigenen Service-Angebote auszuweiten und damit den Nutzen einer Mitgliedschaft im Verband und die Mitglieder(ein)bindung zu erhöhen. Der Aufbau eigener Web-2.0-Angebote rund um klar definierte Themengebiete ermöglicht dem Verband dabei eine Positionierung des Angebots unter der eigenen Marke und birgt zudem wertvolle Erleichterungen in den Abläufen der Geschäftsstelle. Zentraler Erfolgsfaktor ist und bleibt dabei, dass sich auch der „Verband 2.0“ an den Bedürfnissen und Interessen der Mitglieder orientiert und diese Angebote die Mitgliederbeziehungspflege verbessern.

Diplom-Kaufmann Jens Bender ist Gründer und Geschäfts­führer des Softwareanbieters IntraWorlds GmbH, der seinen Sitz in München hat. IntraWorlds begleitet seit 2001 den Auf- und Ausbau von exklusi­ven Community-Plattformen für Non-Profit-Organisationen und Unternehmen. Die IntraWorlds-Technologie ermöglicht es Verbänden, eine maßgeschneiderte Web-2.0-Plattform im eigenen Verbandsdesign aufzubauen, die zugleich an bestehende Verbandssysteme anknüpft. Zur Kundenbasis von IntraWorlds zählen über 100 Verbände, Bildungseinrichtungen, Verlage, Vereine, Stiftungen und Unternehmen.

Kontakt:

IntraWorlds GmbH, Balanstr. 73, 81541 München
Telefon: (089) 20 00 412-12, jens.bender@intraworlds.com www.intraworlds.com

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