Verbändereport AUSGABE 8 / 2002

Verbandskultur als Hemmnis fĂĽr Wissenstransfer

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Organisationen sind umso leistungsfähiger, je besser der freie Informationsfluss funktioniert. Denn ein hohes Informationsniveau ist die Grundlage für adäquate Lösungsideen. Doch oftmals steht hier die tatsächlich praktizierte Verbandskultur im Wege.

Fragt man Führungskräfte der Verbände und der Wirtschaft nach ihren Führungsprinzipien, so erhält man durch die Bank Äuserungen wie die folgenden:

  • Wir erwarten kritische Mitarbeiter mit einer eigenen Meinung
  • Wir sind fehlertolerant, denn aus Fehlern lernt man
  • Wir erwarten von jedem Mitarbeiter Eigeninitiative
  • Wir ermutigen zur Weitergabe von Wissen

Soweit die Selbsteinschätzung. Die Realität bietet oft ein ganz anderes Bild:

  • Wir mögen fĂĽgsame Mitarbeiter
  • Widerspruch wird nicht gern gesehen
  • Fehler schaden der Karriere
  • Wir anerkennen nur messbare Leistungen

Dass Meinung und Realität oft so weit auseinanderklaffen, liegt an unbewussten Einstellungen, die zu „versteckten Spielregeln“ führen, welche faktisch den Umgang miteinander regeln. Diese Einstellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Gute Leistungen vertraglich geschuldet; daher brauchen sie nicht anerkannt zu werden
  • Risiken werden vermieden und „Fehler“ bestraft
  • Exzellente Nachwuchskräfte sind gefährlich, denn sie könnten am Stuhl des Vorgesetzten sägen
  • Jeder ist sich selbst der Nächste

Um zu einem neuen Führungsverständnis zu gelangen, sollten zunächst kontraproduktive gegen produktive Spielregeln ausgewechselt werden. Die folgende, dem von Peter Müri herausgegebenen Lehrbuch für die Führungspraxis „...wenn nur das Personal nicht wäre“ entnommene Gegenüberstellung „guter“ und „schlechter Spielregeln, verdeutlicht, was gemeint ist:

 

Fördernde Spielregeln

Hindernde Spielregeln

 

Miteinander sind wir stärker!

„Ich bin positiv eingestellt und habe Spaß an der Arbeit.“

„Meine Kollegen können sich auf mich verlassen.“

 

Jeder ist sich selbst der Nächste!

„Warum soll ich mich um die Arbeit der anderen auch noch kümmern?“

„Ich mache nichts, bevor ein anderer beginnt.“

„Warum immer ich? Mach es lieber selbst.“

Ich ĂĽbernehme Verantwortung

„Ich denke und handle unternehmerisch und qualitätsbewusst.

„Ich bin kompetent und weiß, wovon ich rede.“

Ich mach’ meinen Kram

„Das haben wir immer so gemacht. Warum soll das nicht mehr gelten?“

„Morgen ist auch noch ein Tag.“

„Geht nicht, ich habe jetzt keine Zeit.“

Ich gebe meine Erfahrungen weiter

„Dein Problem ist unser Problem; gemeinsam analysieren und beheben wir Fehler.“

„Hast Du ein Problem? Kann ich Dir helfen?“

Wissen ist Macht

„Das ist nicht mein Bier! Dafür bin ich nicht zuständig.“

„Das Wissen in meinem Kopf ist der beste Kündigungsschutz.“

Ich stehe zu meinen Fehlern

„Ich suche nicht Schuldige, sondern Lösungen.“

Die anderen sind schuld

„Der andere ist schuld. Soll er doch selber schauen!“

(Aus: Peter Müri, Hrsg., „... wenn nur das Personal nicht wäre – Lehrbuch für die Führungspraxis“, Orell Füssli AG 2001)

 

Wenn man auf diese Weise im eigenen Verband förderliche und hindernde Spielregeln zusammenträgt, gelangt man quasi von selbst auch zu einem neuen Führungsverständnis, das Mitarbeiterpotentiale entbindet. Dieses neue Führungsverständnis lässt sich wie folgt umreißen:

Neues Führungsverständnis

Wir wollen weg ...

Wir wollen hin ...

von einem unkontrollierten laufen lassen der Prozesse und der abgeschirmten Fehlerkorrektur

Durch geeignete Rahmenbedingungen zu Prozessförderern, welche Prozesse begleiten und kontrollieren

Von Königreichen und vom Misstrauen gegenüber anderen (intern und extern)

zu einer prozess- und teamorientierten Organisation mit einer offenen und direkten Konfliktkultur

Vom RĂĽckzug ins Schneckenhaus und von der Scheu, sich zu exponieren

Zu einer Offenheit, die es sich leisten kann, eigene GefĂĽhle und Probleme preiszugeben

Von Vorgaben und vom Warten auf Anweisungen

Zu klaren, transparenten Zielvereinbarungen und zur Eigeninitiative

Von persönlichen Schuldzuweisungen

Zur gemeinsamen „Ursachenbekämpfung“ bei unerwünschten Abweichungen

(Aus: Peter MĂĽri a.a.O.)

 

Um durch eine geeignete Verbandskultur den Wissensaustausch zu fördern, haben sich einige Instrumente bewährt:

Definieren Sie einmal die für Ihren Verband unerlässlichen Felder von Kernwissen. Halten Sie dieses Kernwissen in einer Art „Wissenslandkarte“ fest und gewährleisten Sie, dass dieses Kernwissen immer von mehreren Mitarbeitern geteilt wird. Richten Sie in Ihrem Verband Plattformen ein, die ausschließlich den Zweck haben, Wissen und Erfahrungen auszutauschen. Solche internen Plattformen sind die Grundlage für gegenseitiges Lernen, für Wissenszuwachs und Weiterentwicklung von Fähigkeiten.

Vollauf funktionieren wird dies freilich nur dann, wenn diese Initiativen in die richtige FĂĽhrungskultur eingebettet ist, die praktiziert, was sie predigt.

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