Verbändereport AUSGABE 7 / 2013

Vorsicht vor Nachzahlungen in die Rentenversicherung

Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Juristen auf dem Prüfstein

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Verbände sind traditionell in großem Maße Arbeitgeber für Juristen. In hauptamtlich besetzten Geschäftsstellen üben diese häufig die Funktion der Geschäftsführung des Verbandes oder Referententätigkeiten bei größeren Verbänden in bestimmten juristischen Fachdisziplinen aus. Die Anstellung von Juristen geschieht dabei üblicherweise auf Basis eines regulären Arbeitsvertrages, bei dem die Verbände als Arbeitgeber auch die Aufgabe haben, die regulären Sozialversicherungsbeiträge abzuführen.

Für die Rentenversicherung gibt es bei Juristen, die zugleich eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft besitzen, eine wichtige Besonderheit für die Praxis. Nach § 6 Absatz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI sind Juristen auf Antrag von der allgemeinen Rentenversicherung zugunsten der Versicherung im berufsständischen Versorgungswerk befreit. § 6 Absatz 1 Nr. 1 SGB VI bestimmt nämlich, dass eine Befreiung von der allgemeinen Rentenversicherung dann in Betracht kommt, wenn es sich um sogenannte Pflichtversicherte in berufsständischen Versorgungswerken handelt. Dies ist bei Juristen, die zugleich die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft besitzen, der Fall.

Das Bundessozialgericht hat jetzt in einem Urteil die Reichweite dieser Befreiung von der Versicherungspflicht auf den Prüfstand gestellt (BSG, Urteil 31.10.2012, Az.: B 12 R 3/11R). Dieses Urteil, welches zur ärztlichen Standesversicherung ergangen ist, hat für die Verbände mit Blick auf die Beschäftigung von Juristen mit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft eine große Bedeutung.

Das Bundessozialgericht hat nämlich entschieden, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht einmal praktisch zu Beginn des Berufslebens im Rahmen der rechtanwaltlichen Tätigkeit etwa als Syndikusanwalt beantragt wird und damit praktisch für alle Beschäftigungsverhältnisse, die nachfolgen, gilt, sondern grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt ist:

„Gemäß § 6 Absatz 5 Satz 1 SGB VI ist die Befreiung auf die ‚jeweilige‘ Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt.

Bereits aus dem klaren Wortlaut der Regelung ergibt sich damit zweifelsfrei, dass mit einer Befreiungsentscheidung keine umfassende Befreiung von der Versicherungspflicht auch für andere als die jeweilige ausgeübte Beschäftigung des Betroffenen in Betracht kommt, selbst wenn ursprüngliche und nachfolgende Erwerbstätigkeiten ähnlich sein mögen.“ (BGH, a. a. O.)

Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass bei Neueinstellungen von Verbandsjuristen, die als Rechtsanwälte in ihrer berufsständischen Versorgungseinrichtung die Mitgliedschaft aufrechterhalten wollen, eine neue Feststellung der Befreiung verlangt werden sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht grundsätzlich die Verpflichtung, die Rentenversicherung als Pflichtversicherung im Rahmen des gesetzlichen Regelmodells durchzuführen. Verlässt sich ein Verband auf eine einmal erteilte Befreiung von der Rentenversicherung, so drohen im Rahmen einer nachfolgenden Betriebsprüfung der Sozialversicherungsträger unangenehme Konsequenzen.

Wird nämlich dort festgestellt, dass die gesetzliche Pflichtversicherung weiter bestand, weil die Voraussetzungen für die Befreiung nach § 6 Absatz 1 Nr. 1 SGB VI nicht vorgelegen haben, so würden die Verbände verpflichtet, die Sozialversicherungsbeiträge an die Deutsche Rentenversicherung nachträglich (zusätzlich) abzuführen. Ein Rückgriff bei dem jeweiligen Verbandsjuristen ist demgegenüber nur für einen beschränkten Zeitraum, nämlich drei Monate, zulässig. Auf den weiteren Beiträgen bleibt der Verband buchstäblich „sitzen“.

Von daher kann bei den Verbänden nur dringend angeraten werden, die Befreiung angestellter Rechtsanwälte mit Zulassung zur Rechtsanwaltschaft kritisch zu überprüfen und die Voraussetzungen zu verifizieren. Nur so können kostenintensive Nachzahlungen sicher vermieden werden. Inwieweit man sich nämlich anschließend etwa mit Blick auf eine vorherige Tätigkeit bei einem anderen Verband des fraglichen Juristen darauf berufen kann, es läge eine „vergleichbare“ berufliche Tätigkeit im Sinne von § 6 Absatz 5 Satz 1 SGB VI vor, bleibt offen.

Befreiung von der Deutschen Rentenversicherung – Übergangsfrist endet am 31.12.2013

von Christian Welter, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Sozialrecht

Im Urteil zum Aktenzeichen B 12 R 3/11 R hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass die erteilte Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt ist. Die Befreiung entfaltet bei einem neuen Beschäftigungsverhältnis keine Wirkung mehr. Das gilt auch dann, wenn es sich um eine vergleichbare berufliche Tätigkeit handelt. Klargestellt wurde vom Bundessozialgericht im Urteil zum Aktenzeichen B 12 R 8/10 R, dass die Befreiung endet, wenn der Betroffene der Berufsgruppe nicht mehr angehört, für die das Versorgungswerk errichtet wurde.

Nach der Auffassung des Bundessozialgerichts im Urteil zum Aktenzeichen B 12 R 5/10 R gibt es keinen Bestandsschutz, der personenbezogen wirkt. Die Befreiung ist auf die konkrete Beschäftigung beschränkt. Dies gilt auch, wenn bei einem anderen Arbeitgeber eine vergleichbare berufliche Tätigkeit verrichtet wird. Die Erstreckung der Befreiung muss von der Deutschen Rentenversicherung jeweils durch einen gesonderten Verwaltungsakt festgestellt werden.

Für den Arbeitgeber besteht ein erhebliches Risiko, dass er beim Wegfall der Befreiung Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung als Arbeitgeber und Arbeitnehmer Beitrag für viele Jahre nachzahlen muss. Die Deutsche Rentenversicherung wendet abweichend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zugunsten eines Bestandsschutzes eine Übergangsregelung noch bis zum 31.12.2013 an. Auf ihrer Homepage weist sie darauf hin, dass diejenigen, die ihre derzeitige Beschäftigung vor dem 31.10.2012 aufgenommen haben, unter die frühere Verwaltungspraxis fallen. Sie müssen Befreiungsanträge zwingend erst bei einem Wechsel der Beschäftigung stellen. Auf Wunsch können zur Klarstellung auch für die aktuell ausgeübte Beschäftigung Anträge gestellt werden. Für bereits beendete Beschäftigungen werden nachträglich keine Befreiungsbescheide von der Deutschen Rentenversicherung erteilt (siehe VR-Kurzlink).

Der Arbeitgeber muss den Befreiungsantrag zu seiner Personalakte nehmen. Ansonsten werden von der Deutschen Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung Beiträge nacherhoben. Eine rechtzeitige Antragstellung innerhalb der Übergangszeit bis zum 31.12.2013 reicht, um die Frist zu wahren. Im Nachgang muss freilich auch der Befreiungsbescheid zur Personalakte genommen werden.

Betroffen sind alle, die ihre Tätigkeit nicht vor dem 31.10.2012 aufgenommen haben. Die konkrete Tätigkeit ist beim Befreiungsantrag genau zu bezeichnen. Von der Deutschen Rentenversicherung wird darauf hingewiesen, dass neben jedem Arbeitgeberwechsel auch jede wesentliche Änderung des Tätigkeitsfeldes einen neuen Befreiungsantrag nötig macht. Grundsätzlich ist der Antrag sofort zu stellen. Er kann auch schon vor dem Dienstantritt der neuen Tätigkeit gestellt werden. Wird der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Wechsel der Tätigkeit gestellt, so wirkt er auf den Beginn der neuen Tätigkeit zurück (§ 6 Abs. 4 SGB VI).

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Autor/in

Ralf Wickert

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuer- und Arbeitsrecht. Er ist Gesellschafter der Dornbach GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft mit den Tätigkeitsschwerpunkten gesellschaftsrechtliche, arbeits- und steuerrechtliche Beratung von Unternehmen und Verbänden. Autor mehrerer Fachbücher, u. a. des Praxishandbuches Verbandsrecht und des Praxishandbuches Datenschutz in Verbänden.

http://www.dornbach.de