Verbändereport AUSGABE 2 / 2002

Verbandstagungen perfekt inszenieren!

Verbände gehören zu den wichtigsten Trägern des Tagungsgeschäfts - aber sie können den Erfolg der Veranstaltungen noch deutlich verbessern

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Die Öffentlichkeit nimmt Verbände in erster Linie als Interessenvertretungen, Lobbyisten und Branchenstatistiken erstellende Institutionen wahr. Das sind wichtige Aufgaben, die auch einen großen Teil der personellen und finanziellen Ressourcen in Anspruch nehmen. Doch zeigt eine auch heute noch gültige Untersuchung - sie stammt aus dem Jahr 1997 - dass Verbände eine ganz wesentliche Basis des Kongress- und Tagungsgeschäfts sind. Die Verbände in Deutschland führen danach im Jahr rund 10.500 Kongresse und Tagungen mit mehr als zwei Millionen Teilnehmern durch. Hinzu kommen 14.000 Seminare und Schulungen mit 400.000 Teilnehmern.

Mangelnder Erfahrungsaustausch

Angesichts der Bedeutung des Tagungswesens für die Verbände lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob die Anbieter im Tagungsmarkt, also vor allem Hotels, Tagungs- und Kongresszentren, Technik-Anbieter und Organisatoren auf diesen Markt angemessen reagieren und ob umgekehrt die Verbände ihren Bedarf so artikulieren, dass die Anbieter sie zufrieden stellen können. Um es gleich vorweg zu sagen: Beides ist nur begrenzt der Fall. Viele Verbände betreiben ihre Tagungstätigkeit dezentral, das heist für die Organisation sind ganz unterschiedliche Stellen verantwortlich, die häufig ihre Erfahrungen zu wenig austauschen.

Professionalisierung tut Not!

Verbänden, die von 08/15-Tagungen weg wollen, kann man nur raten, ihre Organisation zu überdenken. Sie brauchen eine zentrale Service-Abteilung, die für alle Veranstaltungen federführend tätig ist und als Dienstleister tätig wird. Verbände wie der VDE - Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. haben diese Notwendigkeit schon vor Jahren erkannt und gute Erfahrungen damit gemacht. Eine solche zentrale Stelle kann sich auf das Tagungsgeschäft konzentrieren und neue Erkenntnisse der Inszenierung, des Technik-Einsatzes, der Organisation einbringen. Das Know-how kann konzentriert eingesetzt werden, die Verhandlungsposition gegenüber Anbietern und Dienstleistern wird deutlich besser als in der Zersplitterung. Letztendlich können die Tagungen professioneller, erfolgreicher und preiswerter abgewickelt werden.

Tagungen sind ja kein Selbstzweck. Auch die satzungsgemäß erforderliche Jahreshauptversammlung muss doch kein langweiliges Abwickeln von Regularien sein, sondern darf doch auch Event-Charakter haben - wiederum nicht aus Selbstzweck, sondern weil so die Mitglieder aktiviert und motiviert werden, sich zu ihrem Verband zu bekennen, sich zu engagieren, ihn positiv zu sehen. Auch die Anpassung der Verbandsarbeit an neue Herausforderungen ist bei den Mitgliedern leichter durchsetzbar, wenn auch die jedem Menschen eigene Emotion angesprochen wird. Das Gleiche gilt für Kongresse, Tagungen und für Seminare, die in erster Linie der Wissensvermittlung dienen. Müssen diese immer trocken, sachlich, emotionslos daher kommen? Verbände können hier von den Organisatoren von Marketing-Events viel lernen.

Kongresse und Tagungen sind Events, bei denen es um die Präsentation der Ware Information geht; sie sind darüber hinaus selbst Produkte, die vermarktet werden müssen. Auch für sie gilt das Wort des Freiherrn von Knigge: "Die Menschen wollen eher unterhalten als unterrichtet werden." Faszination, Imagination und Emotion, aber auch Interaktion sind wesentliche Komponenten solcher Events - und auch dazu ist Technik erforderlich. An dieser Stelle wird Widerspruch kommen. Sind nicht Kongresse, Tagungen, Seminare seriöse Veranstaltungen der Wissensvermittlung, in denen unterhaltende Elemente nichts zu suchen haben?

Faszination und Emotion

Faszination, Imagination, Emotion und Interaktion erhöhen die Aufnahmebereitschaft und die Behaltensquote für Information - und gerade das ist das Ziel eines Kongresses. Jeder Tagungsteilnehmer hat schon erlebt, wie ein Redner die Zuhörer zu packen versteht, ein anderer hingegen, trotz wichtiger Information, die Zuhörer zum Einschlafen bringt. Er hat erlebt, wie die Rede eines Sprechers begeistert beklatscht wird und der Zuhörer später beim Lesen des Referates herausfindet, dass da viel Schaum geblasen wurde. Zwischen diesen Extremen, der fehlenden und der übertriebenen Performance, müssen Kongresse und Tagungen sich bewegen.

Es reicht nicht, die Ware Information einfach nur zu zeigen und den Teilnehmern zu überlassen, was sie damit anfangen. Die Darbietung der Ware Information muss inszeniert werden, planvoll und zielgerichtet. Das Kongress-Thema muss im Laufe der Veranstaltung aufgebaut werden. Es muss Spannung erzeugt werden. Wer alles Pulver beim ersten Angriff verschießt, dem bleibt für den Rest des Ablaufs nur der Rückzug ins Mittelmaß. Der Kongress muss Zwischenhöhepunkte haben. Das Interesse soll ja nicht nur anhalten, sondern bis zum Schluss immer neu geweckt werden. Wer erlebt, wie die Teilnehmerzahl gegen Ende eines Kongresses immer weiter abbröckelt, der weiß auch, dass hier die Inszenierung falsch war oder ganz fehlte.

Die Inszenierung muss jedoch weiter greifen. Wenn es richtig ist, dass eine Botschaft besser verstanden und akzeptiert wird, wenn sie verbunden oder eingebettet ist in emotionale Reize, dann muss dies auch für die durch Kongresse übermittelte Botschaft gelten. Warum müssen die gezeigten Dias und Charts trocken und ohne das geringste Quentchen Humor sein? Warum müssen sie mit Text vollgepackt werden und kaum lesbar sein? Warum darf eine Information nicht Spaß machen?

Teilnehmermobilisierung durch Interaktion

Die Inszenierung eines Kongresses sollte abwechslungsreiches Auf und Ab schaffen, sollte nach eher einführenden Vorträgen praktische Nutzanwendungen und Zusammenfassungen bieten, die aber wiederum nicht wiederkäuen dürfen, was der Teilnehmer bereits gehört hat - eine schwer durchsetzbare Forderung, die aber nichtsdestoweniger richtig ist.

Der Kongress sollte aufmunternde, belebende Zwischenelemente haben, keinen Firlefanz, sondern sachbezogene Erlebniselemente. Der Hotelier Klaus Kobjoll, bekannt durch seine Kreativität, bemängelt in diesem Zusammenhang, dass allzu oft den Kongress-Teilnehmern "ganz kurz der Kaspar gezeigt wird, den man dann wieder wegpackt". Weitaus wirksamer ist es, interaktive Abschnitte in den Kongress einzubauen, die Diskussionen auslösen. Die Teilnehmer wollen ihr Wissen in die Veranstaltung einbringen, wollen diskutieren, wollen nachfragen. Doch solche Interaktion will gestaltet sein. Viele Teilnehmer scheuen den öffentlichen Auftritt, was bei mehrsprachigem Publikum besonders gravierend ist. Hier hilft die Technik — zum Beispiel in Form von Voting-Systemen - mit der Möglichkeit, ein Frage/Antwort-Spiel einzufügen. Die Referenten müssen lernen, solche Abschnitte in ihrem Auftritt zu haben und die Technik dazu zu nutzen. Das setzt allerdings Vorgespräche und das frühzeitige Erarbeiten entsprechender Fragen voraus.

Angesichts des zunehmenden Strebens nach Zeit-Ökonomie werden in Zukunft nur solche Kongresse Erfolg haben, die den Teilnehmern einen wichtigen Zuwachs an Wissen bringen, das er nicht durch andere Medien bereits bekommen konnte. Insofern beginnt die Kongress-Inszenierung bei der Zusammenstellung der Themen und Referenten. Namhafte Vertreter der Branche vertreten die Auffassung, die Information werde in Zukunft nicht mehr der wesentliche Bestandteil von Kongressen und Tagungen sein. Sie werde durch andere Medien übermittelt - schriftlich oder elektronisch. Der Kongress der Zukunft werde durch ein hohes Maß an emotionalen Komponenten bestimmt. Doch muss man fragen, ob Emotion in diesem Zusammenhang - und vielleicht auch generell - jemals Selbstzweck ist. Emotionen sind von Natur aus auf Ziele gerichtet: Auf das Kenntlichmachen der eigenen Position, die Abwehr von Gegnern, die Mobilisierung von Kräften, das Finden von Partnern, die Verarbeitung eines Erlebnisses und die Verarbeitung von Informationen - welcher Natur die Information auch sein mag.

Über diesen Zusammenhang zwischen Information und Emotion sind sich die Veranstalter von Kongressen immer klar gewesen. Die Programm-Abläufe der Kongresse und Tagungen zeigen, dass sie sich stets darum bemühen, die Veranstaltung auch im Emotionalen attraktiv zu machen: Die Auswahl des Veranstaltungsortes und der Veranstaltungsstätte, das Begleitprogramm, das Aufbieten prominenter Keynote-Speaker, die Auswahl der Essen und schließlich die Chance, mit Fachkollegen auch quasi-privat zusammenzutreffen sind wichtige emotionale Komponenten.

Den Teilnehmerkomfort erhöhen

Doch alle diese Bemühungen sind nutzlos, wenn die Inszenierung der Veranstaltung nicht stimmt. Sie muss beispielsweise bereits die Anreise einschließen. Die Teilnehmer sollten so einfach wie möglich zur Tagungsstätte finden. Man darf sich nicht immer auf die Ausschilderung der Tagungsstätte in einer Stadt verlassen. Viele Tagungsstätten, etwa Hotels, sind in der Beschilderung einer Stadt gar nicht vorgesehen. Auch die Anfahrtspläne sind häufig mangelhaft. Am Flughafen und am Bahnhof sollte ein Empfangscounter existieren. Und hier kann mehr angeboten werden als reine Sachinformation. Schon an diesem Counter muss das Event Kongress beginnen. Ein Stiefkind ist oft auch die Ausschilderung, die Besucherführung in der Tagungsstätte selbst. In der problemlosen Anreise und im problemlosen Auffinden des Tagungsraums liegt der erste Kontakt. Er kann gute und schlechte Gefühle vermitteln. Lange Warteschlangen am Registrierungs-Counter lassen sich nicht immer vermeiden, wenn man nicht einen unwirtschaftlichen Personal-Aufwand treiben will. Aber die Wartezeit kann verkürzt werden durch ein wenig Entertainment. Es ist sicher richtig, dass der vermehrte Einsatz von Event-Komponenten bei Kongressen Geld kosten wird. Und gerade daran hapert es oft. Doch ist Geld nur dann ein Problem, wenn das erzielbare Ergebnis die Kosten nicht rechtfertigt. Kongresse stehen durchaus im Wettbewerb. Sie werden in Zukunft nur noch angenommen, wenn sie den Teilnehmern einen geldwerten Nutzen bringen und wenn die Sponsoren erkennen, dass ihre Botschaft die richtigen Zielgruppen mit höchstmöglicher Intensität erreicht.

Eine Warnung allerdings sei angefügt, die für den Einsatz begleitender Ereignisse nicht nur bei Kongressen gilt, sondern ebenso bei Marketing-Events, bei Messen, in der Werbung: Wenn das Ereignis oder das Event-Gehäuse die eigentliche Botschaft überdecken, wenn die Unterhaltung so intensiv ist, dass die Information nicht mehr wahrgenommen wird, dann ist das Ziel verfehlt. Ganz abgesehen davon, dass dann auch steuerliche Probleme auftreten können, weil der Finanzbeamte den beruflichen oder betrieblichen Zweck nicht zu erkennen vermag.

Kein Ersatz für persönliche Kontakte

ine große Bedeutung hat die zur Zeit in allen Medien laufende Erörterung der zukünftigen Entwicklung telekommunikativer Interaktion. Man erkennt, dass die Menschen miteinander sprechen wollen, weiß aber auch, dass der Kongress nicht immer in der Lage ist, den Austausch komplizierter Information zu gewährleisten. Information und lnteraktion kann face-to-face stattfinden oder über größere Entfernungen. Wenn Entfernungen überwunden werden mussten, bediente man sich in der Vergangenheit des postalischen Austausches. Das ist die Methode der vergangenen Jahrhunderte, die aber sicher für umfangreiche Information weiter Bedeutung haben wird. Mit der Einführung und Durchsetzung des Faxgeräts änderte sich die Tele-Information und -Interaktion. Sie wurde schneller, spontaner, weniger formbewusst. Dieses Beispiel zeigt, wie sich die Entwicklungen überschlagen. Das Fax ist in der heutigen Verbreitung nicht einmal zehn Jahre alt. Und wir können sicher sein, dass die digitale Kommunikation sich in kürzerer Zeit in gleicher Weise durchsetzen wird. Es wird wohl nicht so sein, dass die heute überall fast hektisch angepeilte Internet-Kommunikation die Funktion der Kongresse übernehmen wird. Aber EMailwird Briefe und Faxe in vielen Bereichen ablösen, weil sie noch spontaner ist, weil sie der Wort-Kommunikation noch näher kommt. Und sie wird dazu führen, dass Form und Gestaltung der Nachricht weiter an Bedeutung verlieren.

Soweit die reine Beschaffung von Information im Vordergrund steht, wird dies billiger, einfacher und aktueller per Internet, CD-ROM oder auf anderen elektronischen Wegen stattfinden können. Es ist zu erwarten, dass die Struktur von Kongressen sich stärker auf diesen Bereich hin entwickelt. Auch ist damit zu rechnen, dass die Abwicklung von Kongressen künftig vermehrt digital erfolgt. Mit der Entwicklung des Internets ist es möglich geworden, die Abwicklung der lnformationsgebung, Anmeldung, Nacharbeit bei Messen und Kongressen digital per Internet durchzuführen. Damit können erhebliche Kosteneinsparungen erzielt werden. So wird beispielsweise für die Beantwortung von CaIl-for-Papers bei einem Kongress an Stelle des Postweges die Übersendung per e-MaiI oder der Abruf per Internet - ggf. durch Zugangs-Code auf berechtigte Teilnehmer beschränkt - erfolgen. Dafür und für die Abwicklung der Anmeldungen - Stichwort: Digitales Handling - gibt es spezielle Software-Lösungen, die den direkten Zugriff in die Teilnehmer-Dateien erlauben.

Dies alles ist ja auf dem Weg und verändert die Arbeitswelt - Stichwort Telearbeit - und auch die Kongresse. Im Wissenschaftsbereich werden doch jetzt schon die Struktur und die Inhalte der Kongresse im Vorfeld auf dem Wege elektronischer Kommunikation festgelegt und bis zuletzt verändert, in den Kongressen wird die Elektronik das Gespräch der Teilnehmer untereinander und die Inhalte verändern und intensivieren und damit die Ergebnisse verbessern.

Herausforderungen für die Kongresswirtschaft

Die Elektronik wird den Kongressen eine neue Dimension geben - auch kleinen Tagungen. Dort vielleicht mit Verzögerung weil zunächst die Kosten noch hoch sind, die aber, wie immer in der elektronischen Welt, langfristig sinken werden. Und diese neue Dimension ist ganz sicher ebenfalls hochgradig interaktiv und spezialisiert. Sie wird die Anforderungen an Kongress-Stätten verändern, seien es Kongress-Zentren oder Hotels. Unverkennbar ist der Trend, neben dem Plenarsaal eine Vielzahl kleiner Räume für Workshops und Outbreak-Sessions einzusetzen. Schon dies können viele Kongress-Stätten nicht leisten.

Vollends problematisch ist es oft, mehrere kleine Tagungen nebeneinander durchzuführen. Auch wird künftig mehr Technik zum Einsatz kommen. Die Teilnehmer der verschiedenen Workshops werden von Workshop zu Workshop in überschneidenden Feldern über PC-gestützte Videokonferenz-Systeme miteinander kommunizieren oder einfach nur Informationen austauschen, ohne den Workshop unterbrechen zu müssen. Und das wird nicht nur die Übertragung von Wörtern, sondern auch von Bildern sein. Ohnehin betrachten wir die Telekommunikation heute meist noch mit den Augen von gestern, als nur geringe Datenmengen in der Zeiteinheit übertragen werden konnten. Die Speicherkapazitäten der EDV und die Übertragungsgeschwindigkeiten werden rapide zunehmen. Deshalb ist der zur Zeit sichtbare Verzicht auf Gestaltung und Bild nur eine Folge der Unzulänglichkeit der Technik. Mit der Weiterentwicklung wird dieses Manko überwunden werden. Die Bildkommunikation wird weiter wachsen. Die Übermittlung selbst von Video-Sequenzen wird einfacher und komplikationslos werden.

Damit kommt dann ein neuer Schub zur Veränderung der Kommunikation und damit der Tele-Interaktion auf die Tagungs-Industrie zu. Denn Kongresse und Tagungen sind in der Regel darauf ausgerichtet, die Zukunft der jeweiligen Branche auszuleuchten. Sie müssen deshalb auch in ihren eigenen Abläufen die Zukunft widerspiegeln. Schon deshalb ist die Tagungswirtschaft ein dynamisches Geschehen, in dem die Entwicklung mit hoher und zunehmender Beschleunigung abläuft und in dem Kreativität und Flexibilität gefragt sind. Das wird nicht ohne Auswirkungen auf das Berufs- und Tätigkeitsbild der Menschen sein, die im Tagungs-Geschäft tätig sind. Wer sich den neuen Herausforderungen nicht stellt, wird sehr bald bedeutungslos sein.

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